Plastikfreier Einkauf
Plastikfrei einkaufen- dafür wirbt die Gemeinde Roßtal.
© AdobeStock

EU-Verbot

Plastikfrei – diese Gemeinde macht es vor

Viele Einwegplastikprodukte wie Trinkhalme oder Einweg-Geschirr sind seit Anfang Juli 2021 in der EU verboten. Ab nächstem Jahr dürfen Händler auch keine leichten Kunststofftragetaschen mehr an die Kunden geben. Die Gemeinde Roßtal in Franken geht schon längst eigene Wege – mit Erfolg. Lesen Sie auch die neuen und geplanten Regeln!

„Schnell gekauft, schnell weggeworfen - so lief das viele Jahre mit den Plastiktüten“, sagt Bürgermeister Rainer Gegner.  „Als ich Kind war, ist man dagegen noch mit Korb zum Einkaufen gegangen.“ Heute ist das in der Marktgemeinde im Landkreis Fürth wieder so. Die Bürger bringen überwiegend ihre Körbe oder Baumwolltaschen zum Einkaufen mit.

Plastikfrei: Roßtal noch vor neuer EU-Verordnung engagiert

Noch bevor am 3. Juli die neue EU-Verordnung in Kraft trat, die den Plastikverbrauch massiv einschränkt, waren die Roßtaler schon gut vorbereitet. „Alle machen super mit“, freut sich der Bürgermeister. „Vor allem auch die Kinder.“ Sein Fazit: „Der Verzicht auf die Plastiktüte ist kein schwerwiegender Verlust, aber ein beachtlicher Gewinn für Umwelt und Nachhaltigkeit.“

Gigantischer Plastikmülll in den Meeren

Jedes Jahr landen weltweit mehrere Millionen Tonnen Plastikmüll in den Meeren.  Etwa 85 Prozent des Meeresmülls besteht inzwischen aus Kunststoffen. Die Folgen sind verheerend: Fische und Vögel, die viele Plastikteile verschluckt haben, müssen verhungern.

Plastikfreie Gemeinde als Ziel

Roßtal setzt sich schon seit vielen Jahren das Ziel, plastikfreie Gemeinde zu werden.  „Alles begann 2013“, berichtet Michael Brak, ehrenamtlicher Umweltreferent und seit Jahrzehnten Mitglied im Marktgemeinderat.  „Noch vor Einführung des dualen Systems haben wir in Roßtal an einem Samstag im Monat Joghurtbecher gesammelt, um sie recyceln zu lassen. „Aus dem Ergebnis fertige eine Fachfirma Blumentöpfe und Blumenkästen.“ Den Roßtalern gefiel auch immer weniger, wie viele Plastiktüten sinnlos im Umlauf waren. Die Plastikbeutelchen aus der Apotheke vor allem. „Sie sind zu klein, um sie wiederzuverwenden und erfüllen oft nur eine Viertelstunde ihren Zweck“, kritisiert Brak.

Der damalige Roßtaler Bürgermeister und der gesamte Marktgemeinderat waren schnell überzeugt, dass die Gemeinde handeln sollte, erzählt Brak. Seitdem überreichen die kommunalen Vertreter die Geschenke nur noch in einem Baumwollbeutel mit dem Roßtaler Wappen. Das gilt für alle Präsente an Jubilare und Geburtstagskinder. Aus dem Rathaus wurden zudem alle Getränke in Plastikflaschen verbannt.

Kindermarktgemeinderat wirbt für plastikfrei

Eine wichtige Stütze im Kampf gegen den Plastikmüll sind die Roßtaler Kinder. „Unser Kindermarktgemeinderat hat schon viele Aktionen durchgeführt, um Erwachsene, Jugendliche und andere Kinder zu überzeugen“, erzählt der Umweltexperte.

Kinder Roßtal Plastikfreie Gemeinde Aktion
Kinder der Gemeinde Roßtal engagieren sich für die Umwelt.

Wie erfolgreich sie dabei sind, zeigen die Zahlen, die der Kindermarktgemeinderat ermittelt hat. Die Grundschulkinder führen Strichlisten, wie viele Kunden mit einer Plastiktüte aus dem Supermarkt kommen.Hatten bei der ersten Zählung im Jahr 2014 noch 8,3 Prozent der Kunden eine Plastiktüte in der Hand, so waren es bei der jüngsten Zählung 2020 nur noch 4,9 Prozent. Die tatsächliche Quote schätzt der Umweltreferent als noch niedriger ein. „Die Kinder haben die Plastiktüten mitgezählt, die Kunden schon mitgebracht haben und mehrfach verwenden.“

Hatten bei der ersten Zählung im Jahr 2014 noch 8,3 Prozent der Kunden eine Plastiktüte in der Hand, so waren es bei der jüngsten Zählung 2020 nur noch 4,9 Prozent."

