
Porträt
Bürgermeisterin bringt mehr Selbstbewusstein ins Dorf
Knorrige, alte Obstbäume stehen auf den Wiesen rund um Schlat. Das Dorf am Rande des Filstals ist ein Zentrum des Obstbaus in Baden-Württemberg. Entlang der Hauptstraße finden sich zahlreiche Hofläden und Verkaufsstände von Obstbauern. Und in einer Manufaktur werden die Früchte der Gegend zu alkoholfreien Schaumweinen verarbeitet, die auch auf Kreuzfahrtschiffen ausgeschenkt werden.
Bürgermeisterin mit schwäbischem Dialekt
Wenn Karin Gansloser von dem Ort erzählt, hört man die Begeisterung in ihrer Stimme. Die 28-jährige ausgebildete Verwaltungsangestellte ist seit zwei Jahren Bürgermeisterin von Schlat. In ihrem modern eingerichteten Amtszimmer im Rathaus erzählt sie beim KOMMUNAL-Besuch in breitem Schwäbisch, wie sie in dieses Amt kam. „Ich hab`den Realschulabschluss gemacht, das Abitur im zweiten Bildungsweg, die Ausbildung für den mittleren Dienst und das Studium für den gehobenen Dienst“, sagt Gansloser. "Und immer wieder habe ich gedacht: „Das, was die andere kann, kann ich doch auch“ – oder: „Das, was der da kann, kann ich doch auch.“
Für Gansloser war das die Motivation, immer weiter nach vorn zu gehen. Als in Schlat, der Nachbargemeinde ihres Wohnortes Deggingen, der Bürgermeisterposten frei wurde, zögerte sie nicht lange: „Ich komme aus einer Obstbaufamilie aus Reichenbach und mit meiner Verwaltungsausbildung passte einfach alles.“ Als Bürgermeisterkandidatin klingelte Karin Gansloser an Haustüren, besuchte Unternehmen. Wenn sie nach ihrem Alter gefragt wurde, hatte sie irgendwann einen kessen Spruch auf den Lippen: „Wenn es Sie beruhigt: Ich werde jeden Tag einen Tag älter.“ Das hat offenbar funktioniert: Mit 86 Prozent der Stimmen gewann Karin Gansloser die Direktwahl.
Geldautomat konnte im Dorf erhalten bleiben
„Ich habe „menschlich“ und „kompetent“ als Begriffe in meinem Wahlslogan gehabt“, sagt Gansloser. „Denn darum geht es: Dass man mit viel Wissen und Können die Kommune weiterbringt, und dass das Rathaus offen und nahbar ist.“ Als Bürgermeisterin will Gansloser die Infrastruktur im Ort halten. Dass das 1.700-Einwohner-Dorf anders als andere Kommunen weiterhin einen Geldautomaten hat, ist ihren Verhandlungskünsten zu verdanken. „Die Hofläden und Direktvermarkter hier bei uns im Ort nehmen an ihren Verkaufsständen vor allem Bargeld“, sagt Gansloser. Das habe die örtliche Volksbank schließlich überzeugt – und um es für die Bank etwas günstiger zu machen, bot Gansloser an, den Automaten im Eingangsbereich des Rathauses aufzustellen. „Heute muss ich sagen, dass der Geldautomat und das dazugehörige Kontoserviceterminal rege genutzt werden.“
Selbstbedienungsladen in Schlat sichert Versorgung
Ein anderes Thema ist die Nahversorgung. „Als ich kam, hatte der letzte Metzger zugemacht“, sagt Gansloser. „Wir hatten auch mal mehrere Bäcker im Ort.“ Der jungen Bürgermeisterin war es ein großes Anliegen, dass sich etwas änderte: „Für mich war es ganz arg wichtig, hier einen Nahversorgungsladen herzukriegen“, sagt Gansloser. „Und wenn der Bedarf net da isch für einen Laden mit Personal, für eine reine Metzgerei oder eine reine Bäckerei, dann müssen wir halt eine Mischung aus dem Ganzen schaffen.“ Heute gibt es im Ort wieder einen Laden. „Die Schlater kaufen dort ein, es ist ein automatisierter Selbstbedienungsladen“, sagt Gansloser. Am Eingang steckt man die Bankkarte in ein Lesegerät. Dann kauft man ein und checkt mit dem Kassenbon wieder aus. „Das nutzen auch viele, die auf der Durchreise sind“, sagt Gansloser. „Denn man kann hier eben auch am Samstag oder Sonntag seine Lebensmittel kaufen.“
