Künstliche Intelligenz im Einsatz
Schlagloch-Hopping adé
340 Kilometer zählt das Straßennetz der 50.000-Einwohner-Stadt Goslar in Niedersachsen. 340 Kilometer, die der Betriebshof seit Anfang des Jahres mithilfe einer KI-basierten Software analysiert. Das Ziel: Schlaglöcher oder Risse auf der Fahrbahn zu erkennen und zu beseitigen. 36 Stunden dauert eine Bestandsaufnahme, bei der die Daten aller Straßen gesammelt werden. Das ist Rekordtempo! Früher war dafür ein Mitarbeiter des Betriebshofes rund ein Jahr unterwegs – mit Zettel und Stift, neben seinem Alltagsgeschäft als Straßenbauer.
Digitale Straßenkarte
Um an die notwendigen Daten zu gelangen, befährt ein Fahrzeug sämtliche Straßen, während ein Smartphone alle drei bis vier Meter ein Foto macht. Dieses Bildmaterial wandert in eine Cloud, in der es gespeichert wird. Eine spezielle Software wertet die Bilder schließlich aus. Das Ergebnis ist eine digitale Karte sämtlicher Stadtteile von Goslar, auf der mit Farbmarkierungen und einem Notensystem die unterschiedlichen Straßenzustände abgebildet sind. Blaue Straße heißt: alles in Ordnung. Rot mit Ausrufezeichen bedeutet: Handlung erforderlich, die Verkehrssicherheit ist nicht gewährleistet. Die passende Software liefert ein Start-up, dessen intelligentes Straßenmanagementsystem die Asphaltoberflächen von mittlerweile 300 Partnerkommunen analysiert.
„Wir haben eine Nachweispflicht gegenüber dem kommunalen Schadensausgleich, was Straßen und Fußwege angeht“, erklärt Sebastian Heim, Leiter des Betriebshofes. „Da wir ein kleiner Betrieb sind, haben wir uns Gedanken gemacht, wie wir dieser Pflicht effektiver nachkommen können.“ 2023 testete er mit seinem Team verschiedene Software-Lösungen, das Start-Up-Unternehmen erhielt schließlich den Zuschlag für die kommenden drei Jahre.
Datenschutz ist gewährleistet
309 von den 340 Kilometern sind aktuell erfasst. Wobei die noch offenen Kilometer Waldwege und Straßen ohne Anlieger seien, sagt der Betriebshofleiter. Für jedes Bild wird eine Bewertung der Straße durchgeführt. Das alles geschieht datenschutzkonform, betont Heim. Autokennzeichen oder Gesichter von Menschen sind verpixelt. Bewertet werden Ausbrüche, Risse, Fugen, Nähte und Flickstellen der Straßen. Über seinen geteilten Bildschirm erklärt er die unterschiedlich eingestuften Straßen: 16,75 Kilometer haben die Note eins erhalten; 75 Kilometer die Note fünf. „Hier haben wir als Betrieb den Auftrag, die Straßen zu reparieren und Schlaglöcher zu beseitigen“, sagt er.
Allerdings, betont Heim, Straßensanierungen könne sein Betrieb nicht durchführen. Hier ist der Fachdienst Tiefbau gefragt, der ebenfalls von der computerstützten Analyse profitiert. Dieser könne damit auf eine aktuelle Prioritätenliste zurückgreifen, die es so bisher nicht gab. Bevor es aber tatsächlich zu Straßensanierungen kommt, werden die per Software analysierten Straßenzustände von einem Menschen vor Ort begutachtet.
Schlagloch-Hopping hat ein Ende
Denn werden die Fotos bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen oder bei Nässe gemacht, kann es zu Fehlanalysen kommen. Das heißt: Es kann passieren, dass die Software einen Schatten als Schlagloch einstuft. Langfristig lernt die Software allerdings dazu – indem falsche Bewertungen korrigiert werden. Doch wie erreicht eine berechtigte Schlagloch-Info schließlich die Straßenbauer? „Unsere Kolonnen sind mit Tablets ausgestattet“, sagt Heim. Über eine „To-Do-App“ werden die Aufträge verwaltet und verteilt. So könnten die Mitarbeiter effektiver arbeiten.
Früher landeten Schadensmeldungen über verschiedenste Kanäle bei ihnen: via Social Media oder über den Störungsmelder der Stadt. „Dieses Schlagloch-Hopping in den verschiedenen Stadtteilen hat mit der Software ein Ende“, freut sich Heim. Denn jetzt können die Straßenbauer gezielt Aufträge in einem Stadtgebiet abarbeiten.
Das Ziel sei, die Straßen vier Mal pro Jahr komplett zu fotografieren, um stets auf aktuelle Daten zurückgreifen zu können. Insbesondere die Wintermonate würden regelmäßig Schäden auf den Straßenoberflächen hinterlassen. Dazu komme der zunehmende Schwerlastverkehr, der zur Abnutzung beiträgt.
Software - jährliche Kosten
Etwa 40 000 Euro kostet die Software pro Jahr. Für Heim geht die Kosten-Nutzen-Rechnung auf: „Wir profitieren von einer enormen Zeitersparnis. Durch die direkte Erfassung der Straßen können die Kollegen die Schäden schneller abarbeiten.“ Auch die Synergieeffekte mit anderen Fachabteilungen, wie etwa mit dem Tiefbauamt, seien von Vorteil.
Zusätzlich zu der Zustandserfassung der Straßen profitieren die Goslarer von weiteren Features der Software: Über die Fotos können beispielsweise auch Verkehrsschilder analysiert werden. Sind sie verschmutzt oder verblasst, landet eine Meldung in der To-Do-App – und sie können gesäubert oder ausgetauscht werden.