Hände vor Farben der Ukraine
Zusammenhalten in schweren Zeiten - Städtepartnerschaften in Zeiten des Krieges.
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Ukraine-Hilfe

Städtepartnerschaft: Dreimal täglich in Kontakt

Dreimal täglich schreiben die Verwaltungsmitarbeiter in Gudensberg und dem ukrainischen Schtschyrez per WhatApp miteinander. Hauptakteurin der Städtepartnerschaft ist die ukrainische Rathausmitarbeiterin Iryna Mykytka – auch, weil sie perfekt Deutsch spricht. Wir haben sie getroffen.

Der wahre Wert einer Freundschaft zeigt sich erst in der Krise. Dann wird offenbar, was wirklich trägt, wenn sonstige Gewissheiten wegbrechen. Dies gilt auch für die Freundschaft zwischen Kommunen. Die Städtepartnerschaft zwischen Gudensberg und dem ukrainischen Schtschyrez existiert seit dem Jahr 2016 und war von Beginn an sehr lebendig. So haben sich über zahlreiche Begegnungen hinaus in nur kurzer Zeit konkrete Projekte aus dieser Partnerschaft entwickelt, etwa der Aufbau einer freiwilligen Feuerwehr und der Bau eines Abwasserkanals. Eine der Schlüsselfiguren dieser Städtepartnerschaft ist die ukrainische Verwaltungsmitarbeiterin Iryna Mykytka, die dank ihrer exzellenten Deutsch-Kenntnisse als Dolmetscherin bei allen zentralen Gesprächen mit dabei gewesen ist. 1962 in Schtschyrez geboren, hat Mykytka in Lemberg Germanistik studiert und später selbst an der dortigen Universität Wirtschaftsdeutsch unterrichtet. Seit mittlerweile drei Jahren arbeitet sie nun in ihrer Geburtsstadt. Die 60-Jährige ist eine tatkräftige Frau mit positiver Ausstrahlung, die nun angesichts des Krieges mehr denn je involviert ist in den Austausch zwischen Deutschland und der Ukraine. Denn obwohl alle geplanten Projekte durch den Kriegseinbruch zwangsläufig auf Eis liegen, ist der Zusammenhalt zwischen den Partnerstädten so intensiv wie nie zuvor.

Regelmäßig in Kontakt



Wir erreichen Iryna Mykytka im Rathaus von Schtschyretz an der Seite des Bürgermeisters Oleh Vasylyshyn. In Deutsch schildert sie die aktuelle Lage. „Bei uns ist es ruhig – im Rahmen der Verhältnisse“, sagt sie. Bislang ist der Ort nicht direkt von den russischen Angriffen betroffen, doch nur 18 Kilometer von Lemberg entfernt, ist der Krieg omnipräsent in Schtschyretz. In den Schulen läuft ausschließlich Distanzunterricht, fast 300 Männer des Ortes kämpfen als Soldaten an der Front und etliche Mütter mit kleinen Kindern sind geflohen. Zudem ist Schtschyretz selbst zum Zufluchtsort für Flüchtlinge geworden. Zahlreiche Flüchtlinge aus der Ukraine landen hier, viele bleiben länger. Über 1000 Menschen sind seit Kriegsbeginn angekommen – das entspricht einem Zehntel der Gesamtbevölkerung der Stadt. Laut Mykytka sind Stand Mai 160 Menschen in sieben kommunalen Notunterkünften untergebracht, außerdem haben 500 Menschen in privaten Häusern Unterschlupf gefunden. Diese Menschen gilt es zu versorgen, mit Lebensmitteln, Medikamenten und Ausrüstung. Hierbei bekommen die Mitarbeiter in Schtschyretz verlässliche Unterstützung aus Gudensberg, wo die Verwaltung und der Partnerschaftsverein eng zusammenarbeiten.

25 Hilfstransporte wurden seit März an die ukrainische Grenze geschickt, beladen mit Lebensmitteln und Medikamenten ebenso wie mit Luftmatratzen und warmen Decken, medizinischen Geräten, Stiefeln, Powerbanks und Notstromaggregaten. Selbst Elektroherde und Waschmaschinen wurden zwischenzeitlich geliefert. Die genaue Absprache zwischen den kommunalen Partnern erfolgt auf digitalem Wege. „Wir sind jeden Tag dreimal mit den deutschen Partnern per Whatsapp in Kontakt, außerdem haben wir zwei Videokonferenzen pro Woche“, erzählt Mykytka.

Iryna Mykytka
Iryna Mykytka und Maximilian Fröhlich, ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung Gudensberg, bei der Jugendbegegnung der Partnerstädte 2018.



 

Kurz nach Kriegsbeginn war sie für einen guten Monat selbst in Gudensberg. Sie hatte ihre Tochter und Enkelin auf der Flucht nach Deutschland begleitet und dann von der Partnerstadt aus gedolmetscht, mit den Mitarbeitern ihrer Stadt die Bedarfslisten erstellt und mit dem Gudensberger Partnerschaftsverein die Transporte organisiert. Mittlerweile ist sie wieder nach Schtschyretz zurückgekehrt und koordiniert von dort aus die Versorgung der Flüchtlinge und die Bedarfsabstimmung für die Transporte. „Man braucht mich hier, es gibt sehr viel zu tun“, sagt Mykytka, und teilweise sei der bürokratische Aufwand hoch, etwa wenn es darum geht, dass die Fahrer der Transporte über die Grenze dürfen, um die Hilfsgüter in Empfang zu nehmen. An normale Verwaltungsarbeit ist in Zeiten wie diesen kaum zu denken in der ukrainischen Kleinstadt. „Seit Februar herrscht hier der Ausnahmezustand“, so Mykytka. Das heißt in der Praxis: Gelder wurden eingefroren und kommunale Ausgaben beispielsweise für Bauprojekte sind aktuell nicht möglich.

Verlässliche Städtepartnerschaft

Als umso wichtiger erleben die Bürger von Schtschyretz die Hilfen durch ihre Partnerstadt. „Wir hätten nicht für möglich gehalten, wie intensiv und großartig diese Partnerschaft trägt. Schon in Friedenszeiten waren die Verbindungen sehr gut, jetzt in Kriegszeiten zeigt sich ganz deutlich, wie sehr wir uns auf unsere deutschen Partner verlassen können. Das ist fantastisch“, sagt Mykytka. Die Gudensberger Kollegen hätten ihnen fest zugesichert, weiter an ihrer Seite zu stehen, ganz gleich wie lange der Krieg dauere. Dabei gilt es, Güter von höchstem Wert zu verteidigen. So sagt Mykytka entschlossen: „Wir haben 30 Jahre lang als Land die Unabhängigkeit erlebt und in dieser Zeit gelernt, wie gut es ist, in Freiheit und in Frieden zu leben. Das wollen wir auf keinen Fall aufgeben.