
Top 10 der Kommunen
Gewerbesteuer 2025: Zwischen Standortattraktivität und Finanznot
Über die niedrigen Hebesätze etwa in Monheim am Rhein oder in Schönefeld in Brandenburg (Standort des Flughafens BER) wird immer wieder berichtet. Doch die Liste der günstigsten Gewerbesteuer-Hebesätze wird von einer kleinen 800 Einwohner-Gemeinde im Landkreis Greiz angeführt, wie die Erhebung von Empirica Regio für das Handelsblatt zeigt.
Rang |
Kommune |
Bundesland |
Hebesatz (%) |
1 |
Langenwolschendorf |
Thüringen |
200 |
2 |
Schönefeld |
Brandenburg |
240 |
3 |
Monheim am Rhein |
Nordrhein-Westfalen |
250 |
4 |
Leverkusen |
Nordrhein-Westfalen |
250 |
5 |
Unterhaching |
Bayern |
295 |
6 |
Kemnath |
Bayern |
230 |
7 |
Pullach im Isartal |
Bayern |
290 |
8 |
Oststeinbek |
Schleswig-Holstein |
290 |
9 |
Grevenbroich |
Nordrhein-Westfalen |
250 |
10 |
Großheringen |
Thüringen |
330 |
Die regioinale Verteilung zeigt, dass in Bayern und im Norden die meisten Steuerparadise für Unternehmer liegen. Eine Besonderheit spielt dabei Grünwald bei München mit einem Hebesatz von 240 Prozent. Der Ort hat nur etwa 9300 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, aber mehr als 8000 aktive Firmen. Zu den in Grünwald ansässigen Firmen zählt etwa die Pensionsfonds AG des Siemens-Konzerns, dessen Zentrale offiziell in München liegt.
In Schönfeld am BER derweil sind es - bei knapp 19.000 Einwohnern - fast 6000 Firmen - die meisten von Ihnen Immobilienfirmen, die jedoch gar nicht in Schönefeld aktiv sind.
Auf der anderen Seiten haben Hamburg und NRW zumeist die höchsten Gewerbesteuer-Hebesätze.
Rang |
Kommune |
Bundesland |
Hebesatz (%) |
1 |
Inden |
Nordrhein-Westfalen |
650 |
2 |
Wettlingen |
Rheinland-Pfalz |
600 |
3 |
Oberhausen |
Nordrhein-Westfalen |
580 |
4 |
Mülheim an der Ruhr |
Nordrhein-Westfalen |
580 |
5 |
Ahnatal |
Hessen |
535 |
6 |
Dierfeld |
Rheinland-Pfalz |
900 |
7 |
Offenbach |
Hessen |
895 |
8 |
Berlin |
Berlin |
810 |
9 |
Hagen |
Nordrhein-Westfalen |
750 |
10 |
Lorch (Rheingau) |
Hessen |
1050 |
Warum erhöhen Kommunen ihre Gewerbesteuer-Hebesätze?
Trotz Rekordeinnahmen von 75,1 Milliarden Euro im Jahr 2023 sehen sich viele Kommunen gezwungen, ihre Hebesätze zu erhöhen. Die Gründe sind vielfältig:
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Steigende Ausgaben: Sozial- und Personalkosten steigen kontinuierlich, während die Einnahmen nicht im gleichen Maße wachsen.
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Inflation: Die allgemeine Teuerung erhöht die Betriebskosten der Kommunen, was zusätzliche Einnahmen erforderlich macht.
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Schuldenabbau: Viele Kommunen sind hoch verschuldet und nutzen höhere Hebesätze, um ihre Haushalte auszugleichen.
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Gewerbesteuerumlage: Ein Teil der Gewerbesteuereinnahmen wird an Bund und Länder abgeführt, was die tatsächlichen Einnahmen der Kommunen schmälert.
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Standortattraktivität: Einige Kommunen erhöhen die Hebesätze, um ihre Infrastruktur zu verbessern und so langfristig attraktiver für Unternehmen zu werden.
