
Interkommunale Zusammenarbeit
Gemeinsam handlungsfähig bleiben
Die Kassen sind leer, die Aufgabenberge hoch, und die Fachkräfte rar. Viele Kommunen stehen am Rande der Handlungsfähigkeit. Der Lösungsansatz, der nun in vielen Regionen in den Fokus rückt, klingt einfach: gemeinsam anpacken. Interkommunale Zusammenarbeit ist in diesen Zeiten kein wohlklingendes Schlagwort gegen Eingemeindung mehr, sondern ein handfestes Instrument, um handlungsfähig zu bleiben – und genau deshalb erleben wir aktuell eine neue Welle an Kooperationen.
Hameln und Hessisch Oldendorf: Gemeinsam gegen knappe Ressourcen
Hameln und Hessisch Oldendorf haben in der letzten Woche ihre intensiven Pläne zur interkommunalen Zusammenarbeit bekanntgegeben. „Wir sehen darin einen starken Effizienzgewinn“, betont Hamelns Oberbürgermeister Claudio Griese bei der Vertragsunterzeichnung. Sein Amtskollege Tarik Oenelcin aus Hessisch Oldendorf ergänzt: „Der Schulterschluss eröffnet uns die Chance, Synergien klug zu nutzen und die Angebote für unsere Bürgerinnen und Bürger spürbar zu verbessern.“
Beide Städte prüfen nun in zentralen Bereichen, wie sich Aufgaben künftig gemeinsam stemmen lassen – angefangen bei IT und Digitalisierung über das Personalmanagement bis hin zum Beschaffungswesen. Gerade im Einkauf oder bei Verwaltungssoftware liegen enorme Potenziale, um Ressourcen zu schonen, sind sich die beiden Kommunen sicher. Erste positive Erfahrungen haben sie bereits gemacht: Hameln arbeitet seit Jahren im Rechnungsprüfungsamt und bei der IT der Schulen mit dem Landkreis Hameln-Pyrmont zusammen – das funktioniert reibungslos.
Bad König, Lützelbach, Breuberg und Höchst: Vier Kommunen gegen den Fachkräftemangel
Auch im Odenwaldkreis soll die interkommunale Zusammenarbeit Engpässen entgegenwirken. Dort haben Bad König, Lützelbach, Breuberg und Höchst beschlossen, ihre Kräfte zu bündeln. Der Hintergrund: Die Personaldecke wird immer dünner, während die Aufgaben in den Rathäusern wachsen.
Die vier Kommunen wollen gemeinsame Konzepte für Personal, Finanzen, Steuern, Kasse, EDV und Bauverwaltung entwickeln. Denn: Wenn in einer Verwaltung eine Fachkraft krankheitsbedingt ausfällt oder in den Ruhestand geht, reißt das schnell eine Lücke. Mit abgestimmten Vertretungsregelungen lassen sich solche Engpässe abfedern. Eine Studie zur Fachkräftesicherung im ländlichen Raum hatte diese Strategie bereits empfohlen – nun setzen die Kommunen sie in die Praxis um.
Lörrach: Pionierarbeit bei der kommunalen Wärmeplanung
Dass interkommunale Zusammenarbeit nicht nur Kosten spart, sondern auch Innovation antreibt, zeigt der Landkreis Lörrach bereits seit einigen Jahren. Dort haben 35 Städte und Gemeinden gemeinsam mit dem Landkreis einen kommunalen Wärmeplan entwickelt – bundesweit einzigartig.
„Von 35 Städten und Gemeinden haben nur drei einen Klimaschutzmanager oder eine Klimaschutzmanagerin. Sie können also stark von der Zusammenarbeit profitieren“, erklärt Inga Nietz, Leiterin der Stabsstelle Klimaschutz im Landkreis. Durch die gemeinsame Planung entstehen Synergieeffekte: Abwärme aus Industrieanlagen kann über Gemeindegrenzen hinweg genutzt werden, kleine Kommunen profitieren vom Know-how der größeren Nachbarn, und für die Bürgerinnen und Bürger wird die Wärmewende konkret.
Auch beim Klimaschutzkonzept und beim Starkregenrisikomanagement setzen die Kommunen im Landkreis auf gemeinsame Lösungen. Ab Herbst wird ein eigener Klimaschutzkoordinator die Städte und Gemeinden direkt vor Ort beraten. So wird aus einer Notwendigkeit eine Stärke: Klimaschutz als Teamaufgabe.
Beispiele für interkommunale Zusammenarbeit: Vom Tourismus bis zur Energie
Wie vielfältig die interkommunale Zusammenarbeit aussehen kann, erkennt man in einer spannenden Publikation des Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR).
Die Bandbreite reicht dabei von gemeinsamen Gewerbegebietsausweisungen über regionale Wohnungsbaustrategien bis hin zu interkommunalen Energieeffizienz-Netzwerken. In manchen Regionen wurden sogar Mietspiegel oder Leerstandsmanagement interkommunal entwickelt, um Märkte besser steuern zu können. Oft geht es darum, Daseinsvorsorge langfristig zu sichern – mit Schulen, Kulturangeboten oder Gesundheitsinfrastrukturen, die eine einzelne Kommune alleine gar nicht mehr stemmen könnte.
Ein Blick auf die Praxis zeigt die Vielfalt:
- Rodachtal (Bayern/Thüringen): Sechs Gemeinden haben in Ummerstadt ein Kompetenzzentrum Bauen errichtet – eine Service- und Beratungsstelle, die Bauprojekte effizienter und nachhaltiger macht.
- ARGE Rennsteig (Bayern): In Teuschnitz entstand ein Lehr- und Kräutergarten, der Umweltbildung und Tourismus miteinander verbindet.
- Sängerstadtregion (Brandenburg): In Finsterwalde wurde ein Schulsportplatz neu gestaltet – ein Projekt, das über die Gemeindegrenzen hinaus Kindern und Jugendlichen zugutekommt.
- Oben an der Volme (Nordrhein-Westfalen): Mehrere Kommunen schufen in Halver „Häuser der Kultur“, die kulturelle Angebote bündeln und die regionale Identität stärken.
- Stadtregion Friedrichshafen/Bodenseekreis (Baden-Württemberg): Mit einem interkommunalen Mietspiegel steuern die Kommunen den angespannten Wohnungsmarkt gemeinsam.
- Landkreis St. Wendel (Saarland): Hier entstand ein kommunales Energieeffizienz-Netzwerk, das Energiesparpotenziale systematisch hebt.
- Weil am Rhein, Basel und Huningue (Dreiländereck): Im Rahmen des Agglomerationsprogramms stimmen die Kommunen ihre Stadtentwicklung über Ländergrenzen hinweg ab.