Autorenlesung für junge Leser in der Bücherei Eching
Anette Roeder eröffnet die Autorenlesung in der Bücherei Eching
© Bücherei Eching

Medienzentren

Tolle Erfolgskonzepte für die Bücherei

Viele Büchereien mussten im Lockdown schließen – gleichzeitig ist die Nachfrage nach Medien und Unterhaltung in vielen Orten hoch wie nie. Büchereien werden dabei immer mehr zu Medienzentren. Wir haben uns in Deutschland umgesehen und gelungene Beispiele für die Zusammenarbeit von Bücherei und Kommune ausfindig gemacht

Im oberfränkischen Gundelsheim ist die Gemeindebücherei seit Sommer 2020 ein echter Hingucker. Zentral gelegen, zieht dort in der Bachstraße 12 nun ein architektonisch spannender Anbau mit Holzlattenverkleidung an einem Bauernhaus die Besucher und Spaziergänger an. Schon seit über 20 Jahren gibt es eine Bücherei in Gundelsheim, lange wurde sie rein ehrenamtlich betreut und immer wieder wechselte sie die Räumlichkeiten. Als 2015 die Flüchtlingskrise das Geschehen im Ort bestimmte, zog die Bücherei damals mangels räumlicher Alternativen kurzerhand ins Rathaus und die Verantwortlichen organisierten die Ausleihe im Sitzungssaal und im alten Bürgermeisterbüro. Eine Notlösung mit Gewinn: „Wir haben damals gemerkt, wie wichtig eine Bücherei ist“, erzählt Bürgermeister Jonas Merzbacher. „Dort herrschte immer Betrieb und die Leute sind gerne ins Rathaus gekommen. Das war definitiv eine Win-Win-Situation, nur der Platz war zu wenig auf die Dauer."

 Bauernhaus wird zum Medienzentrum und zur Bücherei

Die Lösung fand die Gemeinde in einem leerstehenden Bauernhaus im Dorfkern. Es wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, um unter enger Einbindung der Bürger eine möglichst gute bauliche Lösung zu finden. Ziel war es, ein verschiedenartig nutzbares Raumkonzept entwickeln zu lassen: eine attraktive Mischung aus Bücherei mit Aufenthaltsecken und zusätzlichen Flächen, die man je nach Bedarf bespielen kann, wie der Bürgermeister sagt. Der Bau kostete über zwei Millionen Euro, wobei die Städtebauförderung und die Oberfrankenstiftung und der Michelsbund die Kommune stark unterstützen. Erstmals wurde eine hauptamtliche Kraft eingestellt.

Buecherei-Gundelsheim
Erst Bauernhaus- dann mediales Zentrum in Gundelsheim.

Am 1. Juli 2020 eröffnete Gundelsheim das neue mediale Ortszentrum. „Natürlich gab es vorher auch Leute, die gefragt haben, ob es das wirklich braucht“, erzählt Merzbacher. Heute aber sei der Zuspruch enorm und die meisten Bürger seien stolz auf die alte Bücherei im neuen Gewand. Allerdings müsse man dieses Konzept auch offensiv bewerben und die Bürger mitnehmen. „Die Öffentlichkeitsarbeit ist ganz wichtig“, so Merzbacher. „Man muss die Bücherei zum Thema machen – von alleine läuft das nicht“. Ob Jung oder Alt – im besten Falle spricht eine Bücherei Bürger aller Altersklassen gleichermaßen an.

Gemeindebücherei Eching: Erlebnisnachmittagen mit Bücher-Rallye

Die große Chance liegt in der Kooperation mit weiteren kommunalen Institutionen. Die Gemeindebücherei Eching legt einen Fokus auf die jün

geren Leser. Offiziell ausgezeichnet als „Partner der Schulen“, verfolgen die haupt- wie ehrenamtlichen Mitarbeiter unterschiedliche Projekte, die Kinder für das Lesen begeistern sollen. Da ist zum Beispiel die „Aktion Schultüte“, bei der alle  Erstklässler in die Bücherei eingeladen werden, diverse Vorleseaktionen und Autorenlesungen für Schulklassen, kindgerechte Bibliotheksführungen oder Workshops. „Die Aufgabe der Leseförderung ist zentral“, sagt Leiterin Regina Liebl-Mayer. „Wir wollen die Kinder an uns binden – im besten Fall kommen sie dann auch später als Erwachsene zu uns und bringen ihre eigenen Kinder mit“, sagt sie. 

