Uber und co machen Kommunen das Leben schwer - weil diese fürchten, der ÖPNV werde gefährdet - hier zu sehen: Taxifahrerdemo in Berlin
Uber und co machen Kommunen das Leben schwer - weil diese fürchten, der ÖPNV werde gefährdet - hier zu sehen: Taxifahrerdemo in Berlin
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Taxi und Co

Uber im Kreuzfeuer: Städte schlagen zurück – Billigfahrten stehen vor dem Aus

Essen macht Ernst: Ab 1. Januar 2026 dürfen Uber & Co. spontane Fahrten nur noch maximal sieben Prozent günstiger als Taxis anbieten. Mietwagenfirmen drohen mit Klagen. Von Heidelberg bis München brodelt der Streit. Wer gewinnt den Preiskrieg?

In Essen ist der Damm gebrochen. Der Stadtrat hat mit breiter Mehrheit ein Mindestbeförderungsentgelt (MBE) für Mietwagen wie Uber und Bolt beschlossen. Ab 1. Januar 2026 dürfen spontane Fahrten höchstens sieben Prozent günstiger sein als der Taxi-Tarif. Für längerfristig gebuchte Touren gilt die Vorgabe nicht. Ziel: den „ruinösen Wettbewerb“ stoppen, der die Taxis in die Knie zwingt.

Der Hintergrund ist klar: Taxis müssen jede Fahrt annehmen – ob Kurzstrecke, nachts oder mit betrunkenen Fahrgästen. Mietwagenfahrer dagegen wählen aus und drücken die Preise oft um 30 bis 40 Prozent. Kritiker behaupten, das sei nur durch Missachtung von Arbeitsrechten machbar. Eine von der Stadt Essen in Auftrag gegebene Studie kommt zu dem Ergebnis: "Mit Ubers 25-Prozent-Provision und Dumpingpreisen sind faire Löhne kaum machbar". Die Folge: Taxis verlieren Umsatz, Konzessionen werden zurückgegeben. „Unregulierter Mietwagenverkehr schädigt den ÖPNV“, warnt die Verwaltung.

Der Verband „Wirfahren“ kontert: „Existenzbedrohend! Wir klagen.“ Erste Unternehmen rüsten juristisch auf. Essen ist damit die erste Stadt in Nordrhein-Westfalen mit MBE-Vorschrift – bundesweit ging nur Heidelberg voran.

Immer mehr Städte führen Mindestpreise für Uber ein

Der Essener Beschluss ist kein Einzelfall. In mindestens zehn Städten laufen Debatten oder wurden bereits Regeln beschlossen:

München: Oberbürgermeister Dieter Reiter will zunächst verhandeln. Bis 30. Juni 2026 haben Plattformen Zeit für Lösungen, sonst folgt das Mindestbeförderungsentgelt. Sein Satz: „Unsere Stadt ist teuer genug. Ich unterstütze das Taxigewerbe, aber nicht über höhere Preise.“ 500 Taxifahrer protestierten bereits.

Heidelberg: Vorreiter seit 1. August 2025. Dort gilt ein Mindestbeförderungsentgelt von maximal 7,5 Prozent unter dem Taxi-Tarif plus die Einführung von Taxi-Festpreisen per App. „Kein Dumping mehr“, heißt es aus dem Rathaus.

Leipzig: Das Verwaltungsgericht bestätigte das Mindestbeförderungsentgelt grundsätzlich, kippte aber die Höhe. Die Stadt zog zurück und arbeitet an einer rechtssicheren Neufassung.

Hannover: Plant ein Mindestbeförderungsentgelt plus Taxi-Festpreiskorridor. 

Frankfurt: Mehrere Fraktionen im Rat drängen, der Magistrat prüft. Taxi-Demonstrationen erhöhen den Druck.

Berlin: Der Senat steht unter Druck. Taxi-Verbände fordern ein Mindestbeförderungsentgelt und einen Beobachtungszeitraum. Oberbürgermeister Kai Wegner äußert sich zurückhaltend, die Debatte kocht.

Düsseldorf: Die Branche fordert Mindestpreise, Uber hält mit Umfragen dagegen.

Hamburg: Kein Mindestbeförderungsentgelt, aber klare Regeln: Seit diesem Jahr dürfen nur noch emissionsfreie Taxis und Mietwagen neu zugelassen werden.

Köln und Ruhrgebiet: Proteste und Forderungen nach einem Mindestbeförderungsentgelt, besonders in Köln, Dortmund, Bochum und Duisburg.

Kommunen sehen Uber als Gefahr für den öffentlichen Verkehr

Warum ist Uber so umstritten? Taxis sind Teil des ÖPNV: Sie sind tarifgebunden, haben eine Beförderungspflicht und sichern die Versorgung auch nachts, in Randlagen und bei schwierigen Kunden. Uber und Bolt dagegen arbeiten mit dynamischen Preisen, Subunternehmern und ohne Beförderungspflicht.

Gutachten aus Heidelberg und Essen legen nahe: Dumpingpreise funktionieren oft nur durch Sozialdumping. Plattformprovisionen von 20 Prozent und Billiglöhne sind die Regel. Ergebnis: Taxis brechen weg, Umsätze sinken, Konzessionen verschwinden.

Das Problem liegt auch in der Regulierung: Mietwagen unterliegen einer Rückkehrpflicht nach jeder Fahrt – Taxis nicht. Diese Asymmetrie gefährdet laut Industrie- und Handelskammer die Fairness. Kommunen fürchten: Ohne Eingriff zerbricht ein Teil des öffentlichen Verkehrssystems.

 

Diese Rechtsgrundlagen können Städte nutzen

Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) liefert Kommunen die Handhabe:

  • § 49 PBefG (Mietwagen): Keine Taxi-Dienste, Rückkehrpflicht nach jeder Fahrt.

  • § 51 PBefG (Taxi): Städte und Kreise setzen verbindliche Taxi-Tarife fest.

  • § 51a PBefG (seit 2021): Kommunen können zum Schutz öffentlicher Interessen Mindestpreise für Mietwagen festlegen – solange sie verhältnismäßig bleiben und nicht über dem Taxitarif liegen.

Die Rechtsprechung stützt die Linie: Das Verwaltungsgericht Leipzig (15.11.2024) erklärte Mindestbeförderungsentgelte für zulässig, wenn sie gut begründet sind. Das Oberlandesgericht Köln bestätigte die Rückkehrpflicht als verfassungsgemäß. Kommunen haben damit ein solides Werkzeug in der Hand.

Der Ausblick: Klagen, Deals und ein langer Uber-Krieg

Essen legt vor, Heidelberg liefert die Blaupause, München setzt auf Verhandlungen. Uber bereitet Klagen vor, Taxifahrer organisieren Demos. Ob am Ende die Städte oder die Plattformen den Takt vorgeben, entscheidet sich in den nächsten Jahren vor Gericht und an den Wahlurnen. Klar ist: Mit § 51a PBefG haben Bürgermeister einen Turbo in der Hand. Jetzt geht es darum, ihn klug zu zünden.