Die deutschlandweite Einführung der Bezahlkarte für Flüchtlinge lässt weiter auf sich warten - eine Geschichte über Bürokratie-Monster und Pannen, die es bei der reigonalen Einführung nicht gegeben hat.
Die deutschlandweite Einführung der Bezahlkarte für Flüchtlinge lässt weiter auf sich warten - eine Geschichte über Bürokratie-Monster und Pannen, die es bei der reigonalen Einführung nicht gegeben hat.
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Der nächste Rückschlag

Chaos bei Einführung der Bezahlkarte für Flüchtlinge geht weiter

Es sind Rückschläge mit Ansage - 14 Bundesländer hatten sich nach monatelangem Tauziehen auf eine einheitliche Einführung einer Bezahlkarte für Flüchtlinge geeinigt. Zuvor waren einige Landkreise vorgeprescht und hatten solche Bezahlkarten in Eigenregie eingeführt. Und das teils innerhalb weniger Tage. Mit nur wenigen Wochen Vorlauf folgten weitere Landkreise - doch der deutschlandweite Start hat sich nun auf unbestimmte Zeit verzögert. Das sind die Gründe.

Die Bezahlkarte für Flüchtlinge wird zur traurigen Lachnummer eines bürokratischen Systems, das offenbar nicht mehr in der Lage ist, in angemessenene Fristen zu agieren. Die Einführung verzögert sich weiter - mindestens bis Ende Oktober. Grund ist ein Streit vor Gericht. Doch der Reihe nach.

Warum Landkreise können, was dem Bund nicht gelingt 

Im Oktober vergangenen Jahres kam die Idee für "Sachleistungen statt Geld" neu ins Rollen. Eine deutschlandweite Bezahlkarte wurde ins Spiel gebracht. Gleich äusserten sich wieder Kritiker, das werde sich zum Bürokratiemonster entwickeln. KOMMUNAL stellte daher im Oktober kommunale Alternativen und Möglichkeiten vor, die zu dem Zeitpunkt auch bereits hinter verschlossenen Türen in Planung waren. 

Im Leitartikel "Weniger Bares für Rares" hatten wir schon im Oktober vergangenen Jahres beschrieben, weshalb eine regionale Einführung sinnvoller erscheint und wie die Bezahlkarte sich an anderen regionalen Karten orientieren könnte. 

So startete noch im November Deutschlands damals dienstälteste Landrätin, Martina Schweinsburg, in ihrem Landkreis Greiz in Thüringen regional mit einer solchen Karte. Erste Flüchtlinge reisten daraufhin wenige Tage nach Einführung aus Protest ab, wollten Bargeld statt Bezahlkarten. Der Landkreis konstatierte: Die Bezahlkarte zeigt Wirkung, trennt die Spreu vom Weizen.

UND: Die Einführung selbst hatte in Greiz nur wenige Tage gedauert, ohne großen bürokratischen Aufwand. Martina Schweinsburg sagte im Dezember: „Innerhalb von zwei Tagen war mit dem Anbieter alles geklärt. Nach zwei Wochen waren die Karten erstellt.“ Die Stimmung im Land ist sehr aufgeheizt. Bei uns sind durch die Anmietung für Asylsuchende keine Sozialwohnungen frei. Da ist es nicht gut, wenn diese mit mehreren Hunderteuroscheinen im Portemonnaie herumlaufen." 

Anfang dieses Jahres startete dann auch der Landkreis Eichsfeld mit der Ausgabe der Karte und auch der Ortenaukreis in Baden-Württemberg meldete wenige Tage später Vollzug. 

Es folgte der Beschluss von 14 Bundesländern, eine einheitliche Bezahlkarte herauszugeben. Lediglich Bayern und Mecklenburg-Vorpommern gingen eigene Wege und entschieden sich für eigene landesweite Modelle. Großtönig vermeldete der Bund damals, man könne bis spätestens zu den Sommerferien mit der deutschlandweiten Einführung starten.