Auch der örtliche Handel in der 10.000-Einwohner-Gemeinde zieht mit – und selbst die in Roßtal ansässige Firma für Papier- und Kunststoffverpackungen ist dabei. Das Familienunternehmen mit langer Tradition habe zum Teil auf nachhaltige Produkte umgestellt, sagt Brak. Der Betrieb fertigt auch die Baumwolltaschen für die Gemeinde an.

PlastikfreieTuetenRoßtal
Die Tüten wurden nach einem Malwettbewerb kreativ gestaltet.

Kunstoff-Abfall wächst

Der Kunststoff-Abfall ist so groß wie noch nie: Nach Angaben des Umweltbundesamtes wuchs sie in Deutschland allein zwischen 2015 und 2017 um 3,9 Prozent auf 6,15 Millionen Tonnen. Jede Stunde werden allein rund 320.000 Einweg-Becher für heiße Getränke verbraucht - davon bis zu 140.000 To-go-Becher, so das Bundesumweltministerium. To-go-Becher und Einweg-Behälter aus Styropor dürfen nun in der EU nicht mehr produziert werden.

„Bis das alles jetzt gesetzlich geregt wird, war es ein langer Weg“, sagt Umweltreferent Brack.  Er macht aber Ungereimtheiten aus. „Es gibt Schlupflöcher. So ist zwar leichtes Plastikbesteck verboten, indem man stärkeres Material verwendet, kann es als Mehrwegbesteck in den Umlauf gebracht werden.“  Allerdings lande auch dieses Besteck dann meist nach einmaligem Gebrauch im Müll.

Das sieht die neue EU-Verordnung vor:

  • Zu den Einwegplastikprodukten, die schon jetzt verboten sind, zählen Trinkhalme, Rührstäbchen, Luftballonstäbe oder Einweg-Geschirr aus konventionellem Plastik und aus "Bioplastik".  
  • Erlaubt bleiben weitere Wegwerfprodukte aus oder mit Kunststoff wie Feuchttücher und Zigaretten mit kunststoffhaltigen Filtern oder Wegwerfgetränkebecher. Sie müssen speziell gekennzeichnet werden, mit einer Warnung vor Umweltschäden durch Plastik und Entsorgungsmöglichkeiten versehen werden.
  • Ab 2022 dürfen Händler keine leichten Kunststofftragetaschen mehr an ihre Kundschaft ausgeben. Einweg- oder Mehrwegflaschen müssen besser markiert werden, um Verbraucherinnen und Verbrauchern die Entscheidung zu erleichtern, überflüssiges Plastik zu vermeiden und wiederverwertbare Produkte zu kaufen.
  • Ab 2022 soll die Pfandpflicht für Einweggetränkeflaschen aus Kunststoff (bis zu drei Litern) gelten. Ab 2024 auch für Plastikflaschen mit Milchgetränken. Ab 2025 müssen PET-Einweg-Getränkeflaschen mindestens 25 Prozent Recycling-Plastik, so genanntes Rezyklat, enthalten. Die Bundesregierung hat diese Neuregelungen am 20. Januar 2021 auf den Weg gebracht.
  • Ab 2023 werden Caterer, Lieferdienste und Restaurants verpflichtet, auch Mehrwegbehälter als Alternative zu Einwegbehältern für Essen und Getränke zum Mitnehmen und Bestellen anzubieten. Ausnahmen sind für kleine Betriebe vorgesehen, die ihrer Kundschaft Speisen und Getränke auch in mitgebrachte Behälter abfüllen können. 

Tipps, wie sich Plastik im Alltag vermeiden lässt, gibt das Bundesumweltministerium mit seiner Kampagne „Weniger ist mehr“.

Mit dem Abfallvermeidungsprogramm  von Bund und Ländern werden Ideen und Projekte gefördert, wie sich Müll vermeiden lässt.

Fotocredits: Kinder Marktgemeinde Roßtal Papiertüten: Winkler & Schorn