Probewohnen in Görlitz

Probewohnen in Görlitz - Kostenlos die Stadt testen!

Die Stadt Görlitz wirbt um neue Einwohner und setzt dafür auf ein interessantes Projekt: Diejenigen, die Interesse an Görlitz haben, können das Leben hier für vier Wochen kostenlos testen

Görlitz ist bei alten Menschen beliebt. Junge Menschen hingegen interessieren sich weniger für die sächsische Stadt. Statt nach Görlitz ziehen sie lieber in urbanere Orte oder das Umland von Großstädten. Ein Problem, das viele Kommunen kennen dürften. Doch genau das will die 57.000-Einwohner-Stadt nun ändern und ihr Rentner-Image abschütteln. Mithilfe eines Projekts will sie mehr junge Menschen zu sich locken.

Diejenigen, die sich für Görlitz interessieren, können vier Wochen lang kostenlos in der Stadt wohnen. Dafür stellen die Kommune sowie Vereine drei Probewohnungen und drei verschiedene Arbeitsräume zur Verfügung.

Durch das Probewohnen zeigt die Stadt, was sie hat

„Wir wollen, dass die Menschen Görlitz einmal richtig kennenlernen. Sie sollen ausprobieren, wie es sich hier lebt, und das, ohne doppelt Miete zahlen zu müssen. Von dem Projekt erhoffen wir uns natürlich, dass die Probebewohner Görlitz so gut finden, dass sie hier langfristig herziehen“, weiß Robert Knippschild vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung. Dessen Interdisziplinäres Zentrum für ökologischen und revitalisierenden Statdumbau koordiniert das Probewohnen -Projekt und begleitet es wissenschaftlich. Partner sind die städtische Wohnungsbaugesellschaft KommWohnen sowie drei Vereine, die die Arbeitsräume zur Verfügung stellen.

„Wir wollen herausfinden, was die Menschen an Görlitz reizt, welche Gründe für einen Zuzug und welche dagegen sprechen. Deshalb befragen wir die Probebewohner vor und gegen Ende ihres Aufenthaltes zu ihren Wünschen und Bedürfnissen.

Wir sehen darin die Chance, ausführliches Feedback für das Leben in der Stadt zu bekommen. Dafür müssen die Probebewohner einen Fragebogen ausfüllen, anhand dessen wir Handlungsempfehlungen für Görlitz erstellen“, erläutert Knippschild.

Probewohnen in Görlitz
In diesem CoWorking-Space können die Probewohner arbeiten
Foto: Pano Paul Glaser IOER Media

Probewohnen in Görlitz: Mit dem Projekt sollen junge Leute angelockt werden

Damit sich die Probewohner gut aufgehoben fühlen, bekommen sie einen Ansprechpartner an die Seite, der ihnen dabei hilft, sich einzuleben. Er zeigt ihnen die Stadt, lädt sie auf Veranstaltungen ein, vernetzt sie untereinander. „In Görlitz leben 57.000 Einwohner und zugleich stehen ungefähr 7.000 Wohnungen frei. Diesen Leerstand wollen wir in den nächsten Jahren stark reduzieren“, erklärt Hartmut Wilke, der Amtsleiter für Stadtentwicklung. Für ihn liegen die Vorteile der Stadt vor allem im gut ausgebauten Öffentlichen Personennahverkehr, dem Einzelhandel, der fußläufig gut zu erreichen ist sowie den wunderschönen Bauten, die vor allem aus der Renaissance und aus der Gründerzeit stammen. Mit diesen Vorteilen haben die Projektpartner im Rahmen des Projekts „Stadt auf Probe“ in den Printmedien sowie auf Facebook geworben. Tatsächlich haben sich daraufhin circa 150 Menschen für das Projekt beworben. Davon wurden 54 ausgewählt, die von Januar 2019 bis Mitte 2020 für vier Wochen in die Wohnungen einziehen.

„Görlitz hat bereits in der Vergangenheit mehrmals zum Probewohnen eingeladen. Damals waren die meisten Bewerber etwas älter, weshalb wir uns jetzt bewusst an junge, erwerbstätige Menschen gerichtet haben. Denn: Auch aus dieser Zielgruppe könnten sich einige vorstellen, nach Görlitz zu ziehen. Allerdings nur unter der Voraussetzung, hier auch arbeiten zu können. Als Stadt haben wir aber nur wenig Einfluss auf den Arbeitsmarkt, weshalb wir dieses Mal vor allem Selbstständige eingeladen haben, die von überall aus arbeiten können“, erklärt Amtsleiter Wilke das neue Projekt. Zusätzlich zur Wohnung erhalten die Selbstständigen deshalb auch einen kostenlosen Arbeitsraum in einem CoWorking-Space, einer Werkstatt oder einem Atelier.

Probewohnen in Görlitz
Und so sieht eine Probewohnung aus!
Foto: Sarah Hauck IOER Media

Warum sich junge Menschen gegen einen Umzug entscheiden

Einer der Bewerber ist Timo Griegoleit. Der 37-Jährige lebt in Lüneburg und ist Handwerker. Seit dem 7. Januar wohnt er in Görlitz zur Probe. „Ich mag

die Stadt sehr. Sie liegt an der Grenze zu Polen, in der Nähe von Tschechien und bietet mir allein schon wegen der Lage eine unglaubliche kulturelle und wirtschaftliche Vielfalt.“ Eingelebt hatte sich Griegoleit bereits nach den ersten zwei Wochen. Er könnte sich gut vorstellen, nach Görlitz zu ziehen, die Entscheidung hängt allerdings noch von einem weiteren Faktor ab - dem politischen Klima. „Denn es stehen Landtags- sowie Kommunalwahlen vor der Tür. Da ich überzeugt bin, dass Görlitz nicht nur mit der nächstgrößeren deutschen Stadt Dresden sondern stärker mit polnischen und tschechischen Städten zusammenarbeiten muss, wenn es nicht in einer Randlage verkümmern möchte, steht für mich fest, dass sich die Stadt nur dann optimal entwickelt, wenn völkisch nationale Parteien hier nicht erstarken.“

Ein weiteres Manko scheint für Griegoleit die Immobiliensuche zu sein, die schwieriger verläuft als gedacht. Denn es stehen viele Häuser leer, die Griegoleit jedoch nicht in den Onlinebörsen wiederfindet. Trotzdem sieht der 37-Jährige großes Potential für Görlitz. Ob er aber tatsächlich hierherziehen wird, wird sich erst nach den Wahlen am Ende des Jahres herausstellen.

Görlitz wiederum kann mithilfe des Probewohnens die Chance nutzen, die Wünsche der potentiellen Zuzügler kennenzulernen und sich so fit für die Zukunft machen.

Probewohnen Projekt in Görlitz
Sie wollen mehr von unserer Redakteurin Njema lesen? Dann melden Sie sich für unseren Newsletter an! Hier finden Sie neue Projekte, spannende Ideen und starke Kommentare!

Auch von Njema Drammeh