Notbetreuung
Kita: Notfallplätze und Eltern-Pool
Geht es um Kita-Plätze und Kinderbetreuung in den Kommunen, offenbart sich ein Dilemma: Einerseits sollen Kita-Plätze ausgebaut werden und der Bedarf der Eltern ist hoch. Andererseits ist der Fachkräftemangel im Bereich der Kinderbetreuung besonders deutlich spürbar. Betreuungseinschränkungen und Kita-Schließungen sind die Folge und sowohl für Eltern wie auch für die Kommunen extrem belastend. In Münster hat man nun verschiedene Ansätze entwickelt, um angesichts der Krise bestmöglich für Stabilität zu sorgen. Zwar ist die Ausbauquote mit rund 200 Kitas in Münster im Vergleich zu anderen Großstädten in NRW relativ gut, wie Sibylle Kratz-Trutti, die Abteilungsleiterin des Fachbereichs Kindertagesbetreuung am Jugendamt in Münster feststellt. Es fehlt aber Personal.
Hoher Bedarf trifft auf Fachkräftemangel
Aktuell knapp 50 Prozent aller Kinder unter drei Jahren werden in Münster in Kitas betreut. Die Nachfrage aber ist deutlich höher. So kam laut der Abteilungsleiterin bei einer aktuellen Elternumfrage heraus, dass 83 Prozent der Eltern von Kindern unter drei Jahren einen Kita-Platz wünschen. Einige dieser Plätze wären zwar vorhanden, allerdings mangelt es an Betreuern und ist damit derzeit kein höheres Angebot möglich. Eine bislang nicht da gewesene Situation. „Dass der Personalmangel derart zu Buche schlägt, ist neu“, sagt Kratz-Trutti. Für Eltern, die für ihre Kinder bereits einen Kita-Platz hätten, ist die Lage angespannt. So habe es im vergangenen Jahr sehr häufig Betreuungseinschränkungen durch Personalmangel und Erkrankungen des Personals gegeben.
Kita-Plätze und Notbetreuung
Muss die Einrichtung aufgrund von personellen Engpässen kurzzeitig schließen oder das Gruppenangebot einschränken, stehen die Eltern häufig vor großen Problemen. Hier versucht man in Münster nun, durch sogenannte „Notfallplätze“ zu helfen. Eingerichtet werden sollen diese Plätze in einer Kita, die gerade erbaut wird und nach ihrer Eröffnung erst nach und nach voll ausgelastet werden wird.
Die Idee: Solange dort noch Gruppenräume frei stehen, finanziert die Stadt zwei zusätzliche Personalstellen und kann eine bestimmte Zahl von Kindern anderer Einrichtungen, die temporär geschlossen sind, dort betreut werden. „Insgesamt planen wir aktuell mit zehn bis 15 Kindern, die diese festen Notfallplätze wahrnehmen, wobei manche nur einzelne Tage, manche ja nach Situation auch einige Wochen dort betreut werden können“, so die Abteilungsleiterin. Welche Kinder und Familien das Anrecht auf dieser Plätze haben, wird noch ausgearbeitet; die Vergabe selbst soll letztlich zentral entschieden werden. Gibt es keinen Bedarf an Notfallplätzen, können die zwei zusätzlichen Betreuer für den normalen Betrieb in der neuen Kita eingesetzt werden. Die Eröffnung ist für Anfang 2024 geplant.
Weiterer Ansatz: Eltern-Selbst-Organisation
Ergänzend zu den Notfallplätzen wird in Münster gerade ein Konzept erarbeitet, das die Eltern-Selbst-Organisation im Krisenfall unterstützt. „Die Erfahrung des vergangenen Jahrs hat gezeigt: Wenn Betreuungseinschränkungen nötig waren, haben oft Eltern nachgefragt, ob sie mithelfen können“, erzählt Kratz-Trutti, wobei es explizit nicht um die Übernahme von pädagogischer Arbeit ging, sondern um begleitende Hilfstätigkeiten.
Einige der Träger haben dieses Angebot begrüßt und grundsätzlich gern angenommen, allerdings hat sich die formale und rechtliche Abwicklung als sehr mühsam herausgestellt. Dies soll sich nun ändern. Das geplante Prozedere: Die einzelnen Träger melden dem Landesjugendamt einen Pool von willigen Eltern, legen deren Führungszeugnisse vor und eine Einschätzung zu deren Eignung. Beim Landesjugendamt wird dann eine Liste mit allen formalen Daten hinterlegt, damit bei einer kurzfristigen Meldung bereits alles vorhanden ist und im Notbetreuungsfall schnell reagiert werden kann.
Kommunikation mit Eltern wichtig
Ganz gleich, um welchen Ansatz es geht: Immer sei es ausgesprochen wichtig, die Eltern mit ins Boot zu nehmen und die jeweilige Sachlage zu erklären. „Das Thema ist unheimlich komplex und wird oft nicht transparent kommuniziert“, unterstreicht die Abteilungsleiteriin. Oft würden Diskussionen – verständlicherweise – sehr emotional geführt. „Viele der Eltern sind auf verzweifelter Suche nach einem Kita-Platz und haben dann logischerweise wenig Verständnis für Schließungen“, sagt Kratz-Trutti. Gleichzeitig aber gehe es immer auch um die pädagogische Qualität des Betreuungsangebots und da seien keine Kompromisse erlaubt. In der Praxis hat sie gute Erfahrungen damit gemacht, mit den Eltern ins Gespräch zu kommen und die Hintergründe von Entscheidungen genau zu erklären. „Die meisten sind dann sehr verständnisvoll“, so die Abteilungsleiterin.
Für Zukunft größere Lösungen gefragt
So hilfreich die Ansätze in Münster auch sein mögen – das Grundproblem wird ihrer Ansicht nach damit freilich nicht gelöst. „Ich gehe davon aus, dass sich der Personalmangel noch verstärken wird und umso wichtiger ist es, an der Basis anzusetzen“, sagt die Abteilungsleiterin. So sieht sie Länder und Bund in der Verantwortung, die Ausbildungskapazitäten auszubauen und das Berufsbild der Erzieher attraktiver zu gestalten. Die aktuelle Situation erlebt Kratz-Trutti als widersprüchlich: „Der Bedarf der Eltern nach Ausbau ist enorm und natürlich verständlich, gleichzeitig geht es darum, das, was wir schon haben, zu stabilisieren, damit uns die vorhandenen Kitas und Betreuer nicht auch noch wegbrechen." Schließlich sei die Arbeit für die verbleibenden Betreuer aktuell extrem belastend. „Kitas sollen Orte sein, an denen Menschen gerne arbeiten“, sagt sie , nur dann sei die Betreuung für Kinder, Eltern und Erzieher befriedigend.