Kunstkaufhaus Hanau Tacheles
Mit dem Kunstkaufhaus Tacheles versucht Hanau die Innenstadt zu beleben.
© Hanau Marketing GmbH

Brandbrief

Innenstadtförderung - ein "Bürokratiemonster"

Kommunen verzweifeln beinahe an den komplizierten Förderprogrammen. Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky spricht in seinem Brandbrief an die Bundesbauministerin nur das aus, was viele Städten und Gemeinde seit Jahren beklagen. Sein Beispiel: Um Geld aus dem Bundesprogramm "Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren" zu bekommen, müssten Kommunen mit einem "Bürokratiemonster" kämpfen. Den Schaden habe nicht nur die Stadt, sondern auch Bürger, Einzelhändler und Gastronomen. Wie Klara Geywitz darauf reagiert - und was mehrere Briefe und Telefonate bewirkt haben. Jetzt eine Erfolgsmeldung!
Aktualisiert am 4. August 2022

Hanau gehört zu den Kommunen in Deutschland, die besonders viel für die Belebung ihrer Innenstadt tun. Das preisgekrönte Innenstadtkonzept "HanauaufLaden" sieht beispielsweise Pop-up-Stores vor. Interessierte können Ladenkonzepte für einen begrenzten Zeitraum zu subventionierten Mieten ausprobieren und tragen so ein geringeres wirtschaftliches Risiko. Auch bietet die Stadt bietet Kurse für digitales Marketing und größere Sichtbarkeit im Netz an. Jüngst kaufte sie ein weiteres Haus in der Innenstadt und betreibt nun sogar den Traditions- Spielzeugwarenladen in Eigenregie weiter. Das Geschäft in der Innenstadt hätte sonst schließen müssen. Ohne Förderung kommt aber auch Hanau nicht aus, um die Innenstadt zu retten. Deshalb begrüßte Hanaus Oberbürgermeister Klaus Kaminksy auch das Bundesprogramm "Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren". Doch dann folgte die Ernüchterung.

Innenstadtförderung für Kommunen

Hanau wurde zwar im vergangenen November in das Bundesprogramm “Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren” aufgenommen und erhielt eine Zusage über 3,75 Millionen Euro Fördermittel, aber lange floss kein Geld. So geht es auch den anderen rund 230 Kommunen, denen finanzielle Hilfe vom Bund versprochen wurde. "Ich bin entsetzt, erzürnt, enttäuscht über die zähe Abwicklung des Förderprogramms „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren”. Zähmen Sie dieses Bürokratie-Monster!", schrieb Kaminsky an die zuständige Bundesbauministerin  Klara Geywitz. Denn das Förderprogramm hatte das „Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung” ausgerufen worden, das dem Ministerium zugeordnet ist. 

Prüf-Prozess-Lawine beklagt

"Mich treibt die sehr große Befürchtung um, dass Ihnen Ihre Beraterinnen und Berater demnächst den Satz aufschreiben werden, dass Kommunen Fördermittel nicht abgerufen haben – aber die Wahrheit ist, dass wir Stellen schaffen müssen, die sich mit immer wieder verändernden Förderbestimmungen und zahlreichen Antragsüberarbeitungen befassen müssen", schreibt Kaminisky in einem seiner zwei Briefe an die Bauministerin. "Wir werden von einer Prüf-Prozess-Lawine überrollt, statt schnell und effektiv handeln zu können. Ist das in Ihrem Sinne? Ist das Ihr Verständnis von schneller Hilfe für den Patienten Innenstadt? Und der Kommunalpolitiker macht die Folgen deutlich: "Statt dringend benötigtes Fördergeld vertrauensvoll an die Kommunen, die Dank handfester Konzepte und kreativer Schafferinnen und Schaffer wissen, was zu tun ist, zu geben, wird ein nicht unerheblicher Teil des Förderprogramms für Beratungsagenturen und endlose Prüfprozesse ausgegeben."

