Hitzeaktionspläne - was geplant ist, wie Kommunen reagieren
Hitzeaktionspläne - was geplant ist, wie Kommunen reagieren
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Hitze-Lockdown?

Wie Kommunen einen Hitzeaktionsplan erstellen können

Die Debatte um Hitzeaktionspläne erhitzt im Moment die Gemüter. Gesundheitsminister Lauterbach will einen nationalen Plan auflegen. In Schleswig-Holstein hat die SPD bereits einen Antrag für einen Hitzelockdown bei Temperaturen ab 35 Grad vorgelegt. Das gesellschaftliche Leben - ob Konzerte oder Sportveranstaltungen müssten dann abgesagt werden. Einige Kommunen haben derweil schon eigene Hitzeaktionspläne beschlossen. Wir zeigen am Beispiel Köln, was das bedeutet und wie die Pläne funktionieren.

Einen Hitzeaktionsplan auf nationaler Ebene will Gesundheitsminister Karl Lauterbach erstellen. Darin enthalten sind etwa Maßnahmen wie eine SMS-Warnung bei Hitze oder die Schulung von Personal in Krankenhäusern und Altenheimen. Besonders umstritten sind Passagen seiner Pläne, wonach auch ein quasi Veranstaltungsverbot bei heißen Temperaturen greifen könnte. Gegner sprechen von einem Hitze-Lockdown. 

Hitzeaktionsplan: Was Schleswig-Holstein plant 

Die SPD in Schleswig-Holstein hat einen Landtagsantrag eingereicht, der bei Temperaturen über 35 Grad nicht nur kostenlose Sonnencreme und Schattenspender, sondern auch Einschränkungen des öffentlichen Lebens vorsieht. Wie das Portal "Nius" berichtet, hat die SPD neben der Einrichtung einer zentralen Koordinierungsstelle für Schleswig-Holstein eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Vorbereitung auf Hitzeereignisse vorgeschlagen. „Bei Temperaturen ab 35 Grad soll das öffentliche Leben eingeschränkt werden, so dass große Veranstaltungen und Sportturniere nicht stattfinden“, heißt es in dem Antrag. Im Klartext: Ein Hitze-Lockdown. 

Der Metereologe Jörg Kachelmann war erst am Wochenende mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach und seinen Hitzeaktionsplänen, die er auf Twitter verbreitete, hart ins Gericht gegangen. Er nannte die Tipps von Lauterbach "aktive Sterbehilfe". Der Gesundheitsminister hatte empfohlen, die Wohnung kühl zu halten, indem Fenster verschlossen und verschattet werden, bis es draußen kühler ist als in der Wohnung. Kachelmann behauptet die Tipps könnten nur von Menschen kommen, die nicht verstehen, dass Temperatur und Ozon abends am schlimmsten sind und die in großen Wohnungen leben, in denen man nicht stirbt, wenn man alles zumacht und atmet.

Twitter-Profil von Jörg Kachelmann
Twitter-Profil von Jörg Kachelmann 

Einige Kommunen haben schon eigene Hitzeaktionspläne 

Schon im Jahr 2017 hatte eine Bund-Länder Arbeitsgruppe unter Führung des Bundesumweltministeriums "Handlungsempfehlungen für Hitzeaktionspläne erstellt. Mehrere größere Städte, darunter Offenbach am Main, Mannheim, Worms, Ludwigshafen und Erfurt sowie Würzburg erstellen seither eigene Hitzeaktionspläne. Auch auf Landesebene gibt es etwa in Hessen und Brandenburg entsprechende Pläne. Bereits im Jahr 2019 hat die Stadt Köln Nägel mit Köpfen gemacht und als erste deutsche Stadt einen Hitzeaktionsplan erstellt. Im folgenden dokumentiert Ihnen unsere Reporterin Anette Lübbers die Entstehung des Plans und welche Auswirkungen er an heißen Tagen wie im Moment hat. 

Köln und der Hitzeaktionsplan  

Das Ziel wurde in der rheinische Metropole 2019 wie folgt formuliert: Die kommunale Verwaltung in Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Forschung in die Lage zu versetzen, auf Hitzeperioden adäquat zu reagieren. Besonders im Fokus: die extremer als andere gefährdeten älteren Bürgerinnen und Bürger. Nach Abschluss der organisatorischen Vorarbeiten wurden in einem ersten Schritt  ältere Menschen in einzelnen Stadtvierteln und Sozialräumen zu ihrem Informationsstand und ihren derzeitigen Verhaltensweisen gefragt.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Seniorenheime erläuterten ihren derzeitigen Maßnahmenkatalog im Falle einer Hitzewelle. Gleichzeitig wurde eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die sogenannte "Hitzeinseln" in der Großstadt aufzeigen sollte. In der letzten Phase wurden Maßnahmen konzipiert, umgesetzt und auf ihre Wirkweise getestet. 

