Mobiler Dorfladen
Halt des Mobilen Dorfladens auf seiner Tour durch die Kommunen der Steinwald Allianz
© Steinwald Allianz

Dorfläden

So gelingt Nahversorgung im ländlichen Raum

Wie ein attraktives Angebot der Zukunft bei der Nahversorgung aussehen kann, zeigt sich auf dem Land schon heute beispielhaft. Ob in Hessen, Baden-Württemberg, Brandenburg oder Bayern: KOMMUNAL hat sich in Deutschland umgeschaut und bewährte Projekte ebenso aufgetan wie neue Modellvorhaben.

Wir beginnen unsere Reise im osthessischen Rasdorf . Früher gab es hier vier Tante-Emma-Läden. „In den vergangenen zwanzig Jahren ist dann einer nach dem anderen weggebrochen“, erzählt Bürgermeister Jürgen Hahn, und alle Anstrengungen der Gemeinde, einen größeren Supermarkt in den Ort zu holen, sind gescheitert. Seit kurzem aber gibt es vor Ort wieder einen Nahversorger, der rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr geöffnet hat. Verkehrsgünstig direkt am Treffpunkt VIA REGIA an einer alten Handelsstraße gelegen, wurde im März der Kleinstladen tegut…teo eröffnet, ein Nahversorgungs-Angebot mit rund 950 Artikeln auf nur 50 Quadratmetern.

Nahversorgung ländlicher Raum rund um die Uhr

Der Clou: Es ist kein Personal vor Ort und der Einlass und die Bezahlung am Ende des Einkaufs erfolgen via Kreditkarte, Kundenkarte oder App. Vor allem Menschen, die nicht mobil sind, hatten in dem 1.800-Einwohner-Dorf Bedarf. „Wir haben zusammen mit dem Betreiber verschiedene Grundstücke angeschaut und dann wurde das Ganze innerhalb von 6 Wochen auf die Beine gestellt“, so der Bürgermeister stolz.

Eine gute Nahversorgung ist extrem wichtig für die Attraktivität eines Ortes.“

Jürgen Hahn, Bürgermeister von Rasdorf

Eröffnung Teo Rasdorf
Rasdorf erhielt einen "Tante-m"-Laden, hier die Eröffnung.

Ein ähnliches Konzept wie in Rasdorf findet sich mittlerweile auch in etlichen baden-württembergischen Kommunen. „Der heutige Kunde möchte dann einkaufen, wenn er es braucht und Lust darauf hat und nicht dann, wenn der Laden offen hat hat, meint Christian Maresch, der Initiator des Nahversorgerkonzepts „Tante-m“. Läden auf dem Land hingegen hätten traditionell nur kurze Öffnungszeiten und seien im Kundenstrom dadurch sehr eingeschränkt.„Das führt zu einem reduzierten Angebot und frustriertem Personal, das ist ein Teufelskreis“, so Maresch, und auch die alternativen Läden mit ausschließlich regionalem und Bio-Sortiment würden nur eine bestimmte Gruppe von Leuten erreichen und schnell ums Überleben kämpfen.

Selbstbedienung bei "Tante m"

Als Alternative hat Maresch mit seiner Marke „Tante-m“ einen personalfreien Laden mit Selbstbedienungskonzept entwickelt, der einen Mix aus regionalen und Standard-Produkten anbietet. Der Einlass ist ohne Code und Karte jederzeit möglich, nach dem Einkauf werden die Produkte an der Kasse mit dem Scanner erfasst und per Karte bezahlt. „Wir werden von Anfragen überhäuft und eröffnen gerade alle 3 Wochen einen neuen Laden“, so Maresch. Die Anfragen kämen dabei zu zwei Dritteln direkt aus Kommunen.

Tasche

Die Kommune ist beim Thema Nahversorgung vor Ort laut Maresch auch der wichtigste Partner. „Wir möchten, dass die Kommune zu 100 Prozent hinter dem Projekt steht. Sie spielt eine wichtige Rolle, wenn es um das Finden einer Räumlichkeit geht, die am besten mitten im Ortszentrum ist. Und sie ist außerdem ein zentrales Sprachrohr für die Bevölkerung“, sagt Maresch. Hätten die Bürger das neue Angebot einmal entdeckt, seien die Rückmeldungen durchweg positiv. „Die Leute sind sehr glücklich, dass es so etwas gibt und wir erreichen durch das offene Konzept wirklich jede Art von Kundengruppe, auch die arbeitende Bevölkerung“, so Maresch.

Der Kunde möchte dann einkaufen, wenn er Lust darauf hat und nicht dann, wenn der Laden offen hat. “

Christian Maresch, Entwickler des Nahversorgerkonzepts „Tante-m“

Innovative Ladenkonzepte vor Ort sind nur ein Weg der Nahversorgung der Zukunft. Ein anderer ist die Nahversorgung auf Rädern, wie sie bereits seit etlichen Jahren in den 17 Kommunen der Steinwald-Allianz erprobt wird. Dort gibt es den „Mobilen Dorfladen“, ein ausgebauter und begehbarer LKW, der auf verschiedenen Touren durch die Region fährt und jede Woche für 30 Minuten in ausgewählten Ortschaften hält. „Vom Grillanzünder über das Hundefutter bis zum Streusalz gibt es hier alles, was man im Alltag braucht“, sagt Martin Schmid vom Zweckverband Steinwald-Allianz. Dabei werden auf der Tour gezielt auch Direktvermarkter angefahren, damit auch ein regionales Angebot gewährleistet ist. Wer mag, kann online auch schon im Vorfeld Bestellungen aufgeben, die dann nach Plan geliefert werden. Zudem könne man Bargeld abheben und seit kurzem auch Lotto spielen.

