Übernahme von Altschulden oder neue Hilfen? - wie der Bund Kommunen nach der Coronakrise unterstützen will
Übernahme von Altschulden oder neue Hilfen? - wie der Bund Kommunen nach der Coronakrise unterstützen will

Entlastungen oder Altschuldenhilfe?

Altschulden: Regierung streitet über Hilfen für Kommunen

Es soll seit längerem das große Projekt von Finanzminister Olaf Scholz für Deutschlands Kommunen werden: Die Hilfe für Altschulden. Doch das Paket würde vor allem Kommunen in nur drei Bundesländern zugute kommen. Alle anderen hätten wenig davon, weil nur ein kleiner Teil der Altschulden auf ihren Schultern lastet. Die Union im Bundestag hat nun ein Gegenpaket in den Ring geworfen - darum droht nun Krach in der Koalition.

Altschulden drücken zwar viele Kommunen - der Großteil der Altschulden liegt aber in den Händen von Kommunen in NRW, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Zudem sind es überdurchschnittlich viele Großstädte, die einen Großteil der Altschulden auf sich vereinen. Finanzminister Olaf Scholz wollte schon vor fast einem Jahr einen Teil dieser Schulden per Bundeshaushalt stemmen, den anderen Teil die Länder cofinanzieren lassen. Ein rechtlich schwieriges Unterfangen. Von Anfang an stellte sich die Union quer, verwies darauf, dass die Kommunalfinanzen und somit eben auch die Altschulden Aufgabe der Länder sind, der Bund also ohne Änderung der Verfassung nicht handeln kann. Und das lehnt die Union bisher weitgehend ab. 

Im Zuge der Coronakrise jedoch brachte Scholz das Paket dann erneut in die Diskussion, wollte 45 Milliarden Euro Altschulden mit 12 Milliarden Hilfen für die Kommunen als Coronahilfe verbinden. KOMMUNAL hat hier ausführlich darüber und über die Reaktionen darauf berichtet:

Das Auffallende bei der Diskussion, die vor genau zwei Wochen begann, war: Die Frontlinien gingen nicht mehr durch Union und SPD sondern stärker durch "betroffene Bundesländer" und weniger betroffene Länder. Aus NRW und Rheinland-Pfalz kam auch von Unionsseite viel Zustimmung für den Finanzminister, das vergleichsweise reiche Bayern und auch Baden-Württemberg schossen hingegen quer. So sprach Bayerns Finanzminister Füracker von einer "Unverschämtheit" und einer "Zwangsverpflichtung der Länder nach den Regeln des Bundes". Der Innenminister aus Baden-Württemberg, Strobl nannte den Vorschlag in der Sache falsch und meinte "Scholz greift in die Mottenkiste". 

So sieht das Gegenangebot der Union aus: Hilfen statt Altschulden

Jetzt haben der Fraktionschef der Union, Andreas Jung und der kommunalpolitische Sprecher der CDU, Christian Haase, ein neues Konzept überlegt und der Öffentlichkeit in den Grundzügen vorgestellt. 

Anstelle der Übernahme von Altschulden schlagen sie zahlreiche neue Hilfen für die Kommunen vor. So soll etwa der Bund Dreiviertel der "Kosten der Unterkunft" übernehmen, also massiv die Landkreise und kreisfreien Städte bei den Kosten aus dem Sozialgesetzbuch entlasten. Bisher zahlt der Bund nur die Hälfte der Kosten. Ein Punkt, der vor allem in Städten mit hoher Arbeitslosigkeit eine wichtige Rolle spielt. Das dürfte also den Bundesländern im Strukturwandel, wie NRW und dem Saarland ebenso schmecken, wie den ostdeutschen Bundesländern. Insgesamt würden die Kommunen so um vier Milliarden Euro entlastet. 

Ein weiterer Punkt aus dem "Altschulden-Abbau-Alternativprogramm": Der Bund will in diesem und im nächsten Jahr komplett auf seinen Anteil aus der Gewerbesteuer verzichten. Hier ist zwar noch ziemlich unklar, wie stark die Einnahmen durch die Coronakrise zurückgehen. Experten rechnen aber damit, dass die Summe, die die Kommunen sparen würden, bei insgesamt fast 3,5 Milliarden Euro liegen könnte. 

Der dritte Entlastungspunkt im Unions-Papier setzt bei den kommunalen Investitionsprogrammen an. Der Bund solle hier künftig 90 Prozent der Kosten übernehmen, die Länder die restlichen 10 Prozent. Bisher waren die Kommunen jeweils mit 50 Prozent dabei, der Anteil würde also auf Null sinken. Und auch bei der Städtebauförderung soll die kommunale Co-Finanzierung abgesenkt werden. 

Abgerundet wird das Programm durch Aufstockungen bei der Agrarstruktur, beim Küstenschutz und durch Hilfen für den "kommunalen Klimaschutz". Hier bleibt das Programm bisher aber konkrete Zahlen schuldig. 

Ein Expertenpapier stützt die Unionsforderungen 

Zuvor hatte das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ein Papier veröffentlicht. Es empfiehlt dem Bund und den Ländern, den Kommunen unter die Arme zu greifen. Vor allem, so sagt das Papier explizit, sollten Bund und Länder die Last der Sozialausgaben für die Kommunen verringern. 

"Sie sind die beste Stellschraube, um den Kommunen nachhaltig zu helfen", heißt es in der Studie. Namentlich sind auch etwa die Unterkunftskosten für Langszeitarbeitslose als besonders großes Problem der Kommunen benannt. Diese Belastungen würden gleichzeitig neue Investitionen verhindern, so dass "dringend sanierungsbedürftige Straßen und Schulen jahrelang baufällig bleiben", schreiben die Experten in dem Papier. Und weiter heißt es: "Jeder Euro mehr an Sozialausgaben, den die Kommunen zahlen, senkt die Investitionen pro Kopf kurzfristig um 37 Cent und langfristig um 1,52 Euro. In vom Strukturwandel betroffenen Regionen ist die Situation besonders gravierend. Wichtige Investitionen in Schulen und Straßen werden in Kommunen mit hohen Sozialausgaben vernachlässigt“.

Altschulden-Übernahme oder Hilfen: Wann wird entschieden?

Die Union will das Papier schon an diesem Dienstag, den 2. Juni in den Koalitionsausschuss einbringen. Dann dürften auch weitere Einzelheiten aus dem Programm bekannt werden. Die SPD beharrte am Wochenende bereits auf ihrem Konzept, also einer Mischung aus Übernahme von Altschulden und einer Coronahilfe. Ende offen. In jedem Fall aber scheint damit klar: Die große Koalition will den Kommunen unter die Arme greifen. Nur wie und in welchem Umfang, das hängt weiter stark von den Positionen ab. Und die wiederum hängen stark von der Betroffenheit der jeweiligen Bundesländer ab. Kompromiss? Weiter unklar...