Symbolbild Risiken Mann auf Seil
Ein Drahtseilakt: Die Energiekrise bedroht die städtischen Haushalte.
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Analysepapier

Die Risiken für die kommunalen Haushalte

Steigende Energiepreise, mehr Geflüchtete, Inflation und eine verminderte Wirtschaftskraft - all das wirkt sich massiv auf die kommunalen Haushalte aus. Die derzeit größten Risiken und wie sie reduziert werden können, zeigt ein Papier des Deutschen Städtetages auf.

"Die prognostizierte Entwicklung der Kommunalhaushalte wird in den kommenden Jahren zu einer dauerhaften nicht gedeckten Unterfinanzierung der kommunalen Ebene führen", warnen Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, und seine ständige Stellvertreterin Verena Göppert. Bereits in diesem Jahr sei mit einem massiven Einbruch des Finanzierungssaldos im Vergleich zu 2021 zu rechnen: Unter dem Strich wird der Finanzierungssaldo um rund 8,5 Milliarden Euro auf ein Defizit von nahezu 6 Milliarden Euro abstürzen und sich auch im Folgejahr 2023 kaum verbessern, sagen sie voraus.

Kommunale Haushalte belastet

Die Kommunalexperten geben zu Bedenken: "Die kommunalen Haushalte müssen nicht nur stagnierende Steuereinnahmen verkraften. Im Finanzierungssystem der Kommunen kommt vor allem den Zuweisungen der Länder einschließlich der  Bundesbeteiligungen an den Kosten der Unterkunft und Heizung sowie an der Grundsicherung eine überragende Bedeutung zu. Deren Herzstück sind zweifelsohne die kommunalen Finanzausgleiche. Die bislang zu erwartenden Zuwächse von 3,5 Prozent können die inflations- und krisenbedingten unvermeidbaren Ausgabensteigerungen nicht auffangen".

Risiko durch Gasmangel

Bis zum Ende des Winters könne niemand mit völliger Sicherheit abschätzen, ob eine Gasmangellage mit allen fatalen ökonomischen Folgen eintritt oder nicht.  Ökonomisches Schreckensszenario sei ein Produktionseinbruch aufgrund von Erdgasmangel, mit allen denkbaren Folgewirkungen des Zusammenbruchs von Wertschöpfungsketten. "Noch kann dieses Risiko nicht ausgeschlossen werden", heißt es in dem Papier. Die Autoren betonen darin: "Auch mit noch so viel Milliarden an öffentlichen Mitteln können nur die Belastungen, die aufgrund hoher Gaspreise entstehen, aufgefangen werden."

Inflation und Rezession als Gefahren

Wegen der faktischen Obergrenzen für den Bezug von Erdgas von neuen Lieferanten bleibe trotz dieser öffentlichen Gelder die zur Verfügung stehende Erdgasmenge gleich. Auch der Inflationsdruck sei bereits jetzt enorm und übersteige das Ausmaß des Energiepreisschocks in den 70er Jahren. "Zusätzliche öffentlich finanzierte Nachfrage, wie sie mittels der verschiedenen Entlastungspakete generiert wird, verstärkt den Inflationsdruck und kann zur Stabilisierung der Wirtschaftsentwicklung daher nur eingeschränkt genutzt werden. All diese Faktoren führen dazu, dass das Krisenmanagement stark erschwert ist", so die Einschätzung.  Bund und Länder seien gefordert, Risiken zu minimieren oder zu übernehmen und sich an Mehrbelastungen zu beteiligen.

Risikovorsorge der Kommunen erschwert

"Das zentrale Risiko, das alle Städte und Gemeinden nahezu gleichermaßen betrifft und von den Städten und Gemeinden praktisch nicht beeinflusst werden kann, ist eine scharfe Rezession, die im  Falle eines gasmangelbedingten Produktionsstopps eintreten würde", stellen die Experten fest. Sofern es in Deutschland dazu kommen sollte, wäre mit einem Rückgang der Steuereinnahmen in weitaus größerem Ausmaß als während der Corona-Krise zu rechnen. Sprunghaft ansteigende Sozialausgaben kämen hinzu. Bei den bereits jetzt als gesichert einzuschätzenden Rückgängen des realen Bruttoinlandsprodukts führt allein die sprunghaft gestiegene Inflation dazu, dass die nomi- nalen Steuereinnahmen im Vergleich zu früheren Erwartungen nicht massiv einbrechen.

