Neubau sollte an den Abriss von alten leerstehenden Immobilien gekoppelt werden

Immobilien: Die Niederlande als Vorbild  

3. Oktober 2017
Neubau in einigen Regionen nur, wenn gleichzeitig alte Häuser abgerissen werden? Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft sorgt für heftige Diskussionen vor allem in ländlichen Gebieten.      

Auf dem Land werde zu viel gebaut, während in den Städten Wohnungen fehlen – so zitierten einige Zeitungen die jüngste Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft. Was jedoch häufig in den Medienberichten vergessen wurde, ist dass es vor allem auf die Mikrolage der Orte ankommt, die Einteilung zwischen Land und Stadt zu grob ist. Denn in einigen Regionen verlassen junge Menschen wegen fehlender Arbeitsplätze das Land und ziehen wieder in ländliche Gebiete, die jedoch in der Nähe größerer Städte oder in wirtschaftlich erfolgreichen Regionen liegen. Ein großes Problem haben die Orte, die kaum Arbeitsplätze bieten und versuchen mit günstigen und schicken Neubauwohnungen zu trumpfen. Immobilienunternehmen haben überzogene Vorstellungen vom Mietpreis, doch die Nachfrage bleibt gering, sodass die Immobilienpreise weiter abstürzen. Die Folge: Leerstände, die das gesamte Ortsbild herunterziehen.   

Dörfer fransen aus!

Laut der Immobilien-Studie wird häufig nicht im Zentrum gebaut, sodass Dörfer ausfransen und Zentren veröden und der Zuzug letztlich gebremst und nicht angeheizt wird. Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft gibt den betroffenen Kommunen Tipps: „Weisen Sie kein weiteres Bauland aus. Koppeln Sie stattdessen Neubauten an den Abriss von alten Gebäuden." Das Konzept ist nicht neu, ähnlich wird es bereits in den Niederlanden praktiziert. Voigtländer rät außerdem dazu, besser auf Interessenten einzugehen: „Es ist sinnvoll, Käufern finanzielle Anreize zu geben, damit sie bestehende Immobilien kaufen. Denn viele Familien bauen sich ein eigenes Haus, obwohl genügend leer stehen. Als Anreiz kommen Prämien in Betracht, die Käufer bekommen, wenn sie ein bestehendes Gebäude kaufen." Für den Immobilienexperten spielen in Zukunft auch alternative Wohnformen auf dem Land und in der Stadt eine große Rolle, weil sie langfristig und nachhaltig genutzt werden können: „In ländlichen Regionen wohnen häufig ältere Menschen, für die die Einfamilienhäuser zu groß sind. Mehrgenerationenhäuser oder andere gemeinschaftliche Wohnformen sind preiswert und kleiner. Sie ermöglichen außerdem einen engeren Austausch mit Nachbarn.“  

Immobilien auf dem Land

In ländlichen Regionen lassen sich viele Herausforderungen relativ leicht lösen. Schwieriger wird es in Großstädten. „Hier konzentriert sich der Wohnungsbau zu häufig auf einige wenige beliebte Bezirke“, erklärt Professor Gerhard Steinebach von der Technischen Universität Kaiserslautern. Viele Städte würden zudem zu wenig mit dem sogenannten Speckgürtel, also den meist kleineren Umlandgemeinden, kooperieren. „Diese Gemeinden sind meist mit einer sehr guten Infrastruktur, Wohnungen und Geschäften ausgestattet“, erklärt Steinebach. Doch dieser Vorteil wird zu wenig genutzt – genau so wenig wie leere Flächen. Denn auch auf ehemaligen Militär-  und Bahnflächen könnte in Zukunft gebaut werden. In Münster beispielsweise hat die Verwaltung das Gebäude eines alten Finanzamts verwertet. 18 Mieter wohnen in dem Haus. Wer in welches Zimmer zieht, wurde per Münzwurf entschieden – was skurril klingt, ist in den Niederlanden längst Alltag. Ein Blick auf unseren kleinen Nachbarn zeigt, dass hier deutlich schneller und günstiger gebaut wird als bei uns. Und die Niederländer sind in vielen Punkten weiter als wir: Die Kommunikation mit dem Grundbuchamt ist digitalisiert und spart so Zeit und Geld, die Maklerprovision ist niedriger, beläuft sich auf maximal zwei Prozent der Kaufsumme. Und auch wenn Eltern ihr Haus an die Kinder weitergeben, erhalten sie einen Freibetrag von 100.000 Euro. Zusätzlich lassen sich die Kaufnebenkosten komplett von der Steuer abziehen, sodass sich mehr junge Menschen Wohnungen kaufen können. Ein großer Vorteil liegt in den sogenannten Umgebungsplänen. Im Vorfeld werden hier grobe Ziele einer Umgebung definiert. Details, wie die Höhe von Gebäuden, müssen jedoch erst im Nachhinein genehmigt werden. Entsteht in den Niederlanden eine Wohnung an einer Hauptstraße, kann im Umgebungsplan festgehalten werden, dass nicht die üblichen Lärmstandardgrenzen eingehalten werden müssen - so ermöglicht die Regelung, dass sich der Anfang des Bauvorhabens nicht unnötig in die Länge streckt.   Die Beispiele aus der Niederlande zeigen, dass Deutschland nicht nur ein Problem mit Leerstand hat, sondern auch mit bezahlbarem Wohnraum. Das hat viel mit Baugesetzen und Mindeststandards – etwa im ökologischen Bereich – zu tun. Außerdem braucht es in Deutschland viel zu lang, bis ein Bau überhaupt begonnen werden kann.