Frau kauft Medikamente, Apothekerin überreicht sie.
Apotheken wollen eine Perspektive haben, doch vielen fehlt sie.
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Medizinische Versorgung

Wenn immer mehr Apotheken schließen

Immer mehr Apotheken schließen - vor allem in ländlicheren Gegenden. Im ersten Halbjahr ist die Zahl der Apotheken in Deutschland auf einen Tiefstand gesunken. Zum Jahresende wollen auf der Nordseeinsel Helgoland die Betreiber der einzigen Apotheke aufhören. Kommunen kämpfen dafür, dass Nachfolger gefunden werden. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will ein neues Gesetz ins Kabinett einbringen, die Apothekenreform soll Anfang Januar umgesetzt werden.

Was tun, wenn die einzige Apotheke am Ort dicht macht? Auf der Nordseeinsel Helgoland wollen die Betreiber der Hochsee-Apotheke zum Jahresende aufhören. Sie versorgten die rund 1.300 Bewohner und Tausende von Touristen mit Medikamenten. Das Apotheker-Ehepaar hat bisher vergebens nach einem Nachfolger gesucht, berichten Medien. Helgolands Bürgermeister Thorsten Pollmann hingegen zeigt sich zuversichtlich, dass Helgoland auch künftig mit Medikamenten über eine Apotheke versorgt sein wird. Er habe bereits zwei Gespräche geführt, erzählt er, und er bietet an, dass sich weitere Interessenten direkt bei ihm melden können. Seit 26. Juni sucht das Landesamt für soziale Dienste in Schleswig-Holstein nach einem Betreiber der Apotheke, berichtet die Kreiszeitung.de.

Apothekensterben in Zahlen

Im ersten Halbjahr 2024 ist die Zahl der Apotheken in Deutschland auf den neuen Tiefstand von 17.288 gesunken. Das sind 283 Apotheken weniger seit dem Jahreswechsel. Sowohl die Zahl der Haupt- und Einzelapotheken ist zurückgegangen als auch die Zahl der Filialen, meldet die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ABDA. Gegenüber den ersten sechs Monaten der Vorjahre hat sich der Rückgang der Apothekenzahl nach den aktuellen Zahlen erneut beschleunigt: Im ersten Halbjahr 2023 gab es in Deutschland 238 Apotheken weniger, im gleichen Zeitraum 2022 waren es 205 Betriebsstätten weniger. Dass Handlungsbedarf bestehe, zeigten diese Zahlen: Die Apothekendichte beläuft sich bundesweit auf nur noch 21 Apotheken pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner – ein Wert, der weit unter dem Durchschnitt der Europäischen Union liege. Von dieser Entwicklung seien aber nicht nur die ländlichen Räume betroffen. In Berlin liegt die Apothekendichte mit 19 beispielsweise deutlich unter dem Bundesdurchschnitt, so die Bundesvereinigung.

Apotheken-Reformgesetz geplant

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wollte an diesem Mittwoch, 21. August, den Entwurf für ein Apotheken-Reformgesetz ins Kabinett einbringen, mit dem er ländliche Apotheken finanziell stärken will. Ursprünglich war das bereits für 17. Juli, geplant. Nun wurde die Entscheidung erneut vertagt. Die Arzneimittelversorgung durch Apotheken sei derzeit grundsätzlich und flächendeckend sichergestellt, jedoch werde sie im ländlichen Raum teilweise nur von wenigen Apotheken übernommen, heißt es im Referentenentwurf für das Gesetz. "Es besteht Handlungsbedarf, um die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln mittel- und langfristig weiterhin zu sichern."

Was soll sich nach den Plänen Lauterbachs ändern?

Da Apotheken im ländlichen Gebieten häufiger Notdienste leisten müssen, soll dieser Einsatz besser honoriert werden.

  • Apotheker sollen künftig 28 Cent statt 21 Cent pro abgegebener Packung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels erhalten, das sind rund 30 Prozent mehr. Die Apotheken erhalten für jeden geleisteten vollen Notdienst eine Pauschale von rund 550 Euro.
  • Gleichzeitig sinkt die allgemeine Vergütung. Das Fixum für Apotheker beträgt aktuell drei Prozent des Apothekeneinkaufspreises je Medikament. Das soll auf zwei Prozent sinken.

Die Pläne für eine Apotheken-Reform sind bei den Apothekerverbänden und den Apothekern massiv umstritten. Aber auch die Gesundheitsministerinnen und -minister der Bundesländer sehen vor allem jene Punkte kritisch:

Der Apotheker oder die Apothekerin müsse danach künftig nur acht Stunden in der Woche persönlich anwesend sein.  Pharmazeutisch-technische Assistenten (PTA) können die Medikamente ausreichen, sich bei Fragen per Videoschaltung dann an einen diensthabenden Apotheker wenden. Der Apotheker soll künftig mehrere Filialen und Medikamentenabgabestellen betreiben dürfen. Fahrzeiten von drei Stunden für den Apotheker, um immer wieder vor Ort sein zu können, seien dann zulässig.

Das soll das neue Gesetz zur Apotheken-Reform enthalten:

  • Flexiblere Öffnungszeiten
  • Einfachere Gründung von Zweigapotheken in Orten mit eingeschränkter Arzneimittelversorgung
  • Beschäftigungsmöglichkeiten weiterer Berufsgruppen mit geeigneter Ausbildung

Nach den Plänen Lauterbachs soll das neue Gesetz für eine Apothekenhonorar- und Apothekenstrukturreform Anfang 2025 in Kraft treten.

Apotheke

Das Apothekensterben beunruhigt auch Eberswalder Mediziner. Vor allem im Notdienst mache sich ein gewisser Notstand bemerkbar, sagt die Allgemeinmedizinerin Yvonne Dashti dem rbb. Es komme vor, dass sie Bereitschaftsdienst am Wochenende habe und die einzige offene Apotheke in Bernau sei. "Nicht jeder kann dahinfahren. Da merkt man schon, was es eigentlich bedeutet, wenn es vor Ort keine Apotheke gibt", so die Ärztin aus Eberswalde.

Gründe für das Apothekensterben

Und warum schließen Apotheken? Das Apothekenhonorar wurde zuletzt 2013 um 3 Prozent erhöht, seitdem ist die Inflation um knapp 30 Prozent und die Kosten der Apothekenbetriebe um rund 60 Prozent gestiegen, heißt es beim Deutschen Apothekerverband. Und der Internet-Handel wird immer mehr zur Konkurrenz.

Der Referentenentwurf zum Gesetz für eine Apothekenhonorar- und Apothekenstrukturreform als PDF zum Herunterladen:

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