Leere Stadtsäckel, Löcher in den Haushalten: Die Kommunen sind finanziell überlastet.
Leere Stadtsäckel, Löcher in den Haushalten: Die Kommunen sind finanziell überlastet.
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Umfrage

Trendwende bei Kommunalfinanzen gefordert

Kommt es zur Reform der Schuldenbremse oder ruft die künftige Regierung den Notstand aus? In diesem Jahr wird fast keine Stadt in Deutschland mehr einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können, ohne auf Rücklagen zurückzugreifen. In einer Blitzumfrage des Deutschen Städtetages unter 100 Großstädten zeigte sich das Dilemma, in dem die Kommunen stecken: Die Ausgaben steigen - und auch die Aufgaben, die Bund und Länder den Städten, Gemeinden und Landkreisen zuweisen.
Aktualisiert am 26. Februar 2025

"Unser Problem ist", sagt Patrick Kunkel, Bürgermeister der 18.000-Einwohnerstadt Eltville am Rhein, "die kommunale Ebene hat keinen Einfluss auf die Ausgabenhöhe, muss aber die Einnahmen generieren.  Bei unseren wichtigsten Einnahmequellen, der Gewerbe- und Grundsteuer, sind wir aber bereits am Anschlag." Diese Schieflage beklagen Bürgermeister und Bürgermeisterinnen quer durch die Republik. Finanzielle Nöte plagen kleine Gemeinden wie große Städte. Wie jüngst eine Blitzumfrage des Deutschen Städtetags unter Vertretern von 100 Großstädten ergeben hat, können in diesem Jahr 37 Prozent der Städte keinen ausgeglichenen Haushalt mehr vorlegen, weitere 47 Prozent schaffen einen ausgeglichenen Haushalt nur, indem sie auf finanzielle Rücklagen zurückgreifen. "Die Zeit ausgeglichener kommunaler Haushalte gehört erst einmal der Vergangenheit an", stellte Markus Lewe,  Präsident des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister von Münster, fest.  

Neue Bundesregierung muss Kommunalfinanzen stabilisieren

Die Städte seien daran aber nicht schuld, betonte Lewe. "Die Sozialausgaben, auf die wir kaum Einfluss haben, laufen uns davon. Außerdem weisen Bund und Länder uns immer mehr Aufgaben zu, die nicht ausfinanziert sind. Zusammen mit der anhaltenden Wachstumsschwäche führt das zu einer völligen Überlastung der kommunalen Haushalte." Er fordert:  "Die neue Bundesregierung wird große Räder drehen müssen, damit die Kommunalfinanzen nicht komplett zusammenbrechen und die Städte endlich wieder vor Ort gestalten können.“

Präsident des Deutschen Städtetages

Die Sozialausgaben, auf die wir kaum Einfluss haben, laufen uns davon."

Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetages

Reform der Schuldenbremse durch alten Bundestag?

Kurz nach der vorgezogenen Bundestagswahl haben die Grünen vorgeschlagen, dass der noch bestehende Bundestag noch schnell eine Reform der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse beschließen soll. Der Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz, wies die Forderung zunächst nicht kategorisch zurück. "Unsere Überlegungen dazu sind noch nicht abgeschlossen" sagte er auch in Hinblick auf die Schaffung eines Sondervermögens für die Ukraine-Hilfen. Der Grund für die Eile: Für die Reform wäre eine Zweidrittelmehrheit im Bundesparlament notwendig. Im neuen Bundestag könnten AfD und Linke die Pläne verhindern, selbst wenn CDU, SPD und Grüne dafür stimmten. Der Bundestag muss spätestens am 30. Tag nach der Neuwahl zusammentreten. Das wäre am 25. März. Auch der Bundesrat müsste anschließend mit einer Zweidrittelmehrheit zustimmen. Doch offenbar gab es in der Union Widerstand gegen den Plan, den alten Bundestag noch entscheiden zu lassen. Merz erteilte diesem Plan inzwischen eine klare Absage. Mehrere Ministerpräsidenten warnten vor Schnellschüssen. Vor der Fraktionssitzung bezweifelte Merz, dass die Schuldenbremse in der nahen Zukunft reformiert werde. Sie sei schwierig umzusetzen. Ausgaben für die Bundeswehr über ein Sondervermögen zu finanzieren - diese Überlegung hingegen ist nicht vom Tisch.

Der Ehren-Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sprach sich dafür aus, dass der Bundestag noch vor der Konstituierung des neuen Parlaments handelt. "Eine Verfassungsänderung wäre noch möglich und würde ein starkes Signal der Handlungsfähigkeit der demokratischen Parteien senden", sagte Landsberg zu KOMMUNAL.

Das sind die Forderungen für eine "echte Trendwende":

1. Einen höheren Anteil der Städte an den Gemeinschaftssteuern, zum Beispiel der Umsatzsteuer. Bei den Kommunen liegt etwa ein Viertel der gesamtstaatlichen Aufgaben, sie haben aber nur ein Siebtel der Steuereinnahmen. Das passt nicht zusammen.

2. Es darf von Bund und Ländern keine zusätzlichen Aufgaben mehr für die Städte geben, die nicht ausfinanziert sind. Mittel für Aufgaben, bei denen die Kosten absehbar steigen, müssen dynamisiert sein – damit die Städte ihrem Geld bei Kostensteigerungen nicht hinterherlaufen müssen.

3. Es darf von Bund und Ländern keine steuerpolitischen Entscheidungen geben, die zu Einnahmeausfällen bei den Kommunen führen. Wenn die Steuerpolitik von Bund und Ländern zu Einnahmeausfällen bei den Kommunen führt, müssen diese Ausfälle 1 zu 1 ausgeglichen werden.

4. Häufiger feste Budgets statt komplizierter Förderprogramme. Wir brauchen mehr Vertrauen in die Städte durch Bund und Länder. Das heißt: Feste Budgets für geförderte Aufgaben, über die die Städte frei verfügen können – statt komplizierter Förderprogramme, die den Städten Zeit und Geld kosten.

5. Schuldenbremse auf den Prüfstand: Wenn die Schuldenbremse Zukunftsinvestitionen verhindert, muss sie reformiert werden.

Das hat die Umfrage bei den Großstädten ergeben:

  • Nur noch zwei Prozent der teilnehmenden Städte bezeichneten ihre Haushaltslage als eher gut oder ausgeglichen.
  • 95 Prozent der befragten Städte schätzen ihre Haushaltslage in den kommenden fünf Jahren als eher schlecht ein oder sogar als "sehr schlecht".

Hier finden Sie die Ergebnisse der Umfrage des Deutschen Städtetages.

Fotocredits: Präsident des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister von Münster, Markus Lewe: Paul-Philipp Braun.