„Zwei Drittel der Kunden sind ältere Bürger, außerdem kommen viele Mütter mit ihren Kindern zum Einkaufen und es machen auch viele ihre Wocheneinkäufe“, sagt Schmid. Wenn man als Kommune ein ähnliches Projekt wie den Dorfladen verfolge, muss man sich aus der Erfahrung von Schmid unbedingt genügend Zeit nehmen und das Vorhaben professionell angehen. „Es braucht erstmal eine Struktur, in der ein Bewusstsein reift für das Problem – das war bei uns die Allianz“, sagt Schmid. In Folge müsse man das geplante Projekt gut durchrechnen, sich juristisch informieren und die richtigen Partner wählen. Beim mobilen Dorfladen hat das geklappt und der LKW ist erfolgreich on Tour.

In der Uckermark ist dies mit der Einführung des Kombibusses erfolgreich gelungen. Anja Sylvester von der LaLoG LandLogistik GmbH hat das Projekt von der ersten Stunde an begleitet. „Mobilität alleine rentiert sich selten“, so Sylvester, während die Nahversorgung am Land gleichzeitig eine enorme Logistik erfordere. Diese beiden Seiten sollten beim Kombibus wieder zusammenfinden.

Linienbus durch die Uckermark mit Fahrgästen und Lebensmitteln

Der Kern der Idee: Ein Linienbus fährt innerhalb der gesamten Uckermark verschiedene Routen und transportiert dabei nicht nur Fahrgäste, sondern auch verschiedene Güter zwischen Gewerbepartnern, etwa Lebensmittel, Ersatzteile oder Druckerzeugnisse, die dann in Folge an den Kunden gehen. „Der Linienbus kann die gesamte Uckermark mit Lebensmitteln versorgen, das ist eine große Chance für regionale Anbieter. Ein solches Angebot bietet hier kein normaler Logistikdienstleister“, so Sylvester.

Diese Chance musste den Menschen vor Ort allerdings erst vermittelt werden und entsprechend viel Ausdauer erforderte der Planungsprozess von allen Beteiligten. „Man muss extrem viel kommunizieren zu Beginn und intensiv reingehen in die Region, damit überhaupt erst der Mehrwert erkannt wird“, so Sylvester. Dabei sei das Engagement des Landkreises und der regionalen Wirtschaftsförderung unverzichtbar gewesen.

Tipp für andere Kommunen  zum Kombibus

Allen Kommunen, die ein ähnliches Projekt wie den Kombibus planen, empfielt Anja Sylvester mindestens ein bis zwei Jahre Vorlauf, eine ausgereifte Strategie und ein ausgeklügeltes Lagersystem. Sind diese Voraussetzungen gegeben und sind die regionalen Wirtschaftsbetriebe mit an Bord, ist der Mehrwert eines vergleichbaren Gefährts rasch ersichtlich. Unterversorgte Dörfer und ineffiziente Leerfahrten sollen auch im Landkreis Hof der Vergangenheit angehören.

Im Bereich des Nahverkehrs wurde hierzu bereits vor eineinhalb Jahren der „Hofer Landbus“ ins Leben gerufen, der über ein bedarfsgesteuertes System eine Fläche von 120 Quadratkilometern abdeckt und individuell gebucht werden kann. Vom Landkreis zusammen mit einem regionalen Taxiunternehmen organisiert, steht der Bus in einer Zeit von 6 bis 23 Uhr Montag bis Sonntag zur Verfügung und kann für 3 Euro pro Fahrt angefragt werden. „Für mich ist das der Durchbruch für den ÖPNV im öffentlichen Raum. Das hier funktioniert wirklich“, sagt Michael Abraham, Bürgermeister der Stadt Rehau.

Hofer Landkreis: Landlieferbus geplant

Nun will der Hofer Landkreis auf Basis des Hofer Landbusses auch im Bereich der Nahversorgung weiter vorankommen, denn auch in Hof zeigt sich das vertraute Bild. „In der Stadt gibt es alles, aber sobald man die Stadt verlässt, wird es dünn“, so der Bürgermeister, und auf den Dörfern hätten die Tante-Emma-Läden schon lange zugesperrt. Um hier Abhilfe zu schaffen, soll aus dem Landbus ein Landlieferbus werden, der nicht nur Fahrgäste transportiert, sondern auf der Route auch Bestellungen abliefert, die Kunden vorher per App oder Telefon aufgegeben haben. Noch befindet sich das Projekt ganz am Beginn, die 10-monatige Konzeptphase samt Machbarkeitsstudie läuft erst an.

Für Abraham aber ist der geplante Lieferbus schon jetzt eine echte Alternative zum Dorfladen und die damit verbundenen Hoffnungen sind groß. „Ich kann entweder zum Einkaufen fahren oder mir meine Einkäufe sogar liefern lassen. Das schafft Unabhängigkeit vom Auto und erreicht auch die Leute in den entlegenen Weilern“.

 

Fotocredits: FOTO Adobe Stock, Rasdorf,