Hitzeaktionsplan: In Köln gehört dazu ein Hitzewarnsystem

Bereits im vergangenen Sommer 2021 wurde in Köln ein Hitzewarnsystem eingeführt. Auf der Website der Stadt Köln konnten sich alle Bürgerinnen und Bürger über entsprechende Warnungen des Deutschen Wetterdienstes informieren, verbunden mit einer zweistufigen Warnung und Tipps zu bestmöglichen Verhaltensweisen im Falle einer Hitzewelle, die ebenfalls über die elektronischen Haltestellenanzeigen der Kölner Verkehrsbetriebe verbreitet wurden. Entstanden ist zudem eine Online-Informationsplattform: "Hitze-Portal Köln". Außerdem erarbeitete die Kommune verschiedene Kommunikationsmittel zum Thema: Trinkflaschen, Fächer, ein Poster mit elf Hitzetipps, ein Musikvideo sowie eine Broschüre "Hitzeknigge". "Insbesondere die Fächer haben sich als ein sehr geeignetes erwiesen, weil zum Beispiel auch Menschen mit Demenz oder mit Sprachbarrieren den Fächer intuitiv nutzen können." Mit der Beteiligung des Gremiums „Runder Tisch Seniorenarbeit“ wurde für die Problematik sensibilisiert und die Weitergabe von Informationen an die Zielgruppe sichergestellt. Nicole Trum: "Im Herbst 2022 wird es dann einen Abschlussbericht zum Hitzeaktionsplan geben. Nach der Auswertung werden die Inhalte schrittweise auf weitere vulnerable Gruppen und möglichst auf die gesamte Bevölkerung ausgeweitet.“

Heiße Sommer als Regelfall: Was bleibt zu tun?

Als wichtige Bausteine für die Zukunft hat die Kommune zudem die Freihaltung von unversiegelten Flächen als Schneisen für kühlende Luftströme in den Fokus genommen, außerdem Wasserrückhalte in Retentionsbecken zur Bewässerung und die Kühlung innerstädtischer Aufenthaltsflächen. Nicole Trum stellt klar: "Die Rolle der Bäume in Großstädten wird immer wichtiger. Gleichzeitig schafft der Klimawandel schlechtere Bedingungen. Wir steuern mit einem umfassenden Baummanagement von der Pflanzung bis zum Altbaum dagegen. Neben einem Bewässerungskonzept, das unter anderem das verstärkte Gießen der Jungbäume bis zum siebten Standjahr vorsieht, werden in Köln zukünftig kontinuierlich auch Pflanzstandards hinterfragt, weiterentwickelt und bestmöglich optimiert."

Temperaturen über 30 Grad? Wohl bald der Normalfall.

Grünflächen: besondere Bedeutung

Aufbauend auf den Vorgaben der Kölner Strategie „Perspektive 2030“ hat der Rat der Stadt Köln im Jahr 2021 zudem die Erarbeitung eines „Masterplan Stadtgrün“ beschlossen. Der Masterplan gilt in Köln als das Schlüsselprojekt für die Umsetzung dieser Strategie. Stadtgrün sei eben nicht nur Erholungsraum für die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch Lebensraum für Tiere und Pflanzen sowie klimatischer Ausgleichsraum und biete Raum für Versickerung und vielfältige Bodenfunktionen. "Köln hat diesbezüglich eine sehr gute Ausgangslage. Das Kölner Grünsystem, unsere grüne Lunge, ist in über 100 Jahren gewachsen und bildet die Grundlage für jede Entwicklung. Der Masterplan Stadtgrün baut auf diesem gewachsenen Grünsystem auf und wird Ansätze für eine dauerhafte Sicherung und Weiterentwicklung aufzeigen. Aktuell findet eine entsprechende gesamtstädtische Analyse statt." 

Zudem werde derzeit in einem Waldlabor erforscht, wie sich der Klimawandels auf verschieden Baumarten auswirkt und wie der Wald der Zukunft aussehen könnte. 

Das Land NRW stellt Fördermittel bereit

Mit den jetzt erforderlichen Maßnahmen will das Land NRW die Kommunen nicht alleine lassen. Zwei Millionen Euro stellt die Regierung für intersektorale Hitzeaktionspläne zur Verfügung, die als Modell für andere Kommunen dienen können. Die Pläne müssen nicht den gesamten städtischen Raum abdecken, sie dürfen auch thematisch und räumlich abgegrenzt beziehungsweise zielgruppenorientiert sein. Ebenfalls gefördert werden Studien in der Planungsphase sowie Beteiligungsverfahren. Das Netzwerk Nachhaltigkeit NRW weist daraufhin, dass im Förderantrag die Handlungsempfehlungen der Arbeitsgruppe Gesundheitliche Anpassung an die Folgen des Klimawandels sowie die Arbeitshilfe zur Entwicklung und Implementierung eines Hitzeaktionsplans für Städte und Kommunen der Hochschule Fulda (Link) berücksichtigt werden sollten. 

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