Bürgermeister Hans Günter Oberlack, Glienicke Nordbahn vor dem Rathaus
Bürgermeister Hans Günter Oberlack, Glienicke Nordbahn vor dem Rathaus.
© Benjamin Lassiwe

Porträt

Bürgermeister freut sich auf Nachfolger

Warum sich der Bürgermeister einer Gemeinde am Rand von Berlin schon heute auf die Wahl eines Nachfolgers freut. Und wie es ist, mit 12.000 Einwohnern Nachbar einer Millionenstadt zu sein.

Wer vom Berliner Ortsteil Hermsdorf in den Berliner Ortsteil Frohnau fahren will, muss kurz die Stadtgrenze überqueren. Wie ein „Entenschnabel“ ragt die Brandenburger Gemeinde Glienicke/Nordbahn in den Norden von Berlin hinein. Einen guten Kilometer lang fährt der Berliner Autofahrer dann auf ihrem Gebiet. „Beim Groß-Berlin-Gesetz 1920 und noch einmal nach der Wiedervereinigung haben sich die Bürger von Glienicke in einer Volksabstimmung gegen die Eingemeindung nach Berlin ausgesprochen“, sagt der Bürgermeister von Glienicke, Hans Günther Oberlack. „Das wurde damals umschifft.“

Glienicke/Nordbahn:  Einwohnerzahl verdreifacht

Der gelernte Kaufmann empfängt Besucher in einem Sitzungsraum, an dessen Wand ein Unikat hängt: Eine Pendeluhr, deren Gewichte immer wieder elektrisch aufgezogen werden. Es ist ein Relikt aus einer Zeit, als in dem Gebäude noch eine Feuerwache war. Heute stehen die Löschzüge längst woanders, und auch das Rathaus reicht für die Verwaltung nicht mehr aus. Denn die Gemeinde am Berliner Stadtrand ist in den letzten Jahren enorm gewachsen, die Einwohnerzahl hat sich verdreifacht. Mehr als 12.000 Einwohner zählt das ehemalige Bauerndorf heute: Einfamilienhäuser, aber auch manche Villa prägen das Bild.

Doch eingemeinden lassen wollen sich die Glienicker auch heute nicht: „In Berlin erleben wir, dass sich bei Projekten, die wir mit den Bezirken machen, immer wieder die Senatsverwaltung einmischt“, sagt Oberlack. Die Selbständigkeit der Speckgürtelkommune habe da viele Vorteile: „Bei uns wird ein Beschluss gefasst und dann muss der Bürgermeister das umsetzen.“

Glinicke Nordbahn

Glienicke und Berlin - nicht immer einfach

So wollte die Kommune vor einigen Jahren einen Weg mit einer Treppe versehen, der von Glienicke nach Berlin führt. Für die Glienicker hatte das Vorteile: Sie kamen so schneller zur nächsten Bushaltestelle. Doch während Oberlack das Votum seiner Gemeindeverwaltung reichte, musste sich der Berliner Nachbarbezirk erst mit der Landesebene abstimmen. Und das dauerte. Oder das Thema Feuerwehr: In Glienicke gibt es eine Freiwillige Feuerwehr. Das aber ist in einer Pendlerkommune ein Problem: „Am Dienstagvormittag arbeiten die Kameraden alle in Berlin und stehen hier nicht zur Verfügung.“ Die Glienicker wollten deswegen die Berliner Berufsfeuerwehr beauftragen, tagsüber in Glienicke zu helfen. Und die Gemeinde wollte dafür sogar Geld in die Hand nehmen und nach Berlin überweisen. „Ich habe dann gelernt, dass es dafür einen Staatsvertrag von Brandenburg und Berlin braucht“, sagt Oberlack. „Und das wollte man vom Land her nicht anpacken – weil man fürchtete, dass eine ganz ähnliche Diskussion ganz woanders, nämlich am Großflughafen BER, ganz im Süden von Berlin, entstehen könnte.“

