Sparschwein - Kommunen und die Greensill-Pleite
Keine gute Geldanlage: Kommunen verloren durch die Greensill-Pleite viel Geld.
© AdobeStock

Greensill-Bankenpleite

Greensill - Kommunen wollen Schadensersatz

Die Aufarbeitung hat begonnen: Mehrere Städte wollen wegen ihrer Millionen-Verluste durch die Greensill-Pleite jetzt Schadensersatz fordern. Doch es gibt auch Vorwürfe gegen lokale Entscheidungsträger. Was ihnen drohen kann, beschreibt für KOMMUNAL ein Rechtsexperte. Hier finden Sie auch ein Pdf der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin mit allen Fakten zur Greensill-Bank und den Folgen der Insolvenz.

Der Schock war groß, die Konsequenzen sind schwerwiegend: Rund 50 Kommunen in Deutschland hatten bei der Bremer Bank Greensill ihr Geld angelegt. Als die Bank insolvent ging, waren Millionen von Euro an Steuergeld weg. Das Problem: Es wurden zwar Privatanleger entschädigt, nicht aber die Kommunen. Jetzt haben mehrere Kommunen angekündigt, Schadensersatz fordern zu wollen - und so mancher führender Lokalpolitiker muss sich mit Vorwürfen auseinandersetzen, warnende Signale womöglich übersehen zu haben. Doch was kann den politischen Entscheidungsträgern passieren? Wie sind die Chancen einzuschätzen, Geld zurückholen zu können - und wie lange kann das dauern?

Greensill-Pleite: Kommunen im Kreuzverhör

Der Rechtsanwalt Marius Klotz hat in einem KOMMUNAL-Gastbeitrag davor gewarnt, dass "sich die verantwortlichen Akteure bei nicht wenigen Kommunen früher oder später mit dem Vorwurf konfrontiert sehen, gegen geltende Anlagerichtlinien oder allgemeine Haushaltsgrundsätze verstoßen zu haben". Und tatsächlich: In Gießen verlor die Stadt wegen der Greensill-Pleite 10 Millionen Euro. Dort  hat die örtliche FDP eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz eingereicht. Sie weist die Vorwürfe zurück. Allerdings kündigte sie Konsequenzen an: Die Stadt Gießen legte vorerst kein Festgeld mehr an. Zudem wies sie darauf hin, dass Ratings der Banken derzeit keine ausreichende Sicherheit zur Vermeidung von Risiken darstellten. Dies müsse das Stadtparlament bei der Neuauflage der Richtlinien beachten.

Nach Greensill-Pleite: Vorwürfe gegen Oberbürgermeisterin

Von der Dienstaufsichtsbeschwerde erhofft sich die FDP-Fraktion in Gießen, dass die seit dem Anlage-Desaster im Raum stehende Streitfrage unabhängig geklärt wird: Waren die Festgeldanlagen bei der Greensill-Bank tatsächlich durch die städtische Richtlinie für Geldanlagen gedeckt waren oder nicht?  Das Regierungspräsidium, das die Finanzaufsicht über die Stadt ausübt, prüft den Sachverhalt. Wie die Gießener Allgemeine Zeitung berichtet, weist die Behörde aber schon jetzt darauf hin, dass die Kommunen in der Gestaltung ihrer Geldanlagen frei sind. Eine Genehmigung durch die Finanzaufsichtsbehörde sei nicht vorgesehen. Unabhängig von dem Ergebnis der Prüfung wird laut Gießener Allgemeinen Zeitung erwartet, dass das neue Stadtparlament einen Akteneinsichtsausschuss einsetzt, der sich einen Überblick verschafft. Die Freien Wähler forderten den Rücktritt von Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz.

Vielleicht waren wir zu geizig"

Dirk During, Kämmerer der Stadt Gießen

Der Finanzverantwortliche der Stadt Gießen äußerte sich selbstkritisch. "Vielleicht waren wir zu geizig", sagte Kämmerer Dirk During jetzt vor der Presse  und verwies dabei auf die Stadt Münster. Diese hatte bereits 2019 von einer Geldanlage bei Greensill Abstand genommen hatte, nachdem ein von der Stadt in der Schweiz eingeholtes Kurzgutachten vor Geldanlagen bei der international verflochtenen Bank dringend abgeraten hatte. 5000 Euro hätte eine solche Bewertung gekostet, führt During an.

