Personalnot
Wenn Bürgermeister zu Aushilfen werden
Efringen-Kirchen im Landkreis Lörrach zählt rund 8.900 Einwohner in neun Ortsteilen. Die Gemeindeverwaltung beschäftigt rund 180 Personen – darunter auch Personal in Kindergärten, in der Grundschulbetreuung und im Werkhof. Doch viele Stellen sind vakant. „Mit dem Ausscheiden unseres Hauptamtsleiters Anfang des Jahres habe ich mir das Aufgabengebiet mit der Ordnungsamtsleitung geteilt“, berichtet Bürgermeisterin Holzmüller. „Seit Ende April ist auch diese Position unbesetzt.“ Zusätzlich fehlt seit dem ersten Quartal dieses Jahres der IT-Administrator – hier springt ein externer Dienstleister ein. Die nötigen Freigaben und Entscheidungen zu Beschaffungen oder Updates übernimmt jedoch Holzmüller selbst. "Die bereits beauftragte neue Website konnte dank der Unterstützung meines Vorzimmers realisiert werden."
Drei Ämter neben dem Bürgermeisteramt
„Zeitweise hatte ich drei zusätzliche Stellen neben meinem Amt inne", berichtet die Bürgermeisterin auf Anfrage von KOMMUNAL. Seit dem 1. Juli haben wir wieder einen Hauptamtsleiter. Während seiner Einarbeitungszeit übernehmen wir die Bereiche Haupt- und Ordnungsamt gemeinsam in enger Abstimmung“, ergänzt die Bürgermeisterin. Das Führungsteam aus Bürgermeisterin, Amtsleitungen und deren Stellvertreter stimmten sich eng ab. Ziel sei es, sich gegenseitig zu unterstützen sowie Angelegenheiten pragmatisch und effizient umzusetzen.
Personal fehlt - Bürgermeisterin muss auch mal Termine absagen
Die Folge des Personalmangels für die Bürgermeisterin: Überstunden, weniger private Zeit und Verspätungen zu Terminen. „Ich kann die Mehrarbeit kaum genau beziffern – aber ich verbringe deutlich mehr Zeit im Büro, auch abends, an Wochenenden oder im Urlaub“, erklärt Holzmüller. „Manchmal muss ich Termine kurzfristig absagen – etwa bei einem Seminar der Sparkasse oder einem Unternehmensbesuch.“
Die Gemeinde spürt, wie vielerorts, die Folgen des Fachkräftemangels. Holzmüller: „Jeder Weggang hat individuelle Gründe. Am häufigsten wird jedoch die Bezahlung als Kündigungsgrund genannt. Wir halten uns strikt an den Tarifvertrag (TVöD) und können daher nicht mit privatwirtschaftlichen Angeboten mithalten.“
Auch gesellschaftliche Faktoren erschweren die Personalsuche: „Die Stimmung gegenüber öffentlicher Verwaltung ist oft negativ. Kritik an politischen Entscheidungen trifft auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – obwohl die Ursachen meist nicht bei der Kommune selbst liegen.“
Pflichtaufgaben haben Priorität
Trotz aller Widrigkeiten bemüht sich die Gemeinde, funktionsfähig zu bleiben. Die Verwaltungsleitung stimmt sich eng ab, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden regelmäßig eingebunden. Die Bürgerinnen und Bürger spüren dennoch die Engpässe. „Unsere Priorität liegt aktuell auf Pflichtaufgaben. Anfragen, die darüber hinausgehen, müssen manchmal warten“, so Holzmüller.
Gleichzeitig stoßen kreative Lösungen oft an rechtliche oder finanzielle Grenzen. „Der TVöD lässt kaum Spielraum, Quereinsteiger mit viel Fachkompetenz entsprechend zu vergüten. Denn die Entgeltgruppe und Stufe richtet sich nach Ausbildung und Berufserfahrung. Und die Verfahren zur Personalgewinnung mit Zustimmung der kommunalen Gremien sind oft sehr langwierig.“ Hinzu kommt: „Die Haushaltslage lässt wenig Spielraum für Verbesserungen im Arbeitsumfeld. Selbst Sanierungen des Rathauses oder gute Ideen von Mitarbeitenden brauchen finanzielle Mittel, die im Wettbewerb mit Pflichtaufgaben stehen.“
"Damit Menschen in einer kommunalen Verwaltung arbeiten möchten, müsste sich der Umgang unserer Gesellschaft ändern. Wir sind der erste Ansprechpartner des Staates für die Bürgerschaft und bekommen da viel Unmut und Unzufriedenheit für Regelungen oder Maßnahmen ab, die gar nicht in unserer Zuständigkeit liegen. Kritik an „der Gemeinde“ treffen auch die Beschäftigten, die sich mit Ihrem Arbeitgeber identifizieren.
Damit Menschen in einer kommunalen Verwaltung arbeiten möchten, müsste sich der Umgang unserer Gesellschaft ändern."
Aktuell wirbt die Gemeinde um Personal in Stellenanzeigen auf der Website und im Mitteilungsblatt. Seit Mitte Juli ist eine neue Stelle für Social Media und IT besetzt. Eine neue Website wurde realisiert, ein Social-Media-Auftritt aufgebaut. „Damit wollen wir zeigen, was Verwaltung leistet, und gleichzeitig Vorbehalte abbauen“, sagt Holzmüller. Auch intern hat sich etwas getan: In einem Mitarbeiterworkshop wurden Ideen gesammelt, um Strukturen anzupassen und das Arbeitsumfeld zu verbessern.
Efringen-Kirchen ist kein Einzelfall. Auch andernorts springen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister persönlich ein, wenn das Personal fehlt:
- In Rottenburg übernahmen drei Bürgermeister selbst die Badeaufsicht im Freibad. Von 11 bis 14 Uhr war eine wichtige Besprechung der Mitarbeiter angesagt, da am Abend zuvor erneut ins Bad eingebrochen worden war. Das Bad hätte an dem heißen Sommertag nicht öffnen können.
- In Attenweiler bot Bürgermeister Roland Grootherder an, im Notfall selbst die Frühbetreuung von Schulkindern zu übernehmen.
- In Erfurt-Vieselbach leert Ortsteilbürgermeister Christian Poloczek-Becher mit seinem Privatwagen öffentliche Mülleimer. Der Ort bekam mehr Mülleimer, die Stadt leert sie aber nicht.
Arbeiten in Kommunalverwaltungen muss attraktiver werden
Fazit: Bürgermeisterin Holzmüller aus Efringen-Kirchen betont, dass strukturelle Reformen nötig sind: „Wir brauchen flexiblere Vergütungsmodelle, schnellere Einstellungsverfahren und ein gesellschaftliches Umdenken – weg vom pauschalen Misstrauen gegenüber Verwaltung.“