Kitakinder beim Spielen im Raum
In Deutschland fehlen Hunderttausende Kitaplätze.
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Recht aktuell

Kitaplatz: Stadt muss Zwangsgeld zahlen

Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz gilt in Deutschland für Kinder ab einem Jahr. Wenn die Kommune es nicht rechtzeitig schafft, eine Betreuung bereitzustellen, droht ihr ein Zwangsgeld. Das bestätigte sich jetzt in einem Fall in Münster, der vor dem Oberverwaltungsgericht landete. Es zeigt sich dabei, wie sehr die Städte und Gemeinden unter Druck stehen: Denn in Deutschland fehlen in diesem Jahr Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft zufolge mehr als 300.000 Kita-Plätze für Kinder unter drei Jahren.
Aktualisiert am 8. Januar 2024

Bundesweit können Kita-Plätze nicht in dem erforderlichen Maß bereitgestellt werden, in Westdeutschland ist die Lücke größer als in den östlichen Bundesländern. Um die Misere zu beenden, wird dringend Personal benötigt. Und das fehlt. Eltern drängen zu Recht darauf, dass ihr Kind die vom Bund zugesagte und gesetzlich festgeschriebene Betreuung bekommt - entweder in einer Kita oder in der Tagespflege. Seit 2013 gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Kinder, die älter als ein Jahr alt sind, für die Kinder ab drei Jahren gilt er schon seit 1996. Die Realität in zahlreichen Kommunen: Viele Kitas und ihr Personal sind längst am Limit. Immer wieder landet der Streit um einen Kita-Platz daher vor Gericht. Eine Betreuung soll vor allem wohnortnah zur Verfügung stehen.

Kitaplatz - Kommune droht Zwangsgeld

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG)  hat jetzt entschieden, dass das Verwaltungsgericht der Stadt Münster zu Recht ein Zwangsgeld von 2.500 Euro angedroht hat. Damit sollte der Anspruch auf einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung oder Kindertagespflegestelle durchgesetzt werden. Das OVG wies damit die Beschwerde der Stadt gegen die Zwangsgeldandrohung zurück.

Einjährige soll betreut werden

Das Verwaltungsgericht hatte der Stadt mit Beschluss vom 17. Oktober dieses Jahres aufgegeben, einem einjährigen Mädchen ab 27. Oktober vorläufig einen Betreuungsplatz zur frühkindlichen Förderung in einer Kindertageseinrichtung oder Kindertagespflegestelle anzubieten. Die Kommune hatte also danach zehn Tage Zeit, den Platz zu finden. Bedingung: Die Betreuungseinrichtung soll innerhalb von 30 Minuten von der Wohnung erreichbar sein. Und: Das Kind soll mindestens 35 Stunden wöchentlich in der Einrichtung betreut werden.

Den weiterreichenden Eilantrag hatte das Verwaltungsgericht abgelehnt. Denn nach dem Willen der Eltern sollte das Mädchen 45 Stunden pro Woche betreut werden. Über den Anwalt wurde Beschwerde eingelegt. Das Beschwerdeverfahren ist beim Oberverwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen 12 B 1193/23 noch anhängig.

Zwangsgeld - Stadt wollte sich dagegen wehren

Parallel zu der Beschwerde beantragte das Kind beim Verwaltungsgericht, dass die Stadt ein Zwangsgeld zahlen soll, da die Stadt die einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichts Münster vom 17. Oktober nicht befolgt hatte und immer noch keinen Betreuungsplatz unter diesen Bedingungen bereitgestellt hatte. Diesem Antrag gab das Verwaltungsgericht nach. Dagegen legte die Stadt Beschwerde ein, scheiterte damit aber nun vor dem Oberverwaltungsgericht.

Gericht: Voraussetzung für Vollstreckung liegt vor

Der 12. Senat des OVG begründete dies damit: "Es ist nicht zu beanstanden, dass ein Vollstreckungsgläubiger die Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung betreibt, auch wenn diese hinter seinem ursprünglichen Antrag zurückbleibt. Die Vollstreckungsvoraussetzungen liegen hier vor."

Die Stadt hat nach Ansicht des Gerichts keinen ausreichenden Grund dafür vorgelegt, weshalb sie den Platz nicht bereitgestellt hat. Die Richter machten klar: "Die Kommune muss grundsätzlich alle ihr zur Verfügung stehenden - gegebenenfalls auch überobligatorischen - Möglichkeiten ausschöpfen, um dem Kind einen den festgelegten Anforderungen genügenden Betreuungsplatz zu verschaffen." Die Stadt hatte damit argumentiert, dass alle Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflegestellen bereits belegt sind.

OVG lässt Argumente der Stadt nicht gelten

"Nach welchen Maßstäben und in welchem Umfang das Jugendamt ein etwaiges Vorhandensein freier Plätze überprüft haben will, ist nicht nachvollziehbar", teilte das OVG mit. Dass die Stadt "über zu wenig einsatzbereites Personal" verfüge und "dieses Personal auch nicht rekrutieren" könne, selbst "wenn sie unbegrenzt finanzielle Mittel dafür" einsetze, sei als Argument zu pauschal. Damit weise die Stadt nicht ausreichend nach, dass sie alle Möglichkeiten ausgeschöpft habe, die gerichtliche Entscheidung umzusetzen.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Aktenzeichen: 12 E 832/23 (I. Instanz: VG Münster 6 M 23/23)

Ganztagsanspruch auch nicht umsetzbar?

"Hunderttausende Kita-Plätze fehlen, Grundschulkinder bekommen keinen Ganztagsbetreuungsplatz und bis 2030 fehlen voraussichtlich 80.000  Lehrer. Damit das deutsche Bildungssystem wieder erfolgreich wird, muss die Politik endlich ihre Hausaufgaben machen", forderten Experten des Instituts der Deutschen Wirtschaft IW jetzt. Bundesweit fehlten im Schuljahr 2021/22 insgesamt 529.000 Ganztagsbetreuungsplätze. Die Kommunen warnen längst davor, dass die Bundesregierung den Ganztagsanspruch im Schulbereich weiterhin zusichert, er aber dann vor Ort gar nicht umgesetzt werden kann. Der Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung soll nach jetzigem Stand ab dem Schuljahr 2026/27 in Kraft treten, zunächst nur für die Erstklässler.