Milliardenpaket
Was sich Deutschlands Kommunen vom Investitionspaket wünschen
Investitionen in Infrastruktur stocken seit Jahrzehnten
Schon seit Jahrzehnten wird in dem Tourismusort mit seiner weltberühmten Drosselgasse über eine Unterführung diskutiert. Nur: Gebaut wurde bislang nichts. Die Notwendigkeit einer Untertunnelung werde von allen Beteiligten als unerlässlich angesehen. Eine Kostenanalyse für die Baumaßnahme liege vor und müsse nicht mehr neu erstellt werden, berichtet der Rüdesheimer Bürgermeister Klaus Zapp.
Der Bund will mit dem kürzlich beschlossenen 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen in Infrastrukturmaßnahmen investieren. Wenn nicht jetzt in die katastrophale Bahnsituation in Rüdesheim am Rhein investiert wird, wann denn dann?

So wie der Rüdesheimer Bürgermeister Zapp hoffen viele Kommunalvertreter aus ganz Deutschland auf das Sondervermögen des Bundes. Denn das Geld ist nicht nur für Maßnahmen des Bundes vorgesehen, wie beim Bahnübergang in Rüdesheim, wo eine Bahnlinie im Eigentum des Bundes eine Bundesstraße kreuzt. Rund 100 Milliarden Euro sollen auch direkt den Ländern und Kommunen zukommen. „Was sich die Frankfurter am meisten wünschen würden, wäre wohl eine Sanierung oder gar ein Neubau unserer Schwimmhalle“, sagt der Oberbürgermeister von Frankfurt an der Oder, René Wilke. „Aber die Liste ist lang, wir haben so viele Bedarfe.“ Schulen und Kitas müssten saniert werden, Straßen und Radwege.
Wir haben ausgerechnet, dass wir in Frankfurt an der Oder einen Reparaturrückstau von 120 Millionen Euro haben. Unserer Stadt stehen aber jährlich nur rund vier Millionen Euro für Investitionen zur Verfügung.

Wilke setzt deswegen auf das Bundesvermögen. „Wir hoffen, so viel wie möglich davon abzubekommen“, sagt der Oberbürgermeister. „Wir wollen keine goldenen Türklinken, aber wir hätten viele Ideen, mit denen wir die Menschen glücklich machen könnten.“
Augsburg: Investitionen in Bauwerksunterhalt haben Priorität
Auch Wilkes Amtskollegin in Augsburg, Oberbürgermeisterin Eva Weber, setzt auf das Sondervermögen. „Aus meiner Sicht geht es beim Sondervermögen vor allem um eines: Handlungsfähigkeit“, sagt die Politikerin. Ein einzelnes Wunschprojekt will sie aber nicht nennen. „Gerade wir Städte und Gemeinden stehen vor einem enormen Investitionsstau – nicht nur bei Straßen und Brücken, sondern auch bei Sportstätten, Kitas und Schulen“, sagt die Oberbürgermeisterin. Das betreffe die Infrastruktur, die alle Bürgerinnen und Bürger, auch in Augsburg, täglich nutzten. Konkreter wird ihr Baureferent Steffen Kercher: „Der Stadt Augsburg wäre geholfen, wenn mit einer finanziellen Förderung zum einen der laufende Unterhalt von Bauwerken unterstützt würde oder mehr Personal zum Bauwerksunterhalt eingestellt werden könnte.“
Marode Infrastrukturen sind ebenfalls Schulden, die wir nachfolgenden Generationen nicht zumuten dürfen.