Direkt gegenüber der Mittelschule gelegen, liefert die Echinger Bücherei regelmäßig Bücher in die Schule, stellt den Lehrern Medienpakete zur Verfügung und lädt zu Erlebnis-Nachmittagen mit Bücher-Ralleys ein. „Über die Schule können wir wirklich alle Kinder der Gemeinde erreichen und nicht nur die, bei denen die Eltern sowieso darauf schauen“, sagt Liebl-Mayer. „Die Bücherei ist ein Ort, an dem sie ohne Leistungsdruck sein können und erleben, dass Lesen schlicht schön ist und Spaß macht.“

Regensburg: Bücherei arbeitet eng mit Seniorenheimen

In der Stadtbücherei Regensburg widmet man sich ganz bewusst auch den älteren Lesern und arbeitet  eng mit dem Seniorenamt zusammen, das die Seniorenheime in der Stadt vernetzt.

Melden sich die Heimleiter bei der Bücherei, erhalten sie kostenfrei eine Medienauswahl in einer Box für die Heimbewohner. Mit thematisch abgestimmten Büchern, Medien und Spielen sowie DVDs für Filmabende. Dasselbe kostenlose Medienangebot findet sich auch in der Bücherei. Um die Senioren gezielt zu erreichen, bietet die Bücherei zudem eigens konzipierte Veranstaltungen an, wie spezielle Einführungen in die Benutzung von e-Books. „Die Bücherei ist ein Treffpunkt“, sagt Leiterin Isabelle Kleinknecht.„Man kommt nicht nur zur Ausleihe hierher, sondern auch zur Begegnung. Und das kostet kein Geld – das ist ein wichtiger Punkt. Deshalb ist die Bücherei auch ein wichtiger Ort, um der Einsamkeit im Alter vorzubeugen.“ Zu dieser Funktion wolle man nach der Pandemie unbedingt wieder hinkommen und sie sogar noch verstärken,

wie Kleinknecht sagt. Bis dahin hat die Bücherei ein besonderes Angebot entwickelt: Einen Abholservice mit Einzelterminen für Senioren und gesundheitlich besonders gefährdeten Kunden.

Bücherei Würzburg liefert Medien nach Hause

Auch in Würzburg trotzt man erfolgreich den Widrigkeiten der Corona-Pandemie. Seit vielen Jahren ist die Bücherei hier eine beliebte Institution, doch auch hier mussten im Dezember wieder die Tore schließen. Nachdem die Bücherei erst einen Abholservice durchs Fenster angeboten hat, entstand  die Idee eines Medien-Lieferservices. „Es ging ja ständig hin und her mit den Regelungen“, erzählt Bücherei-Leiterin Martha Maucher. „Da haben wir uns gesagt: Wir jammern nicht, wir warten auch nicht ab, wir liefern.“ Andocken konnten die Bücherei-Mitarbeiter am bereits bewährten System der Radboten, einem flächendeckend organisierten Liefersystem. So konnte die Bücherei auf ein ausgereiftes Portal zurückgreifen und mit „WüLivery“ einen Medien-Lieferdienst ins Leben rufen, der für die Bücherei kostendeckend funktioniert.   300 bis 600 Medien werden pro Tag bestellt.

Bücherservice in Würzburg: Mann bringt Medien per Rad.
Mediennachschub per Rad: WÜLivery



Auch die Stadtbücherei Frankenthal beweist Kreativität in der Corona-Pandemie. Wie Leiterin Christine Wieder berichtet, richtet sie seit Jahren einen stärkeren Fokus auf digitale Medien und Technik, haben viel experimentiert, Gaming Stationen eingerichtet und Coding Roboter installiert. Zudem wurde eine Medienpädagogin eingestellt.

Frankenthal: Teilhabe durch Bücherei

Dieser Erfahrungsschatz war nun Gold wert. „Wir konnten hierauf sehr gut aufbauen. Es war für uns keine Option zu sagen, wir bieten erstmal gar nichts an“, betont Büchereileiterin Wieder.  „Büchereien sind heute Medienzentren. Natürlich haben das gedruckte Wort und das Buch nach wie vor seinen festen Platz in der Bibliothek, aber sie sind eben nur noch ein Teil davon. In der Bücherei geht es um gesellschaftliche Teilhabe und um die Vermittlung von Wissen.“ Bis dies wieder vor Ort möglich sein wird, haben die Büchereimitarbeiter ein vielseitiges Online-Programm erarbeitet - vom  Vorlesewettbewerb über einen Quizabend bis hin zum Argumentationstraining.

Die persönlichen Treffen kann all das aber nicht ersetzen. „Es ist schon verrückt: Bis vor einem Jahr waren wir total darauf fokussiert, die Bücherei zu einem möglichst attraktiven Aufenthaltsort zu machen. Und jetzt ist genau das seit Beginn der Corona-Pandemie das Problem. Das ist nicht schön“, sagt die Bücherei-Leiterin. „Aber es kommen auch wieder andere Zeiten und dann sind wir gerüstet.“



 



 

Fotocredits: Autorenlesung in Eching: ©Bücherei Eching; Medienzentrum Gundelsheim:© Gemeinde Gundelsheim; WÜlivery: ©Stadtbücherei Würzburg