Das sind die Vorteile hoher Gewerbesteuer-Einnahmen für Kommunen
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Finanzielle Unabhängigkeit: Die Gewerbesteuer ermöglicht es Kommunen, eigenständig Einnahmen zu generieren, was ihre finanzielle Autonomie stärkt.
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Gestaltungsspielraum: Durch die Festlegung des Hebesatzes können Kommunen aktiv Einfluss auf ihre wirtschaftliche Entwicklung nehmen.
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Anreiz für Unternehmensansiedlungen: Ein niedriger Hebesatz kann Unternehmen anziehen und so die lokale Wirtschaft fördern.
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Finanzierung öffentlicher Aufgaben: Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer fließen direkt in die kommunalen Haushalte und ermöglichen Investitionen in Bildung, Infrastruktur und soziale Dienste.
Das sind die Nachteile durch die Abhängigkeit von der Gewerbesteuer
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Konjunkturabhängigkeit: Die Gewerbesteuereinnahmen schwanken mit der wirtschaftlichen Lage, was die Haushaltsplanung erschwert.
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Wettbewerb zwischen Kommunen: Unterschiedliche Hebesätze können zu einem "Steuerwettbewerb" führen, bei dem Kommunen versuchen, sich gegenseitig zu unterbieten, um Unternehmen anzulocken.
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Abhängigkeit von Großunternehmen: Kommunen, die stark von einzelnen großen Unternehmen abhängig sind, riskieren erhebliche Einnahmeverluste, wenn diese Unternehmen abwandern oder in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten.
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Gewerbesteuerumlage: Ein Teil der Gewerbesteuereinnahmen wird über die Gewerbesteuerumlage an Bund und Länder abgeführt, was die tatsächlichen Einnahmen der Kommunen schmälert.
Die wichtigsten Argumente für die Anpassung des Hebesatzes in Kommunen
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Deckung steigender Ausgaben: Kommunen sehen sich mit wachsenden Kosten in Bereichen wie Sozialleistungen, Bildung und Infrastruktur konfrontiert. Eine Erhöhung des Hebesatzes kann helfen, diese Ausgaben zu finanzieren.
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Schuldenabbau: Höhere Einnahmen können dazu beitragen, kommunale Schulden zu reduzieren und die finanzielle Stabilität zu verbessern.
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Gleichbehandlung: Ein höherer Hebesatz kann dazu beitragen, Steuervermeidung durch Unternehmensverlagerungen zu verhindern und für eine gerechtere Verteilung der Steuerlast zu sorgen.
Diese Argumente sprechen für die Senkung des Hebesatzes
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Wirtschaftsförderung: Ein niedrigerer Hebesatz kann Unternehmen anziehen, Arbeitsplätze schaffen und die lokale Wirtschaft stärken.
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Wettbewerbsfähigkeit: In Regionen mit hoher Steuerbelastung kann eine Senkung des Hebesatzes die Wettbewerbsfähigkeit der Kommune verbessern.
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Langfristige Einnahmensteigerung: Durch die Ansiedlung neuer Unternehmen können langfristig höhere Gesamteinnahmen erzielt werden, selbst bei einem niedrigeren Hebesatz.
Was sich nun in Sachen Gewerbesteuer durch die neue Bundesregierung ändert
Im Koalitionsvertrag wurde eine Erhöhung des Mindesthebesatzes auf 280 Prozent festgelegt. Einen Umstand, den Helmut Dedy vom Deutschen Städtetag im Gespräch mit dem Handelsblatt begrüßt: Die neue Bundesregierung müsse aber mehr unternehmen, um die Kommunen zu stärken. Denn die Städte steckten „in der schlimmsten Finanzkrise seit Bestehen der Bundesrepublik“ und bekämen von Bund und Ländern immer mehr Aufgaben zugewiesen.
Die Kommunen würden ein Viertel der staatlichen Ausgaben tragen, hätten aber nur ein Siebtel der Steuereinnahmen, bemängelt Dedy. Um dringend nötige Investitionen in die Infrastruktur zu stemmen, müssten die Kommunen künftig deutlich größere Steuereinnahmen erhalten, „am besten über höhere Umsatzsteueranteile“.