Welchen Sinn macht die Umsatzsteuerpflicht für Kommunen?
Umsatzsteuerpflicht: Frustration in den Kommunen
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Finanzen

Umsatzsteuerpflicht: Sinn und Zweck wird hinterfragt

In deutschen Städten und Gemeinden wird debattiert: Über Sinn und Zweck des neuen Umsatzsteuerrechts und die daraus resultierende Umsatzsteuerpflicht für Kommunen. KOMMUNAL hat vier Kommunen nach ihren Einschätzungen befragt. Besonders negativ bewertet: die erneute Verschiebung.

Der Stand der Dinge: Offiziell ist bereits seit 2017 eine Neuregelung des Umsatzsteuerrechtes für Kommunen in Kraft, die praktische Umsetzung wurde allerdings im Dezember 2022 vom 01. Januar 2023 zum zweiten Mal in Folge verschoben. Das neue Gesetz besagt, dass Kommunen zukünftig wie Unternehmen behandelt werden und auf Leistungen, die auch Unternehmen leisten könnten, den üblichen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent zu zahlen haben. Ausgenommen sind davon nur solche Leistungen, die von Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Aufgaben ausgeführt werden, sofern eine Behandlung als Nichtunternehmen nicht zu eindeutigen Wettbewerbsverzerrungen führen würde. 

Umsatzsteuerpflicht: Was das für Kommunen bedeutet

Die erneute Verschiebung bedeutet für jede einzelne Kommune erst einmal: Der gesamte Personalaufwand und die dabei entstandenen Kosten waren in den vergangenen Jahren erst einmal für die Katz. Schon aus diesem Grund hat sich Pasewalk, eine amtsfreie Stadt mit knapp 10.000 Einwohnern  im Landkreis Vorpommern Greifswald dafür entschieden, ab Januar diesen Jahres Umsatzsteuer abzuführen. Nicole Hermann, Leiterin des Amtes für Finanzen, erklärt: „Wir haben uns dafür entschieden, die Option der Verlängerung nicht zu wählen. Aus einem ganz einfachen Grund: Die ganze Umstellung hat uns erheblich Zeit und Mühen gekostet und wir waren im Dezember 2022 einfach startklar. Das Rad jetzt wieder zurückzudrehen, um den ganzen Prozess dann neu beginnen, hat für uns einfach keinen Sinn gemacht.“ Die Eigenbetriebe mussten auf Umsatzsteuerfähigkeit gegeprüft, Buchhaltungssoftware angepasst, neue Konten und Verknüpfungen angelegt, neue Verträge ausgestellt und die Gebührenordnung überarbeitet werden.  „Für diesen Prozess haben wir extra eine Kraft angestellt, die qualifizierte Kenntnisse im Steuerrecht hat und die Arbeit der Sachbearbeiter abschließend prüfen konnte.“ Immerhin geht die Kommune Pasewalk davon aus, dass die neue Umsatzsteuerpflicht sie am Jahresende eines nicht kosten wird: zusätzliches Geld.

Recklinghausen dreht das Rad zurück

Zu einem anderen Schluss kam man in Recklinghausen. In einer Sondersitzung wurde in der Ruhrgebietsstadt beschlossen, den Prozess erst einmal auszusetzen. Die Stadt kalkuliert, dass sie das neue Recht etwa 1,7 Millionen Euro im Jahr kosten wird. „Wir haben alle Bereiche durchgeprüft: Gebäudemanagement, Schulen, Kultur, Sozialamt, Abwasser, Bauhof. Nach unserer Rechnung können wir die Mehrkosten durch den Vosteuerabzug nicht in voller Höhe wieder hereinbekommen.“ Außerdem, so der Erste Beigeordneter und Stadtkämmerer, habe man in Zeiten der Inflation beschlossen, die Bürger nicht zusätzlich zu belasten – bei den Gebühren etwa. Wäre das neue Recht ab Januar diesen Jahres umgesetzt worden, dann wären in Recklinghausen die Gebühren gesenkt worden, um erst dann die Mehrwertsteuer aufzuschlagen. Ebenso wollte man bei sozialen Einrichtungen verfahren. Ekkehard Grunwald nennt ein Beispiel: „Die Weihnachtssterne, die unsere Jugendwerkstatt jedes Jahr auf einem Basar verkaufen, wären um 19 Prozenz im Verkaufspreis gestiegen. Damit hätten wir nur den guten Zweck bestraft.“ 

Umsatzsteuerpflicht: Ein hoher Arbeitsaufwand für die Kommunen.