Schutz vor Starkregen und Hochwasser
Gut im Rennen ist Schlat auch bei den Themen Starkregen- und Hochwasserschutz und kommunale Wärmeplanung. „Als es in der Region im vergangenen Jahr zu Überflutungen kam, ist bei uns nichts passiert“, sagt Gansloser. „Meine Vorgänger haben schon in ein neues Regenwasser-Rückhaltebecken und den Hochwasserschutz investiert.“ Die Kommune lässt nun dennoch eine Starkregenrisiko-Managementplanung vornehmen und Gefahrenkarten für Anwohner erarbeiten, die wissen wollen, ob ihr Haus im Fall eines Starkregenereignisses gefährdet ist. „Im Neubaugebiet haben wir einen Bebauungsplan, der für jedes Haus die Schaffung einer Zisterne zur Speicherung von Regenwasser und eine Photovoltaikanlage vorschreibt“, erzählt Gansloser. Die meisten öffentlichen Gebäude im Ort seien an ein Fernwärmenetz angeschlossen. Und eine mittlere zweistellige Zahl von Eigenheimbesitzern heizt bereits mit einer Wärmepumpe. Das klingt jetzt alles „grün“, aber als „Grüne“ versteht sich die parteilose Bürgermeisterin nicht: „Ich denke einfach, wir müssen die Möglichkeiten nutzen, die wir haben, um unser Leben hier in Schlat besser zu machen.“
Manches andere Thema indes würde man von einer jungen Bürgermeisterin vielleicht so nicht erwarten: Gansloser nämlich engagierte sich auch für den Umbau des Schlater Friedhofs. „Als ich Kind war, hieß es immer: Geh nicht auf den Friedhof“, erinnert sich die Bürgermeisterin. Man sei schon etwas abergläubisch gewesen: Auf den Friedhof ging man nur, wenn man ein Grab pflegen musste oder in Trauer war. „Aber Friedhöfe sind auch so etwas wie eine grüne Lunge im Ort“, sagt die Bürgermeisterin. „Und die Menschen, die um einen Verstorbenen trauern, brauchen einen würdigen Ort dafür.“
Friedhof soll umgestaltet werden
Gansloser wollte den Friedhof stärker für die Menschen öffnen und bei der Planung der neuen Urnengrabanlage neue Wege gehen. Mit den Gemeinderäten schaute sich Gansloser das Versuchsfeld eines Planungsunternehmens an. Sie traf sich auch mit Vertretern der Kirchen, mit Psychologen, Soziologen, Landschaftsarchitekten, Bestattern und Steinmetzen, um weiter über das Thema zu sprechen. Schließlich wurde ein Konzept für den Friedhof in Auftrag gegeben: „Wir wollen einen Ort gestalten, wo man einerseits den Verstorbenen nahe ist, wo man aber andererseits auch sonst gern hinkommt“, sagt Gansloser. „In Osteuropa beispielsweise treffen sich die Menschen an hohen Feiertagen zum Essen auf dem Friedhof.“ Mit ihren Bemühungen traf die Bürgermeisterin ins Schwarze. Die Schlater ließen sich überzeugen. Auf einer Informationsveranstaltung gab es jede Menge Zuspruch für das Projekt.
Neue Wege werden angelegt, Bänke auf dem Friedhof aufgestellt, Flächen zum Aufenthalt geschaffen. „Eigentlich kann man mit so einem Thema politisch nur verlieren“, sagt Gansloser. „Aber ich glaube, dass es ein schönes Thema ist, trotzdem dass es Trauer und Schmerz beinhaltet.“ Und auch selbst weiß die Bürgermeisterin, wie sie eines Tages begraben werden möchte. „Ich denke, man hört heraus, wo ich gern hin möchte, wenn es irgendwann mal so weit ist.“