 

Projekte können nicht umgesetzt werden

Dringend benötigte Maßnahmen für die Stadtentwicklung könnten seit einem dreiviertel Jahr nicht umgesetzt werden, weil die zugesagten Fördermittel fehlen, mahnte der Oberbürgermeister. So warte der Hanau Marketing Verein auf einen City-Manager, der mit Mitteln aus dem Programm finanziert werden sollte. Ebenso stockten die Pläne für das “Service- und Beratungszentrum Innenstadt”, das als Anlaufstelle Bestands-Händlern und Gastronomen helfen soll, zukunftsfest zu werden, sich weiterzuentwickeln und das den Kundinnen und Kunden ein komfortables Innenstadterlebnis ermöglichen solle.

Förderantrag mehrmals überarbeitet

Inzwischen hatte Hanau die bereits dritte überarbeitete Fassung des Förderantrags auf den Weg gebracht - allerdings nicht direkt ins Ministerium, sondern zu einer Begleitagentur. “Das atemberaubende Konstrukt des Förderprogramms leitet Fördergelder in die Arbeit für Begleitagenturen und in Kanäle, die wir - wie andere Städte - für konkrete Projekte hätten nutzen können”, kritisiert Kaminsky. Wie drastisch das Förderdickicht sei, zeige die Tatsache, dass "sogar die von der Stadt beauftragte Fördermittel-Expertin  nicht durch den “Förderantrags-Dschungel" blicke. Diese Profis hätten nie zuvor ein so kompliziertes Förderprogramm und Förderprogramm-Management erlebt und der Stadt bereits geraten, uns aus dem Programm zurückzuziehen.

“Uns läuft die Zeit davon”, mahnte  Oberbürgermeister Kaminsky. Er forderte Ministerin Geywitz auch auf, die Mittel aus dem Jahr 2022 ins Jahr 2023 zu übertragen. “Ihnen und Ihrem Staatssekretär zeigen wir gerne unsere Projekte in Hanau, die wir in den vergangenen Monaten in Eigenregie und ohne Ihre bereits zugesagten Mittel umgesetzt haben.” Eine Anfrage von KOMMUNAL beim Bauministerium blieb bisher unbeantwortet.

Ob Hanau Claus Kaminsky

Den Schaden dieses Bürokratie-Monsters haben die Bürgerinnen und Bürger, haben unser Einzelhändlerinnen und Gastronomen.

Claus Kaminsky, Oberbürgermeister von Hanau

Hanau hat inzwischen zumindest 150.000 Euro erhalten und damit das Projekt Spielwarengeschäft forciert. Rund 3,6 Millionen Euro hingen jedoch noch in der Prüfschleife. Jetzt kam dann die erlösende Nachricht per Mail: Hanau hat den Zuwendungsbescheid endlich  - in voller Höhe. "Jetzt können wir endlich loslegen", sagte ein Sprecher zu KOMMUNAL.  Doch die Kommune hat wertvolle Zeit verloren. "Wenn Ihr Zuwendungsbescheid in der zweiten Jahreshälfte endlich kommt, müssen wir innerhalb weniger Monate Geld ausgeben, das für das ganze Jahr geplant war", hatte Kaminsky der Ministerin in einem seiner Briefe mitgeteilt. "Bei den notwendigen Anforderungen an Vergaben und Auftragserteilungen, von Leistungen ausschreiben über Angebote einholen, wird das kaum mehr sinnvoll möglich sein. Die Befürchtung treibt mich um, dass auch hier ein dringend benötigter Anteil des Fördervolumens versickern wird, weil wir als Kommune es schlicht nicht mehr werden ausgeben können." Nachdem der Zuwendungsbescheid  jetzt kam, war die Freude erst einmal groß.

Service-und Beratungszentrum Innenstadt

Das Geld soll unter anderem dafür verwendet werden, weitere Pop-up-Flächen anzumieten und damit die Neuansiedlung von kreativen Geschäften voranzutreiben. Dazu werden diverse Beratungs- und Unterstützungsprogramme entwickelt, die in einem "Service- und Beratungszentrum Innenstadt" münden sollen. Es soll "den Kundinnen und Kunden als Anlaufstelle dienen, wie man sie aus einem Einkaufszentrum kennt - mit zusätzlichen Dienstleistungen wie Gepäckaufbewahrung, Parkrückvergütung und Schirmverleih".

Mehr Informationen und der Offene Brief