Neues Stadtviertel
„Sharing is fun! – Vom Rückzugsort zur Hausgemeinschaft“ konnte den ersten Platz gewinnen und das neue Stadtviertel mitprägen
© CRKS Architekten via Wohnungsbaugesellschaft Coburg

Stadtentwicklung

Wohnkonzepte für junge Menschen

Urbanes Lebensgefühl auf dem Land – so lässt sich der Wunsch vieler junger Menschen an das Wohnen von heute beschreiben. Das stellt Stadtplaner vor Herausforderungen, zumal die Ansprüche andere sind als in früheren Generationen. Vier Kommunen haben sich sehr unterschiedliche Gedanken dazu gemacht – wir stellen sie vor!

Junge Menschen fühlen sich vor allem dort wohl, wo schon andere junge Menschen sind. Auf diese Weise entstehen sogenannte Schwarmstädte. Nicht nur in Studentenstädten ist das zu erleben. Auch kleine Gemeinden und Städte können von dem Effekt profitieren. So hat die bayerische Stadt Coburg ein ganz neues Viertel mit ihrer Wohnungsbaugesellschaft konzipiert. Um ein attraktives Angebot zu schaffen, hat sich die 41.000 Einwohner zählende Kommune besondere Hilfe bei der Zielgruppe gesucht. Der gesamte Stadtentwicklungsprozess ist durch mehrere Bachelorarbeiten des Studiengangs Architektur an der Hochschule Coburg begleitet worden.

Wohnen für alle jungen Leute

Doch nicht nur Studenten selbst sollten Teil der Forschung werden. „In einem zweitägigen Workshop mit den neunten Klassen eines örtlichen Gymnasiums haben wir den Prozess begleitet. Und an einem weiteren Gymnasium wurden die Planungen durch ein zwei Jahre währendes Praxisseminar zum Thema Stadtentwicklung flankiert", erklärt Nina Thumerer von der Wohnbau Stadt Coburg. Junge Architektenverbände, Start-Ups sowie lokale Vereine wurden in die Ideenfindung eingebunden und flossen in die Ausschreibungskriterien ein. „Diese Form der Mitgestaltung durch eine ganze Generation von Stadtbewohnern ist wohl einzigartig“, so Thumerer.

Fördergeld setzt falsche Rahmenbedingungen beim Wohnraum

Ein Hemmschuh für derartige Projekte sind die unpassenden Fördergelder. Auszubildende, einfach nur junge Angestellte und Schüler, sind meist nicht in den Förderkritrien von Bund und Ländern enthalten. Nina Thumerer berichtet, dass es für die kommunale Wohnungsbaugesellschaft jedoch wichtig ist, Fördermittel in Anspruch zu nehmen. Die Lösung lag in einer Förderung durch die Bezirksregierung. Für die jungen Menschen geht das junge Leben weiter als das reine Wohnen. Nina Thumerer bemerkt dazu: „In unseren Beteiligungsformaten stellten sich besonders die Themen Nachhaltigkeit, Gemeinschaft und das Ankommen in einer – in unserer – Stadt als wichtig heraus.“ Um auch neue Menschen ankommen zu lassen, werden zwei Stadtviertel entwickelt und günstig vermietet, damit sich etwas Neues ansiedeln kann. In einem ersten Schritt wurden sanierungsbedürftige Gebäude identifiziert und erworben. Um die Gegend attraktiver zu gestalten, sollen gezielt junge Menschen angelockt werden. Gewerbeflächen, die günstig vermietet werden, neue urbane Wohnformen in historischen Gebäuden und neuen Bauten.

Vor ähnlichen Herausforderungen steht die knapp 10.000 Einwohner zählende Stadt Herbholzhein im Landkreis Emmendingen. Sie ist eine von sechs Gemeinden in Baden-Württemberg, die am dortigen Projekt „Junges Wohnen“ teilnimmt. Die Idee hier: Wohngemeinschaften in einem Pfarrhof. „In ganz Südbaden haben wir knappen Wohnraum. Wir waren deshalb auf der Suche nach neuen Lösungen“, sagt Leanna Muth, Mitarbeiterin der Wirtschafts- und Tourismusförderung der Stadt Herbolzheim.

Lebendige Stadtteile dank junger Menschen

Die Gemeinde sieht großes Potential im Ort, liegt sie doch zwischen den Hochschulstandorten Offenburg und Freiburg.  „Es handelt sich um einen Stadtteil mit typischem Dorfcharakter“, sagt Leanna Muth. Der Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl der Menschen sei hier wichtig, aber an der Infrastruktur fehle es. Gleichzeitig hätten die Kirchen immer größere Schwierigkeiten, ihre Objekte zu halten. „Das Projekt bietet den jungen Leuten also nicht nur günstigen Wohnraum, sondern könnte den Stadtteil wieder lebendiger und attraktiver machen“, so das Kalkül von Leanna Muth.

„Wer nicht gerade ein Einfamilienhaus bauen will, hat auf dem Land wenig Möglichkeiten“. Dieses Problem sieht Diana Kunz, Bürgermeisterin von Zaberfeld. „Viele junge Menschen haben mich im Wahlkampf darauf angesprochen, dass sie keinen geeigneten Wohnraum finden – und gleichzeitig gibt es viele Leerstände“, sagt Kunz. Das Projekt, das sie gerade plant, erlaube es, die beiden Missstände gleichzeitig anzugehen. In Zaberfeld wurden mehrere Objekte ins Auge gefasst, unter anderem ein größeres Haus mit leerstehendem Schreibwarengeschäft im Erdgeschoss und eine alte Scheune, deren Eigentümer einen Abriss plant.

Genug Interessenten

Interessenten, die nach Wohnraum suchten, gebe es genügend, sagt Diana Kunz, von Grundschul-Referendarinnen bis zu Auszubildenden des Seniorenstifts. Ob es in Zaberfeld allerdings auch einen Markt für innovatives Wohnen gebe, wisse sie noch nicht. Das werde ein Workshop zeigen, den man zusammen mit Jugendlichen durchführe. „Am Bedarf vorbeiplanen wollen wir natürlich auch nicht“, sagt sie.

Und auch anderswo in Europa treiben die Stadtplaner ähnliche Gedanken um, etwa im finnischen Helsinki. Die Hauptstadt des Landes der tausend Seen lässt nämlich ein neues Viertel mit einem Konzept entstehen, welches sich vor allem an junge mittelständische Familien richtet. In der Metropole ziehen – wie auch anderswo – immer mehr Familien mit Kindern ins Umland. Doch die Stadt möchte Teile dieser gesellschaftlichen Gruppe weiter auch bei sich haben und macht ein Angebot. Im neuen Stadtteil Jätkäsaari können Familien Wohnungen kaufen, ohne einen Kredit aufnehmen zu müssen. Familien müssen lediglich 15 Prozent des Kaufpreises einer Wohnung aufbringen. Den Rest zahlen die Wohnungsbesitzer dann als Miete, ähnlich dem Prinzip des Mietkaufs. Und auch dabei bleiben die jungen Menschen flexibel, da sie die geleistete Anzahlung bei einem Auszug jederzeit zurückbekommen.

Fotocredits: CRKS Architekten