Umsatzsteuerpflicht: Die Empfehlung des Bayerischen Gemeindetags

Möglich ist der Start nach neuem Recht für Kommunen mit einer sogenannten Widerrufserklärung. Der Bayerische Gemeindetag erklärte in einem Rundschreiben am 22. Dezember 2023: "Der Widerruf der Optionserklärung sollte jedoch nur erfolgen, wenn Sie sicher sind, dass der Umstellungsprozess auf § 2b UStG vollständig und erfolgreich abgeschlossen wurde. Insbesondere sollten alle notwendigen organisatorischen Maßnahmen getroffen worden sein. Zudem sollte eine Umstellung nur erfolgen, wenn sich hieraus keine erheblichen finanziellen oder administrativen Mehrbelastungen ergeben." Im bayerischen Veitshöchheim hat man auf einer Sitzung des Gemeinderates entschieden, ab Januar diesen Jahres zu starten. Angesichts der komplexen Vorarbeiten mache eine Umstellung auf das neue Umsatzsteuerrecht rückwirkend ab Januar Sinn, argumentierte Bürgermeister Jürgen Götz in der Sitzung. Zu groß sei der Aufwand, jetzt zunächst alles wieder zurück abzuwickeln, um dann später erneut alle nötigen Daten zu hinterlegen. 

Die Sinnhaftigkeit zur Gänze infrage gestellt

Im baden-württembergischen Forchtenberg ist viel von Frustration die Rede, wenn es um das neue Gesetz geht. „Mindestens unglücklich“, nennt Bürgermeister Michael Foss die kurzfristige Entscheidung des Bundes und man ahnt, dass er sich auch drastischer ausdrücken könnte. Hier hofft man, dass das Gesetz weder ab 2025 noch irgendwann später zur Anwendung kommen wird. Auch wenn die Kommune in die Umsetzung viel investiert hat. Allein 50.000 Euro hat man in Forchtenberg in externes Beratungs know-how und Schulungen investiert. Bürgermeister Michael Foss stellt klar: „Dieses Gesetz macht einfach keinen Sinn, weil es nur ein theoretisches Problem behandelt. Kommunen stehen kaum jemals in Konkurrenz zu Unternehmen und haben auch gar kein Interesse daran, in Konkurrenz zu treten. Zudem ist für die Bürgerschaft absolut kein Mehrwert erkennbar.“ Hier werden nur völlig unnötig Steuergelder des Bürgers von einem Säckel in das andere geschoben.“ Wie hinreichend bekannt, hätten die Kommunen schon jetzt genug damit zu tun, die stetig wachsenden Zusatzaufgaben – etwa die Unterbringung von Flüchtlingen – zu stemmen. Das sehen viele Kommunen ähnlich: In Baden-Württemberg zum Beispiel befürwortet der Städtetag die Nichteinführung des Gesetzes. Stattdessen, meint Michael Foss, solle die Politik sich endlich mit aller Kraft jenen Themen widmen, die wirklich drängend seien: Entbürokratisierung, Lichtung des kommunalen Aufgabendschungels, Klimawandel, Energiewende und eine zukunftsfähige Mobilität.   

Folgende Leistungen mussten die Kommunen erbringen:

  • Umfassende Leistungsanalyse zur Ermittlung der steuerrelevanten Leistungen
  • Vorbereitung der Buchführung zur Erfassung der erbrachten und bezogenen Leistungen i. S. v. § 22 UStG
  • Anpassung der Entgeltordnungen und Satzung bezogen auf den 1.1.2025
  • Anpassung von Verträgen und Aufnahme einer Steuerklausel
  • Prozessanalyse zum Erkennen von steuerlichen Risiken bei verwaltungsinternen Abläufen
  • Sensibilisierung der Mitarbeiter auf allen Ebenen (Führungskräfte, Mitarbeiter in der Sachbearbeitung, Mitarbeiter im Finanzbereich)
  • Automatisierung von Prozessen (u. a. Rechnungsworkflow für Eingangs- und Ausgangsrechnungen, Vertragsmanagement)

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