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Kommentar

Zukunft vor Ort gestalten

Auf die Zeitenwende reagieren, die Innenstädte klimagerecht umbauen und die Bürokratie entschlacken. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, fasst die wichtigsten Forderungen anlässlich ihres diesjährigen Kommunalkongresses im Gastbeitrag. zusammen.

Deutschland steht vor gewaltigen Herausforderungen. Die besondere Situation der pandemischen Lage und ihrer Folgen sind noch lange nicht überwunden, schon trifft uns mit dem russischen Angriff auf die Ukraine eine bisher unvorstellbare Kriegssituation in Europa bis ins Mark. Die Folgen für die Ukraine, für ganz Europa, die Wirtschaft, die Kommunen, die Gesellschaft und jeden einzelnen von uns sind nicht absehbar. Klar ist nur: Der Dauer-Krisen-Modus hält an.

Politik darf nicht behäbig sein

Für eine nachhaltige, resiliente Politik müssen wir mehr denn je anpassungsbereit und flexibel sein. Wir müssen uns von Standards verabschieden anstatt uns neue, zum Teil einengende Regeln zu schaffen, die unsere Politik behäbig machen. Kurzum: Deutschland braucht mehr Realitätssinn. Nur wenn wir den Mut haben, für unser Gesellschaftsmodell auch dauerhaft und nachhaltig einzutreten, können wir eine bessere und gute Zukunft haben. Hier setzt auch der diesjährige Kommunalkongress des Deutschen Städte- und Gemeindebund unter dem Titel „Stadt.Land. Nachhaltig – Zukunft vor Ort gestalten“ an. Die neuen Herausforderungen, etwa beim Katastrophenschutz oder auch bei der Energiewende, werden uns zwingen auf ausufernde Bürokratie zu verzichten, wenn wir die notwendigen Ziele erreichen wollen. Das gilt auch in fast allen anderen Bereichen. Mit der Umständlichkeit von gestern werden wir die Probleme von morgen nicht lösen.

Schnellere Genehmigungsverfahren

Eines der aktuell drängendsten Themen ist die Energieversorgung. Unstreitig brauchen wir mehr alternative Energien und das sehr schnell. Das ist auch ein Schritt zur Freiheit und zur Unabhängigkeit. Viele Menschen vor Ort unterstützen zwar den Ausbau der regenerativen Energien, wollen diese aber im besten Falle weder sehen noch hören. Wir müssen dringend an der Akzeptanz der Energiewende arbeiten. Deswegen ist es besonders wichtig, dass die Bundesregierung jetzt ein Klimaschutzbeschleunigungsgesetz auf den Weg bringt. Wir brauchen schnellere und digitale Genehmigungsverfahren. Bürgerprotest, der nicht zu verhindern sein wird, kann zumindest aber kanalisiert werden, etwa durch Präklusionsfristen, die das Einbringen von Einwänden nur bis zu einem bestimmten Stichtag zulassen. Auch die Verkürzung auf eine statt auf drei Instanzen wäre hilfreich. Denn wenn wir nicht schneller werden, werden wir unsere Ziele nicht erreichen.

Mehr Klimaanpassung gefordert

Die Themen Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Klimaanpassung werden auf der Tagesordnung bleiben. Wir müssen davon ausgehen, dass wir mehr Hitze, mehr Dürre, mehr Überschwemmungen erleben werden. Daraus schlussfolgernd darf es nicht nur um Klimaschutz gehen, sondern es muss auch die Klimafolgenanpassung in den Blick genommen werden. Daraus resultiert, dass wir unsere Innenstädte umbauen müssen – mit mehr Wasser, mehr Grün, mehr Aufenthaltsqualität. Parallel dazu – das haben ja leider die Erfahrungen der Flutkatastrophe gezeigt – brauchen wir einen besseren Katastrophenschutz. Auch das hat die Bundesregierung erkannt. Der Koalitionsvertrag sagt deutlich, dass der zivile Bevölkerungsschutz mit besserer Kommunikation und Ausrüstung neu aufgestellt werden muss. Das gilt auch für unsere Feuerwehren, zum Beispiel bei großen Waldbrandereignissen. Was ebenfalls zwingend benötigt wird, ist das Bewusstsein der Bevölkerung, dass nicht alles so sicher ist, wie wir das bisher eingeschätzt haben: Das heißt, auch Eigenvorsorge wird unverzichtbar bleiben. Außerdem müssen Übungen für den Ernstfall mit verschiedenen Partnern vor Ort regelmäßig durchgeführt werden. Auch das ist eine große Herausforderung, die sich den Städten und Gemeinden in den nächsten Jahren stellt.

Realitätssinn gefragt

Wir werden nicht alle Probleme mit mehr Geld und Personal lösen können. Schon jetzt sind viele kommunale Haushalte in der Schieflage – für dringend notwendige Investitionen bleibt kaum Spielraum. Hinzu kommt die Konsequenz aus der demografischen Entwicklung auch für die Kommunen: Personal in großem Umfang wird es zusätzlich kaum geben. Es gehört daher auch zu den Aufgaben der Städte und Gemeinden ihren Bürgerinnen und Bürgern zu vermitteln, dass nicht alles, was wünschenswert ist, auch bezahlbar und kurzfristig umsetzbar ist. Akzeptanz zu schaffen, für eine Politik mit mehr Realitätssinn – hier können Kommunen auch gemeinsam mit den Bürgern viel erreichen.