Würzburg
Würzburg war Testfeld für eine Klimastudie.
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Klima-Studie

So heizt die Stadt sich weniger auf

Der Deutsche Wetterdienst warnt für die nächsten Tage vor einer Hitzewelle. Wie sich die Temperatur in der Stadt durch mehr Grün absenken lässt, haben Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) drei Jahre lang untersucht. Am Beispiel der Stadt Würzburg zeigen die Forschenden, wie hoch der Grünflächenanteil sein soll, damit im Sommer kühlere Temperaturen herrschen.
Aktualisiert am 14. Juni 2022

Vor allem in den Städten wird es in den nächsten Tagen knackig heiß, wenn der Wetterdienst Recht behält. Das Problem: Die Straßen heizen sich dort bei hohen Temperaturen mächtig auf. Hitze kann für Menschen gefährlich werden:  Zwischen 2018 und 2020 gab es allein in Berlin und Brandenburg rund 1.400 Hitzetote, wie die Senatsverwaltung für Gesundheit in Berlin jetzt bekannt gab. Hohe Temperaturen sind für Menschen mit Vorerkrankungen, Schwangere, kleine Kinder und alle, die im Freien arbeiten, eine Gefahr. Wissenschaftler der Technischen Universität München haben jetzt erforscht, wie hoch der Grünflächenanteil sein sollte, damit die Temperaturen abkühlen. 

Hitze: Temperatur in der Innenstadt höher

Grüne Infrastruktur kann Städten dabei helfen, sich an den Klimawandel anzupassen, so die Forscher. Sie kann die dort erhöhten Lufttemperaturen und damit den Hitzestress für die Menschen abschwächen. Das Ergebnis der Studie: Auf dem Marktplatz, auf dem kein einziger Baum steht – wurden in Würzburg insgesamt 97 heiße Tage gezählt, an denen es mehr als 30 Grad Celsius hatte. Neun Tage davon lag die sogenannte Feuchtkugeltemperatur – ein Index zum Verständnis der thermischen Belastung – über dem Schwellenwert für extremen Hitzestress von 35 Grad Celsius.

Als Feuchtkugeltemperatur wird die tiefste Temperatur, die sich durch Verdunstungskühlung erreichen lässt, bezeichnet. Der Index wurde aus den meteorologischen und anderen damit verbundenen Variablen der Station berechnet, die direkt im Zentrum des Marktplatzes errichtet wurde. Diese Werte zeigen den Einfluss der Umgebung an, einschließlich der Standortmerkmale wie Gebäude oder Grünflächen.

40 Prozent Grünfläche wirksam

Dagegen gab es an keinem der vorstädtischen Standorte extreme Hitzestresstage. „Unsere Studie hat gezeigt, dass etwa 40 Prozent an Grünflächen in der bebauten Umwelt einschließlich Rasenflächen, Gründächern und begrünten Wänden den extremen Hitzestress im Sommer auf die Hälfte reduzieren könnten, ohne dass sich der Kältestress im Winter erhöht“, fasst Mohammad A. Rahman, Wissenschaftler am Lehrstuhl für Strategie und Management der Landschaftsentwicklung das Ergebnis der Studie zusammen. Und noch eins wurde offensichtlich: Es kommt auf die Art der Begrünung an.

In der Stadt war es im Sommer durchschnittlich um 1,3 Grad heißer als an ländlichen Standorten - und im Winter um 5 Grad Celsius wärmer. „Die Unterschiede wurden durch die Ausprägung der vorherrschenden Flächennutzung, insbesondere die Anzahl der Gebäude, beeinflusst“, sagt Stephan Pauleit, Professor für Strategie und Management der Landschaftsentwicklung an der TUM. 

Warum sind Bäume und weiteres Grün so wichtig? "In heterogenen städtischen Ökosystemen haben Bäume mehrere biophysikalische Funktionen", erläutern die Forscher.  "Erstens sorgen Bäume durch ihre ausgedehnten Baumkronen dafür, dass 90 Prozent weniger kurzwellige Strahlung auf den Boden trifft. Dies ist insbesondere im Sommer der Fall, wenn die Laubbäume in gemäßigten und kalten Klimazonen ihre Blätter tragen. Zweitens kühlen Bäume ihre unmittelbare Umgebung um 1 bis 8 Grad Celsius ab. Durch die Wassermenge, die bei der Nahrungsproduktion der Blätter verloren geht, erhöht sich die relative Luftfeuchtigkeit."

Allerdings, so betonen die Forscher, können Bäume auch negative Auswirkungen haben - etwa, wenn sie die Durchmischung der Luft in engen Straßenschluchten behindern. Schadstoffbelastete Luft in Höhe der Fußgänger könne dann nicht verdünnt und abgeführt werden. Daher raten sie zu mehr großflächigen Grünanlagen: Grasbewuchs reduziere die Wärmestrahlung durch höhere Reflexion im Vergleich zur bebauten Umgebung.

 Grünflächen strategisch planen

„Unsere Ergebnisse stellen die heute in wachsenden Städten zu beobachtende bauliche Nachverdichtung von Innenstädten in Frage" unterstreicht der Wissenschaftler Rahmann. Klimawandelanpassung könne nur gelingen, wenn eine ausreichende Durchgrünung der Stadt sichergestellt sei. Der Rat der Forscher an die Kommunen: Um negative Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit zu vermeiden,sollen Grünflächen strategisch geplant werden. So können sie auch in dichter bebauten Stadtquartieren effektiv Wärmebelastungen vermindern. 

Das Forschungsprojekt Klimaerlebnis Würzburg (TKP01KPB) wurde im Rahmen des Zentrums für Stadtökologie und Klimaanpassung vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz gefördert sowie mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert. Partner des Projekts waren die Stadt Würzburg, die Gemeinde Gerbrunn und das Bayerischen Zentrum für Angewandte Energieforschung e.V. (ZAE).