Symbolbild für Whistleblower
Das Bundesgesetz schreibt Meldestellen vor, Missstände sollen dort offen gelegt werden können.
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Neues Gesetz

Kommunen müssen Meldestellen für Whistleblower schaffen

Das neue Hinweisgeberschutzgesetz schreibt Kommunen und Behörden vor, Anlaufstellen für Hinweisgeber von Missständen einzurichten. Wie müssen die neuen Regelungen umgesetzt werden, um rechtskonform zu bleiben? Und was droht, wenn es keine Meldestelle gibt?

Ein Hausbriefkasten bei der Stadtverwaltung Hanau empfängt seit Juli Hinweise von Whistleblowern, die Regel- und Gesetzesverstöße innerhalb der Behörde melden. Dazu zählen beispielsweise Ungereimtheiten bei Vergabeverfahren und Genehmigungen. Zumindest theoretisch. Eingegangen seien bis jetzt noch keine Hinweise, berichtet die Leiterin Zentrale Verwaltung/Recht, Daniela Maier. „Wir waren bemüht, die Meldestelle schnell einzurichten und zugänglich zu machen. Daher haben wir uns entschieden, bis auf Weiteres für potenzielle Hinweise einen postalischen Zugang zu schaffen“, berichtet sie.

Hinweisgeberschutzgesetz: Kommunen in der Pflicht

Hessen ist bundesweit Vorreiter, was das sogenannte Hinweisgebermeldestellengesetz und dessen Umsetzung angeht. Das Landesgesetz ist parallel mit dem Hinweisgeberschutzgesetz des Bundes am 2. Juli 2023 in Kraft getreten. Das wiederum basiert auf einer EU-Richtlinie zum Whistleblowing. Das Bundesgesetz legt fest, dass Personen, die auf Missstände oder Regelverstöße hinweisen, gesetzlich geschützt sind. Hinweise sollen Meldestellen entgegennehmen – das gilt auch für Kommunen und öffentliche  Stellen.

Meldestellen für Whistleblower in Landesgesetzen

Das Bundesgesetz schreibt die Meldestellen vor. Wer sie nicht einrichtet, dem droht ein Bußgeld. Von bis zu 50.000 Euro ist im Gesetzestext zu lesen, so paradox das im kommunalen Kontext erscheint. Die Krux: Welche Anforderungen die Meldestellen im Detail erfüllen müssen, regeln die Landesgesetze. Diese sind jedoch noch nicht in allen Bundesländern verabschiedet. Hessen etwa hat festgelegt, dass eine Meldestelle erst bei Gemeinden und Landkreisen mit mehr als 10.000 Einwohnern und mehr als 50 Beschäftigten betrieben werden muss.

Schonfrist bei Bußgeldern?

„Grundsätzlich gilt das Bundesgesetz zum 2. Juli 2023 direkt und unmittelbar auch für die Kommunen“, bestätigt der Leiter des Instituts für Digitalisierung & Datenschutz, Daniel Sandvoß. Die Bußgeldvorschriften greifen jedoch erst seit 1. Dezember 2023. Basierend auf den Erfahrungen mit der Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung DSGVO werde es eine Art Schonfrist bei den Bußgeldern geben, so Sandvoß. Zudem bestünde gerade bei kleineren Behörden eine erhebliche Rechtsunsicherheit, was die konkrete Umsetzung angeht – solange das Landesgesetz noch auf sich warten lässt.

Briefkasten

Für diejenigen, die bereits loslegen können, gilt: „Entscheidend bei der Einrichtung einer Hinweisgebermeldestelle ist, dass die meldende Person in der Vertraulichkeit geschützt ist“, sagt Sandvoß. Zugelassen sind Hinweise in mündlicher und schriftlicher Form, etwa per Telefon, Brief oder Kurznachricht. Allerdings kommt hier der Datenschutz ins Spiel und damit das Risiko, das mit der Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten verbunden ist.