Busse fahren im Zehn-Minuten-Takt in die Hauptstadt

Im teils ländlich geprägten Landkreis Oberhavel hat die Kommune direkt an der Stadtgrenze dagegen andere Probleme. Dass es einen Zehn-Minuten-Takt für die Busse zwischen Glienicke und Berlin geben sollte, hörte nicht jeder Kommunalpolitiker aus dem eher berlinfernen Raum gern. Warum dort und nicht auch hier? „Da musste man dann mal darauf hinweisen, dass wir mit 2.600 Einwohnern pro Quadratkilometer eine Bevölkerungsdichte wie Berlin haben“, sagt Oberlack. „Da leben dann auch genug Leute, die das Angebot nutzen können.“

Dass der Ausbau des Busverkehrs am Ende funktionierte, wertet er als persönlichen Erfolg. Ebenso wie die schnelle Einführung der Doppik: „Weil ich aus der Privatwirtschaft kam, ist mir kaufmännische Buchführung immer ein Begriff gewesen“, sagt der Bürgermeister. „Da konnte ich den Mitarbeitern immer sagen, dass das kein Hexenwerk ist.“ Dazu kamen Investitionen: Eine neue Sporthalle entstand in der Amtszeit des Bürgermeisters, um ein freies Gymnasium am Ort zu halten. Eine neue Grundschule ist auf den Weg gebracht.

Glienicke Nordbahn

Bürgermeister will keine dritte Amtszeit mehr

Bei allen Erfolgen redet Hans Günther Oberlack offen darüber, dass es in zwei Jahren keine dritte Amtszeit für ihn geben wird. Für einen Bürgermeister ist das ungewöhnlich. „Meine persönliche Überzeugung ist aber, dass die Verwaltungsmitarbeiter nach 16 Jahren eine andere Rathausspitze brauchen“, sagt Oberlack. „Da ist es sogar unerheblich, ob der, der dann Bürgermeister ist, es besser oder schlechter macht als ich.“ Wichtig sei: „Er muss es anders machen.“ Was eine Kommune ganz und gar nicht gebrauchen könne, sei Routine. „Jeder Bürgermeister hat seinen Schwerpunkt, das ist ganz natürlich“, sagt Oberlack. „Aber die Verwaltung stellt sich dann auf diese Schwerpunkte ein.“

Das kann zum Vorteil der Kommune sein, ist es aber nicht immer. „Wenn dann ein neuer Bürgermeister kommt, tritt eine gewisse Verunsicherung ein: Wo ist jetzt der neue Schwerpunkt? Wo wird er besonders hingucken?“ Dadurch verlagerten sich in der Verwaltung Arbeitsschwerpunkte. Neue Perspektiven entstehen. „16 Jahre sind eine sehr, sehr lange Zeit“, sagt Oberlack. „Und natürlich gibt es Bürgermeister, die schon 20 oder 30 Jahre erfolgreich regieren.“ Es sei „Sinn der Demokratie“, dass es in Verwaltungen auch Wechsel gebe. „Dadurch gibt es frischen Wind im Rathaus, und das ist nötig“, sagt Oberlack. „Und wenn jemand einmal anders an die Dinge herangeht, kann das nach so einer langen Zeit eigentlich nur hilfreich sein.“

Ratschlag für den Nachfolger oder die Nachfolgerin

Welchen Ratschlag er möglichen Nachfolgern gibt? „Man muss bereit sein, allen zuzuhören und nicht alles sofort abzulehnen.“ Am wichtigsten aber sei ein gewisser Charme. „Man muss auch Positionen verkaufen können, die auf den ersten Blick abwegig wirken“, sagt Oberlack. „Denn es gibt Gemeindevertreter, die stellen eine gute Frage oder legen den Finger in die richtige Wunde - aber sie tun es so ungeschickt, dass die anderen davon abgestoßen werden." Dann sei es die Aufgabe zum Beispiel des Bürgermeisters, die Dinge in die richtige Spur zu bringen: Ein Bürgermeister müsse immer auch ein Vermittler sein und die Gemeindevertreter aus ihren Polarisierungen herausholen. „In vielen Fällen hilft da Charme und in den meisten Fällen auch Geduld.“ Und das sind zwei Eigenschaften, mit denen es Hans Günther Oberlack zwei Amtszeiten lang gelungen ist, den kleinen Ort am Rand der großen Stadt Berlin erfolgreich zu leiten.

Fotocredits: Benjamin Lassiwe