Dass die causa „Greensill“  in den Kommunen auch zu persönlichen Haftungsfolgen führen kann, ist nicht ausgeschlossen. "Zwar genießen die Vertreter einer Kommune im Innenverhältnis Haftungsprivilegien. Eine Pflicht zum Schadensersatz setzt regelmäßig zumindest grob fahrlässiges Handeln voraus", sagt Rechtsexperte Klotz. "Fälle wie die Inanspruchnahme der früheren Oberbürgermeisterin der Stadt Bonn Dieckmann zeigen aber, dass auch im öffentlichen Bereich die Bereitschaft wächst (ehemalige) Vertreter auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen."

Das Verwaltungsgericht Köln hatte die damalige Oberbürgermeisterin Dieckmann und andere ehemalige Vertreter der Stadt Bonn wegen des Fiaskos rund um das Bonner Kongresszentrum WCCB im September 2020 zu einer Schadensersatzzahlung von 1 Million Euro verurteilt (Urteil vom 10. September 2020). Die Bereitschaft zur Verfolgung solcher Ansprüche ist insbesondere dann groß, wenn das Leitungspersonal sich nicht (mehr) auf gesicherte Ratsmehrheiten stützen kann.

Einlagensicherung reformiert zu Ungunsten von Kommunen

Der Rechtsexperte erläutert auch, weshalb die Greensill-Pleite die Kommunen und ihre Vertreter so hart trifft: Zwar sei die Greensill Bank Mitglied des freiwilligen Einlagesicherungsfonds des Bundesverbands Deutscher Banken (BdB). Der Einlagesicherungsfonds schützt die Guthaben von Kunden bei den beteiligten Banken auch über die gesetzliche Einlagensicherung nach dem Einlagensicherungsgesetz (EinSig) hinaus.

Der BdB, so betont Klotz, hatte die Einlagensicherung jedoch mit Wirkung zum 1. Oktober 2017 reformiert. "Weil Kommunen nach Einschätzung des BdB als professionelle Investoren über die notwendigen Kenntnisse verfügen, um Anlagerisiken einschätzen zu können, wurden sie fortan vom der Einlagensicherung ausgenommen", so Klotz. Viele der investierten Städte hätten spezielle Anlagerichtlinien erlassen, die vorsehen, dass freie Mittel nur bei Banken angelegt werden dürfen, die der Einlagensicherung unterliegen. Auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin weist darauf hin, dass die Guthaben der öffentlichen Hand nicht geschützt sind. Im pdf unten im Text finden Sie die konkreten Aussagen der BaFin zusammengefasst.

Kommunen melden Forderungen an und prüfen Schadensersatz

So bleibt den geschädigten Kommunen nichts anderes übrig, sich auf anderem Weg zumindest einen Teil des Geldes zurückzuholen: Die Stadt Gießen hat beim Insolvenzverwalter ihre Forderungen angemeldet, außerdem will sie zusammen mit Köln prüfen lassen, ob und wieweit Schadensersatzforderungen eine Chance haben. Die Schadensersatzforderungen könnten sich an die staatliche Finanzaufsicht BAFIN, den Wirtschaftsprüfer von Greensill und der Ratingagentur Scope richten, sagte die Oberbürgermeisterin.

Verfahren zu Greensill-Bank-Folgen kann sich Jahre hinziehen

Die geschädigten Kommunen müssen sich offenbar auf eine lange Verfahrensdauer einstellen: In einer Videoschalte mit Vertretern der geschädigten Kommunen sprach Insolvenzverwalter Frege laut Gießens Oberbürgermeisterin von einem fünf- bis zehnjährigen Verfahren gesprochen, bedingt durch die Komplexität des Falls und die internationale Verflechtung der australisch-britischen Greensill-Mutterbank. Mehr Infos. Die ebenfalls schwer geschädigte Stadt Monheim und andere Kommunen haben sich ebenfalls zusammengetan, um Schadensersatzansprüche zu prüfen.

Fest steht: Die Anlagenpleite hat die Kommunen vorsichtiger gemacht. So hat der Gemeinderat im baden-württembergischen Sachsenheim, der bei der Greensill- Bank ebenfalls Geld angelegt hatte, die kommunalen Richtlinien geändert. Geprüft werden soll, ob die noch bestehenden unsichere Anlagen vorzeitig gekündigt werden.

Ein Fragen-Antwort-pdf der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin zur Greensill-Bank finden Sie hier.