Hanau setzt auf analogen Meldekanal

Die Stadt Hanau hat sich für einen analogen Meldekanal entschieden. In so einem Fall müssen Kommunen dafür sorgen, dass ein Meldebriefkasten und das Aktensystem gegen unberechtigte Zugriffe geschützt sind. Praktisch heißt das: Der Briefkasten hat einen Eingriffschutz und kann nicht entwendet werden. Bieten kommunale Verwaltungen oder Behörden einen digitalen Meldekanal an, empfiehlt Daniel Sandvoß geschützte Portale, bei denen Meldungen verschlüsselt werden.

Digitales Hinweisgebersystem in Aachen

Auf den digitalen Weg setzt beispielsweise die Stadt Aachen. „Wir haben bereits vor einigen Jahren ein Hinweisgebersystem eingeführt“, sagt die Compliance-Beauftrage Vera Krause. Entstanden ist es innerhalb des Projektes „Vertraulich!“ auf dem Weg zur „Digitalen Modellregion“. Dieses etablierte System gehe über die Themen des aktuellen Hinweisgeberschutzgesetzes hinaus, sagt sie. Neben Meldungen zu Regel- oder Gesetzesverstößen, können sich auch Mitarbeiter melden, denen beispielsweise soziale Konflikte zu schaffen machen.

„Dafür nutzen wir eine elektronische Plattform, die gewährleistet, dass eingegangene Meldungen vertraulich behandelt werden können“, sagt Krause. Als das Portal eingeführt wurde, habe die Stadt bereits den Hinweisgeberschutz nach der EU-Richtlinie berücksichtigt. Deshalb ergeben sich für die Kommune mit dem Hinweisgeberschutzgesetz im Landesrecht aktuell keine Neuerungen, was die Meldestelle angeht.

Verschlüsseltes Meldeportal für Hinweisgeber

In Hanau indes hätte sich Daniela Maier für die Meldestelle konkretere Vorgaben gewünscht. „Das ist häufig das Problem: Gesetzlich sind bestimmte Neuerungen für Kommunen vorgeschrieben – aber wie genau diese umgesetzt werden sollen, müssen die Kommunen dann selbst definieren“, sagt sie. Deshalb könne es sein, dass sie noch nachjustieren müssen. „Im Moment sind wir mit der Hinweisgebermeldestelle gut aufgestellt.“

Neben der Vertraulichkeit, die für Hinweisgeber und Hinweisgeberinnen gewährleistet sein muss, gibt es außerdem Dokumentationspflichten: Die Person, die in einer Meldestelle die Hinweise entgegennimmt, muss die Meldungen dauerhaft, abrufbar und geschützt dokumentieren. „Das lässt sich sehr gut über ein geeignetes elektronisches, verschlüsseltes Meldeportal abbilden“, empfiehlt Sandvoß. Auch müsse sichergestellt sein, dass die Hinweisstellen-Beauftragten unabhängig arbeiten – ähnlich wie Datenschutzbeauftragte dürfen ihnen in ihrem Bereich keine Weisungen erteilt werden.

Kleine Kommunen und das Hinweisgeberschutzgesetz

Doch selbst wenn Kommunen die Anforderungen einhalten und die Meldestelle korrekt einrichten, sei es nicht so einfach, rechtskonform zu bleiben. Das Hinweisgeberschutzgesetz sagt: Der Beschäftigungsgeber muss dafür sorgen, dass Whistleblowern nichts passiert. „Doch wie gewährleistet man, dass es beispielsweise nicht zu versteckten Repressalien kommt? Plötzlich wird man nicht mehr befördert oder es kommt zu einem Eintrag in die Personalakte oder gar zu einer Kündigung“, gibt Sandvoß zu bedenken. „Dieser Schutz ist nach meinem Dafürhalten in der Praxis nur mit peniblem Vertraulichkeitsschutz auch gegenüber den Vorgesetzten umzusetzen“, sagt er. Hier werde gesetzlich etwas gefordert, was in der Realität – gerade auch in kleineren Kommunen – nur schwer einzuhalten sein  wird.

Tipps Meldestellen für Whistleblower