Auf dem Boden der Tatsachen und der Bürokratie gelandet 

Doch während in einigen Landkreisen seit einem dreiviertel Jahr mit der Bezahlkarte alles rund läuft, kommt der Rest der Repubik, der nicht kommunal gehandelt hat, nicht aus dem Bürokratie-Monster heraus. Einzig in Bayern ist die Karte seit August flächendeckend im Einsatz. In Mecklenburg-Vorpommern ist man sich sicher, bis Ende des Jahres flächendeckend soweit zu sein. Dort bekam in dieser Woche das niederländische Unternehmen Yoursafe den Zuschlag.  "Nach jetzigem Zeitplan können innerhalb der nächsten zwölf Wochen die ersten Debit-Bezahlkarten in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes ausgehändigt werden", erklärte Landesinnenminister Christian Pegel.

Und im Rest der Republik? Da ist das europaweite Verfahren weiter nicht abgeschlossen. Denn einer der unterlegenen Bieter hat vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe Beschwerde eingelegt. Das gestand nun der öffentliche Dienstleister Dataport ein. Er ist mit dem Vergabeverfahren für die Bezahlkarte beauftragt. 

Durch die Klage ruht das Vergabeverfahren erst einmal. Wie lange, völlig unklar. Einzelheiten zu der Beschwerde könne man nicht mitteilen, es handle sich um ein laufendes Verfahren, teilt Dataport kleinlaut mit. Bekannt ist, dass das Oberlandesgericht Karlsruhe am 18. Oktober eine Sitzung angesetzt hat um über die Beschwerde zu verhandeln. Ob an dem Tag auch ein Urteil fällt, ist völlig unklar. 

Vergabeverfahren nicht zum ersten Mal kritisiert 

Die jüngste Klage reiht sich ein in mehrere Verzögerungen der vergangenen Monate für die deutschlandweite Bezahlkarte für Flüchtlinge. Im Juli meldete Dataport, das Vergabeverfahren könne nicht beendet werden, weil diverse Nachprüfverfahren vor der Vergabekammer Baden-Württemberg nötig seien. 

Anfang des Jahres hatte der Bundestag die Einführung einer Bezahlkarte für Menschen beschlossen, die im Asylverfahren oder mit einer Duldung Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Mit der Karte sollen sie Waren und Dienstleistungen des täglichen Lebens bezahlen können. Die Möglichkeit, Bargeld abzuheben, sollte möglichst eingechränkt werden. Allen voran Überweisungen ins Ausland sollten nicht mehr möglich sein, um Geldzahlungen an Schleuser oder Familien in den Heimatländern zu verhindern. Nach der Einführung in Bayern fanden sich aber schnell Kriminelle, die das System umgangen haben und dafür sorgten, dass über Gutscheinkarten ein System aufgebaut wurde, mit Hilfe dessen diese Gruppe doch wieder an Bargeld kam. KOMMUNAL hatte über die Machenschaften linksextremer Gruppen berichtet. Der Bericht erschient unter der Überschrift "Miese Masche mit der Bezahlkarte - wie Flüchtlinge zum Bezahlkarten-Betrug angestiftet werden" 

Dabei war die Forderung nach einer Einheitlichkeit der Bezahlkarte immer wieder zu hören - der Städtetag etwa warnte schon früh vor einem Flickenteppich, der dann auch entstanden ist. Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein etwa sprach schnell von "Wanderungsbewegungen von Asylbewerbern" aus Landkreisen, die die Karte eingeführt haben, in seine Stadt. 

Auch die Behauptung, die Karte könne Kommunen bei der Verwaltung entlasten, ist weiter umstritten. Der Migrationsforscher Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung etwa behauptet in der ARD: "So müssen mit dem Finanzdienstleister, der die Karte ausgibt, Verträge geschlossen und an ihn Gebühren bezahlt werden, sowie, je nach Ausgestaltung, Verträge mit Geschäften wie zum Beispiel Supermarktketten." 

Das sehen jedoch Landkreise, die in Eigenregie die Karte eingeführt haben, deutlich anders. Der stellvertretende Landrat aus Märkisch-Oderland in Brandenburg, Friedemann Hanke, etwa sagte im KOMMUNAL-Interview zu den Kosten: "Wir gehen bei uns im Landkreis Märkisch-Oderland von jährlichen Kosten um die 24.000 bis 25.000 Euro aus. Die Einführung dürfte 4.000 bis 5.000 Euro kosten." 

Auch sein Landkreis hatte die Karte Anfang des Jahres in Eigenregie eingeführt und zeigt sich bis heute sehr zufrieden mit dem Schritt.