Können Kommunen durch Negativzinsen Geld sparen? © Maryna Pleshkun/123rf

Negativzinsen - Schöne neue Finanzwelt

18. Oktober 2016
Auf den Finanzmärkten tut sich Ungewohntes, auf den ersten Blick eigentlich Unglaubliches. Man kann sich verschulden und bekommt noch Geld dafür. Dies ist nun auch dem Bund gelungen. Zuvor hatten bereits einige Städte Negativzinsen vereinbart. Ein Bericht von Uwe Zimmermann, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.

„Neuverschuldung: Deutschland leiht sich Geld - und bekommt dafür Zinsen“, so waren Medienmeldungen im Sommer zu lesen. Was war geschehen? Der Bund hat bei der Ausgabe einer zehnjährigen Bundesanleihe einen Negativzins von minus 0,05 Prozent realisieren können. Das bedeutet: Der Bund bekommt Geld von seinen Gläubigern dafür, dass sie ihm Geld leihen. Anstatt wie üblich, Zinsen zu bezahlen. Dass auch bei kommunalen Kreditaufnahmen seit geraumer Zeit nur noch sehr geringe oder so gut wie keine Zinsen mehr gezahlt werden, daran hat man sich fast schon gewöhnt. Dass bei kommunalen Kassenkrediten aber sogenannte Negativzinsen vereinbart und an die Stadtkasse von der kreditgebenden Bank ausbezahlt wurden, das wurde bislang nur in Einzelfällen bekannt. Schnell machten Medienmeldungen die Runde, dass die Städte mit „negativen Zinsen“ ein neues Finanzierungsmodell, ein neues Geschäftsmodell entdeckt hätten, mit dem man durch Schuldenmachen Geld verdienen könne. Das ist aber mehr als irreführend und nicht zutreffend.

Uwe Zimmermann ist Stellvertretender Geschäftsführer des DStGB.

Kommunen dürfen sich nach den jeweiligen landesgesetzlichen Regelungen im Grundsatz nicht verschulden. Davon gibt es nur zwei Ausnahmen: bei Investitionskrediten oder bei sogenannten Kassenkrediten zur Liquiditätssicherung der Kommune. An diesen Voraussetzungen ändern auch sogenannte Negativzinsen nichts. Und es darf nicht vergessen werden, dass eine Kommune, die sich verschulden muss, dazu gezwungen ist, weil die eigene kommunale Finanzausstattung unzureichend ist. Negativzinsen als Sondererscheinung auf umgewühlten Finanzmärkten können daher nicht verdecken, dass im Zentrum der kommunalen Forderungen steht und stehen bleibt: Die nachhaltig aufgabengerechte kommunale Finanzausstattung der Kommunen! Die Aussicht, für eine Kreditaufnahme noch Geld zu bekommen, mag verlockend klingen. Und selbstverständlich muss ein jeder Kämmerer darauf bedacht sein, die Zinslast des Kommunalhaushaltes so gering wie möglich zu halten. In einer Hochzinsphase genauso, wie in einer Niedrigzinsphase. Aber: Auch für den Fall negativer Zinsen entstehen neue Schulden – Schuldenaufnahmen haben immer das Risiko, zur finanzpolitischen Handfessel für zukünftige kommunalpolitische Generationen zu werden. Auch in Zeiten von Negativzinsen. Überdies sind bei Negativzinsen wichtige rechtliche Fragen noch ungeklärt. Im § 488 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) heißt es zu den vertragstypischen Pflichten beim Darlehensvertrag: (1) Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen.

Darlehensverträge mit Negativzinsen

 Also: Zinsen werden beim Darlehensvertrag vom Kreditnehmer bezahlt, sie werden aber nicht von diesem eingenommen. Sind Darlehensverträge mit Negativzinsen also gar keine „echten Darlehensverträge“? Sind sie etwas anderes oder ein neuer Vertragstyp, sui generis? Oder können negative Zinsen bei einem Kreditvertrag rechtlich betrachtet gar nicht beansprucht werden – und müssen zurückgezahlt werden, womöglich mit Zinsen? Oder ist eine kreditgebende Bank umgekehrt sogar rechtlich dazu verpflichtet, Negativzinsen an den Kreditnehmer weiterzugeben? Fragen, zu denen mutmaßlich in Zukunft auch Gerichte befasst werden könnten. In Österreich ist dies bereits geschehen. Das Bezirksgericht für Handelssachen Wien (BGHS) hat in einer – noch nicht rechtskräftigen - Entscheidung aus April 2016 festgestellt: Ein variabler Zinssatz könne nicht ins Negative drehen oder auf Null fallen; der Kreditnehmer müsse immer für einen Kredit bezahlen, zumindest den vereinbarten Aufschlag zum Referenzzinssatz. Abzuwarten bleibt schließlich, ob und wie sich die sogenannten Strafzinsen bei Einlagen auch von Kommunen entwickeln werden. Sehen die einschlägigen gemeindehaushaltsrechtlichen Regelungen in den Ländern grundsätzlich vor, dass kommunale Anlagen erstens sicher und zweitens ertragreich sein sollen, so wird deutlich, dass in einer veränderten Finanzwelt Strafzinsen auf Einlagen ein neues Thema und Problem darstellen. Dem gesetzlichen Auftrag dürfte eine Kommune im Grundsatz nachkommen, wenn sie bei Anlagegeschäften Strafzinsen vermeidet oder zumindest möglichst gering hält. Zudem werden sicher verschiedene Anlageformen in den Kommunen genauer überlegt und geprüft werden. Zum Beispiel könnten Bausparverträge in einer passenden Konstellation eine Idee sein. Allerdings wird man die Entwicklungen in diesem Bereich noch genauer beobachten müssen.