Deutschland wächst auch wirtschaftlich zusammen - die Angst vor einem Auseinanderdriften ist ungerechtfertigt, zeigt ein neues Landkreis-Ranking
Deutschland wächst auch wirtschaftlich zusammen - die Angst vor einem Auseinanderdriften ist ungerechtfertigt, zeigt ein neues Landkreis-Ranking
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Landkreis-Ranking: Ist Ihre Kommune eine Gewinner-Region?

Deutschlands Wirtschaft lebt von der Stärke der Regionen. Anders als etwa in Frankreich konzentriert sich hier die Wirtschaftskraft beiweitem nicht nur auf eine Stadt oder wenige Metropolen. Eine neue Auswertung zeigt nun: Einige Landkreise im Osten holen deutlich auf, zahlreiche ländliche Regionen in Westdeutschland legen ebenfalls deutlich zu. Und auch auf der Verlierseite wird die Lücke zumindest nicht größer.

Für das vorliegende Landkreis-Ranking, das die Zeitung "Die Welt" anhand von Daten der statistischen Landesämter erstellt hat, liegt als Grundkennzahl die Wirtschaftskraft zugrunde. Diese errechnet sich anhand des Bruttoinlandsprodukts pro Erwerbstätigen. Natürlich liegen diese Zahlen zwischen dem Erstplatzierten Landkreis und dem Letzplatzierten auf Platz 400 weit auseinander. Aber nicht mehr so stark, wie noch vor einigen Jahren. Verglichen haben die Statistiker die Jahre 2007 und 2017. 

Die Sieger im Landkreis-Ranking überraschen kaum, wohl aber die zweite Reihe 

Natürlich - könnte man sagen - liegen im Landkreis-Ranking vorne wieder einmal die Städte und Regionen, die direkt oder indirekt mit der Automobilindustrie zu tun haben. Spitzenreiter mit einer Pro Kopf-Wirtschaftskraft von mehr als 163.000 Euro und somit mit großem Abstand Sieger ist Wolfsburg. Es folgen Ingolstadt und der Landkreis rund um München mit 136.000 bzw 134.000 Wirtschaftskraft pro Kopf. In der Top-Ten des Landkreis-Ranking tauchen außerdem Stuttgart, Ludwigshafen am Rhein und Böblingen weit vorne auf. Soweit wenig erstaunlich. Auffällig wird es erstmals bei Platz 12 - Frankfurt am Main mit einer Pro-Kopf Wirtschaftskraft von "nur" 98.000 Euro. Das zeigt den seit dem Jahr 2007 spürbaren schleichenden Niedergang der Banken in Deutschland. Für den sechsprozentigen Absturz des reichen Hochtaunuskreises im Ranking dürften die Auswirkungen der Finanzkrise verantwortlich sein. Die ständigen Umstrukturierungen im Bankensektor fordern im Umkreis von Frankfurt ihren Tribut.

Bei gleichzeitig großer Abhängigkeit von der Automobilindustrie ist somit auch klar, dass es keine Garantie darauf gibt, dass die Landkreis-Ranking Gewinner von heute auch in zehn Jahren noch an der Spitze stehen. Die Statistiker sprechen von einer dynamischen Entwicklung.

Das könnte einigen Sorgenfalten ins Gesicht rufen, zum Glück gibt es aber die vielen "Hidden Champions" die fast alle in ländlichen Regionen liegen. Die meisten davon in Westdeutschland. Und so ist das Gefälle zwischen den wirtschaftsstarken Autoregionen und den ländlichen Gebieten auch gar nicht so extrem. Ein Beispiel: Minden-Lübecke in Ostwestfalen-Lippe hat seine Wirtschaftskraft in den vergangenen 10 Jahren um 23 Prozent erhöht. Knapp 76.000 Euro pro Kopf sind es. Der Landkreis Steinburg in Schleswig Holstein weist ganz ähnliche Werte auf, die Region um Holzminden hat sogar um knapp 30 Prozent zugelegt. 

Die Dynamik im Landkreis-Ranking lässt hoffen

In Sachen Dynamik geht es aber noch sehr viel besser, als in den oben genannten Beispielen. Und hier fällt vor allem der Osten der Republik auf. Der Landkreis Teltow-Fläming in Brandenburg etwa legte innerhalb der vergangenen zehn Jahre um 54 Prozent zu, besser liegt nur Pfaffenhofen in Bayern mit einem Plus von 63 Prozent dar. Auch Gera, Neumarkt in der Oberpfalz oder Nordhausen in Thüringen verzeichnen Plusraten von über 40 Prozent innerhalb von zehn Jahren. Alles Regionen ohne Großunternehmen, wohl aber mit großen Mittelständlern. Die Dynamik lässt hoffen, dass auch globale Ereignisse wie der Brexit oder ein Umbruch in der Autoindustrie der deutschen Wirtschaftskraft insgesamt keinen allzu großen Schaden zufügen wird. 

Landkreis-Ranking

In der Tendenz zeigen die Zahlen auch: Die ländlichen Regionen sind der Wachstumsgeber der deutschen Wirtschaft. Die Wirtschaftskraft steigt hier stärker als in den urbanen Regionen. Auch in den ostdeutschen Regionen liegt das Wachstum über dem deutschlandweiten Schnitt. Im Ergebnis sinkt der ökonomische Abstand  zwischen der schwächsten und der stärksten Kommune. 

Trotzdem bleiben die wirtschaftsschwächsten Städte und Landkreise weiterhin in den ostdeutschen Regionen zu finden. Schlusslicht in Deutschland etwa ist der sächsische Erzgebirgskreis mit einer Wirtschaftskraft von 52.000 Euro je Erwerbstätigen. Auf dem vorletzten Platz liegt Suhl in Thüringen knapp vor Delmenhorst in Niedersachsen und Vorpommern-Rügen in Mecklenburg-Vorpommern. Auffallend schwach in den "alten Bundesländern" ist zudem Bottrop in NRW mit einer Wirtschaftskraft von unter 54.000 Euro. Zusammengefasst: Im Jahr 2007 betrug der Abstand zwischen dem Best- und dem Letztplatzierten im Landkreis-Ranking im Faktor 3,3 (also 3,3 mal so viel Wirtschaftskraft wie der Schwächste), jetzt liegt der Faktor noch bei etwas mehr als 3,1 

Landkreis-Ranking

Diese Faktoren entscheiden über Top oder Flop 

Für die Zeitung hat der ING-Chefvolkswirt Brzeski die Zahlen analysiert. Sein Ergebnis zitiert "Welt" so: "Zu den Faktoren, die über das Wohl und Wehe einer Region entscheiden, gehören digitale Infrastruktur, Abhängigkeit von der Globalisierung, Innovationskraft, Bildung und letztlich auch Demografie".