In kleineren Gemeinden ist man dagegen skeptischer als in den Städten: Wird in den kleinen Dörfern überhaupt Geld aus dem Sondervermögen ankommen? Das fragen sich derzeit viele Kommunalpolitikerinnen und -politiker. „Mir ist es grundsätzlich wichtig, dass das nach wie vor bestehende Stadt-Land-Gefälle nicht aus den Augen verloren wird“, sagt etwa Helmut Krämer, Bürgermeister von Giebelstadt in der Nähe von Würzburg. In den Koalitionsgesprächen sollten deswegen Fördermittel für die ländliche Entwicklung, die Dorferneuerung und die Städtebauförderung nicht gekürzt, sondern vielmehr erhöht werden. Ein konkretes Projekt, das er mit Mitteln aus dem Sondervermögen finanzieren möchte, hat der Bürgermeister indes nicht zur Hand. Doch das hat einen Grund: „Wir haben gerade erst das Zacherle realisiert“, sagt Krämer. In einem ehemaligen Kolonialwarenladen in der Dorfmitte befindet sich jetzt ein Haus der Begegnung, das für unterschiedliche Angebote genutzt werden kann. Ein anderes Projekt werde in der Gemeinde gerade geplant, sei aber noch nicht spruchreif.
Ich bin solidarisch mit den Kommunen, die mit den zusätzlichen Mitteln die marode Infrastruktur auf Vordermann bringen können und hoffe, dass das schnell gelingt.

Zum Beispiel in Ehrenberg, einer 2.700-Einwohner-zählenden Gemeinde in der hessischen Rhön. „Für Ehrenberg ist es das dringendste Anliegen, unsere bestehende Infrastruktur in Schuss zu bringen“, sagt Peter Kirchner, der dortige Bürgermeister. „Viele Straßen, Brücken und öffentliche Gebäude sind in die Jahre gekommen und benötigen dringend eine Sanierung.“ Ohne ausreichende Investitionen drohe langfristig ein Substanzverlust, der spätere Sanierungen noch kostspieliger machen würde.
Eine nachhaltige Modernisierung sichert nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Zukunftsfähigkeit unserer Dörfer. Nötig ist aber vor allem eine stärkere Wertschätzung des ländlichen Raums, damit er als attraktiver Lebens- und Wirtschaftsstandort erhalten und zukunftsfähig weiterentwickelt werden kann.

Und auch die Verbandsgemeindebürgermeisterin von Bitburg-Land, Janine Fischer, hofft, dass in den 71 Dörfern ihrer Gemeinde „möglichst viele infrastrukturelle Projekte in der ländlichen Region profitieren werden“. Vor allem Schulen und Kindertagesstädten benötigten dringend Unterstützung. Doch den von KOMMUNAL befragten Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern geht es nicht nur darum, dass mit den 500 Milliarden Euro konkrete Projekte gefördert werden. Sie hoffen vielmehr auch auf strukturelle Veränderungen.
Von den weiteren Koalitionsverhandlungen erhoffe ich mir möglichst schnelle strukturelle Klarheiten und auch den Blick dafür, dass Aufgabenübertragung auf Kommunen diese oftmals personell und finanziell überfordert – da wäre es wünschenswert, dass die Pläne der neuen Regierung partnerschaftlich und verträglich angegangen werden können.

„Ich wünsche mir, dass den Kommunen, die viele Fehlentscheidungen der großen Politik ausbaden müssen, mehr Gehör und vor allem Vertrauen geschenkt wird“, sagt der Giebelstädter Bürgermeister Krämer. Und der Rhön-Bürgermeister Kirchner betont: „Wir brauchen Planungssicherheit – langfristige Finanzierungszusagen sind essenziell, um nachhaltige Projekte umzusetzen.“ Zudem sollten die Kommunen selbst entscheiden dürfen, wo das Geld am dringendsten gebraucht wird. Statt starrer Vorgaben brauche es mehr kommunale Selbstverwaltung, damit die Mittel dort wirken, wo sie den größten Nutzen bringen.
Stabile Kommunen sorgen für Vertrauen in den Staat
Denn am Ende entscheide sich vor Ort, in den Kommunen, ob die Menschen den Eindruck haben, dass der Staat funktioniert, sagt der Oberbürgermeister von Frankfurt an der Oder, René Wilke. Wenn es den Kommunen gut geht, geht es dem Land auch gut. „Der Bund und das Land können sich immer wieder tolle Programme ausdenken – aber wenn die praktische Umsetzung in den Kommunen dann nicht funktioniert, dann bringt das am Ende alles nichts.“