Einrichtungen und Vereine unterstützen

Geradezu als „hinterhältig“ bezeichnen sie die Wirkung der Inflation auf die kommunalen Haushalte. Inflation mache sich nicht als klarer „Sprung“ bemerkbar. Es gebe keine wegbrechenden Einnahmen oder sprunghaft steigende Fallzahlen. Aber eine Stadt werde mit den bisher zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr die gleichen Leistungen einkaufen oder bereitstellen können wie in den Vorjahren. Dazu komme, dass zahlreiche Institutionen im Umfeld der Kommunen ebenfalls hart von der Inflation getroffen werden. Sie gehören zwar nicht direkt zu den Kommunen, sind aber finanziell als Auftragnehmer, geförderte Institutionen oder in vergleichbaren Konstellationen direkt von Transfers seitens der Kommune abhängig. Zum Beispiel  freie Träger, Kultureinrichtungen oder Kindertagesstätten. Energiekosten sind auch bei diesen Institutionen oftmals von besonderer Relevanz. Der städtische Haushalt wird für diese Institutionen Mehrbelastungen übernehmen müssen, wenn die Angebote aufrecht erhalten werden sollen.

Große Risiken für die Kommunalhaushalte

  • Inflation und Rezession
  • Drohende Insolvenz von Stadtwerken.  Muss eine Insolvenz eines Stadtwerkes mit kommunalen Mitteln abgewendet werden, wären die Belastungen des jeweiligen kommunalen Haushaltes enorm. Sie wären aus einzelstädtischer Sicht mindestens vergleichbar mit dem Risiko einer scharfen Rezession.
  • Belastungen aus dem immer sehr hohen und nicht kurzfristig reduzierbaren Energiebedarf von Krankenhäusern. Als Folge der Corona-Pandemie sind die Reserven insbesondere  der größeren Krankenhäuser aufgebraucht.
  • Belastungen der städtischen Haushalte durch steigende Energiekosten für ihre eigenen Liegenschaften.
  •  Ungesicherte Flüchtlingsfinanzierung. Der Zuzug von Geflüchteten zieht derzeit wieder an. Es ist wahrscheinlich, dass die Zahl der Flüchtlinge mit Beginn der kalten  Jahreszeit weiter zunehmen wird. Dazu kommen EU-interne Bewegungen von Geflüchteten. Die Städte sorgen für die Unterbringung und Versorgung, sie stellen Kita- und Schulplätze zur Verfügung.
  • Erhöhte Nebenkosten bei Unterkunft und Heizung durch die  steigenden Energiekosten. Hähere Kosten der Unterkunft  überfordern  vor allem finanziell  angeschlagene Städte.

Diese Maßnahmen können  Risiken minimieren

  • Die kommunalen Haushalte dürfen nicht zur Finanzierung von den Entlastungsmaßnahmen herangezogen werden, die vom Bund beschlossen worden sind. Dies gilt insbesondere für die angekündigte Absenkung der Einkommensteuer. Diese Forderung der Städte stellt nicht die Sinnhaftigkeit der von der Koalition beschlossenen Maßnahmen infrage, sondern bezieht sich auf die Finanzierung der Maßnahmen.
  • Wie auch für andere Energieversorger muss für die kommunalen Stadtwerke ein Schutzschirm geschaffen werden. Kommunale  Versorger in Existenznot müssen staatliche Liquiditätshilfen bekommen können. Von der Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, sollten die Unternehmen vorübergehend entbunden werden.
  • Die Krankenhäuser müssen auch in Zeiten hoher Energiepreise kostendeckend arbeiten können. Ihre Finanzierung ist sicherzustellen.
  • Zur kurzfristigen Sicherung der kommunalen Handlungsfähigkeit muss der Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer erhöht werden.
  • Vergleichbar mit den Regelungen in den Jahren 2015/2016 fordert der Deutsche Städtetag eine vollständige Übernahme der Kosten der Unterkunft ukrainischer Flüchtlinge durch den Bund.
  • Klimaschutz und Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern erfordern umfangreiche und aufwändige Investitionen, auch seitens der Kommunen. Der Handlungsdruck ist angesichts der Lage auf den Energiemärkten nochmals gestiegen. Die Städte bekräftigen ihre Forderung nach der Bereitstellung von Bundes- und Landesmitteln zur Schaffung kommunaler Klimaschutzbudgets.

Das Papier: