Viele Kommunen sind sogar zu arm, um Fördergelder in Anspruch nehmen zu können - was tun? Einige Bürgermeister berichten, wie sie mit der Situation umgehen
Viele Kommunen sind sogar zu arm, um Fördergelder in Anspruch nehmen zu können - was tun? Einige Bürgermeister berichten, wie sie mit der Situation umgehen

klamme Kommunen

Zu arm für Fördergelder

Immer mehr Kommunen nehmen nur noch Projekte in Angriff, für die es gerade Fördergelder gibt. Das sorgt oft für Unmut in der Bevölkerung. Doch was tun, wenn selbst für Fördermittel die Gelder für den Eigenanteil fehlen? KOMMUNAL auf der Suche nach Antworten.

„Wir müssen unsere Investitionen danach ausrichten, wo es Fördergelder gibt – was nicht immer mit dem einhergeht, was eigentlich am Notwendigsten wäre.“ Der Oberbürgermeister von Frankfurt an der Oder, René Wilke, nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um die Situation seiner Stadt geht. Denn die rund 58.000 Einwohner zählende Universitäts- und Hansestadt, die durch ihre Grenzlage auch das deutsche Tor nach Osteuropa bildet, ist hoch verschuldet. Schon seit Jahren befindet man sich in der Haushaltssicherung.

Finanzielle Situation der Kommunen

Was konkret bedeutet, dass die Stadt im vergangenen Jahr rund zwei Millionen Euro Eigenmittel für investive Maßnahmen zur Verfügung hatte, denen 110 Millionen Euro Reparaturrückstau gegenüberstanden. „Jeden einzelnen Euro müssen wir deswegen durch Fördermittel veredeln“, sagt Wilke. In der Kommunikation mit der Bevölkerung sei das nicht immer hilfreich: Denn die Bürger würden oftmals andere Maßnahmen einfach für dringender halten, als jene, die nun zufällig durch Fördermittel gefördert werden könnten. Dazu kommt ein anderes Problem: So sehr Frankfurt (Oder) auch auf Fördergelder angewiesen ist: Manchmal ist die Stadt auch schlicht zu arm, um sich an einem lukrativen Programm beteiligen zu können. Dann reicht das Geld nicht für den Eigenanteil. Vor einem halben Jahr hat die Stadt deswegen Sonderhilfszuweisungen des Landes beantragt. „Wenn wir die rund 900.000 Euro nicht bekommen, dann gehen uns auch alle Fördermittel verloren, die wir damit akquirieren könnten“, sagt Wilke. „So kommt es, dass wir längst nicht alle Förderprogramme ausschöpfen können, die wir eigentlich ausnutzen wollen.“

Warum die Fördergelder die Situation sogar noch verschärft haben 

Frankfurt an der Oder ist mit diesen Sorgen bei Weitem nicht alleine. „Den Kommunen insgesamt geht es heute zwar so gut wie schon lange nicht mehr“, sagt Rene Geissler, Experte für kommunale Fördermittel bei der Bertelsmann-Stiftung. „Und selbst Städte wie Gelsenkirchen oder Duisburg haben in ihren Haushalten wieder ein Plus erreicht.“ Aber dennoch gebe es in ganz Deutschland noch eine ganze Reihe von Städten und Gemeinden, die finanzschwach sind oder sich gar in der Haushaltssicherung befinden. Im Ergebnis heißt das: Viele Städte haben die zehn Prozent Eigenanteil nicht, die nötig sind, um an einem Förderprogramm teilzunehmen. Das führt in vielen Kommunen zu einer paradoxen Situation: Reiche Städte können so viele Fördermittel beantragen, wie nur irgendmöglich – sie werden also durch die Förderprogrammen noch stärker und noch besser ausgestattet. „Die Förderprogramme der letzten Jahre haben die Disparität im Investitionsverhalten der Kommunen sogar verstärkt“, sagt Geissler. Viel hänge dabei an den jeweiligen Aufsichtsbehörden, die bei den Kommunen, die sich in einer Krise befänden, sehr genau prüften, was sich eine Kommune nach ihrer Meinung leisten könne. Das kann dann dazu führen, dass sinnvolle und hochwirtschaftliche Investitionen untersagt werden, weil die Städte keine zusätzlichen Kredite aufnehmen dürfen. 

15 Milliarden Euro an Fördergeldern wurden im Jahr 2019 nicht abgerufen. Vor allem in den Bereichen Klimaschutz, Schulen und Straßen

Es fehlen Lotsen durch den Dschungel der Fördergelder 

Zudem ist da das Personalproblem: Reiche Städte haben eine viel leistungsfähigere Verwaltung als arme Kommunen, die oft auch bei den Personalkosten einsparen mussten. Förderanträge sind mittlerweile sehr komplex. Ein Beispiel: Die Richtlinie für Vergaben im Bauwesen des Landes Brandenburg. Sie umfasst 137 Seiten. Aus Sicht vieler Bürgermeister ist das nicht nur viel zu kompliziert sondern vor allem auch zu bürokratisch. „Wir können uns diese Komplexität nicht mehr leisten, weil wir das Personal dafür nicht mehr haben“, so der Oberbürgermeister von Frankfurt Oder. „Für Fördermittel braucht man Leute, die sich so in das Thema hereinfuchsen, dass sie sich Expertise erarbeiten“. Dann halte sich der personelle Aufwand in einem Rahmen, dass es sich lohne, die Gelder zu beantragen. „Wenn man die Expertise nicht hat, oder die Person neu aufbauen muss, dann steht man vor einem sehr ernsthaften Problem.“ Denn bis sich jemand in die Förderbürokratie eingearbeitet habe - „ das dauert.“

Die Kosten für die Erstellung eines Förderantrags müssen die Kommunen übrigens aus eigenen Mitteln vorstrecken. „Es fällt regelmäßig schwer, die Eigenanteile angesichts der Haushaltslage aufzubringen“, sagt der Stadtsprecher der ähnlich wie Frankfurt zu den „finanzschwachen Kommunen“ zählenden kreisfreien Stadt Cottbus, Jan Gloßmann. „Hinzu kommt, dass für die Antragstellung oftmals Vor- oder schon Entwurfsplanungen vorliegen müssen, um die Anträge entsprechend zu untersetzen und zu begründen.“ Diese Planungsphasen müssten mit Eigenmitteln vorfinanziert werden. „Können die Eigenmittel nicht bereitgestellt werden, kann auch die Planung nicht begonnen werden – so schwindet möglicherweise die Aussicht auf Fördermittel.“

Der Oberbürgermeister von Frankfurt/Oder Rene Wilke
Der Oberbürgermeister von Frankfurt/Oder Rene Wilke 

Doch auch wenn die Fördermittel einmal bewilligt sind, haben viele Kommunen weiter Probleme. Denn es wird immer schwerer, Firmen zu finden, die bereit sind, die Arbeiten auszuführen. In Frankfurt an der Oder werden manche Aufgaben mittlerweile vom städtischen Bauhof erledigt, weil externe Dienstleister nicht mehr aufzutreiben seien, berichtet Wilke. „Wir haben nicht genug Tiefbaufirmen, die in der Lage sind, unsere Gehwege zu sanieren.“ Das Problem kennt auch Bertelsmann-Experte Geissler: „Die Baubranche ist deutschlandweit überlastet, oft meldet sich keiner mehr auf eine Ausschreibung.“ Dazu gebe es auch Fachkräftemangel in den Kommunalverwaltungen. Zum Beispiel, wenn es um Bauplanungen geht. „Die Jahrgänge, die jetzt auf den Arbeitsmarkt kommen, sind zu klein – und die Kommunen konkurrieren mit der freien Wirtschaft um hochqualifizierte Arbeitnehmer.“ 

Diesen Ausweg schlagen Experten vor

Welche Lösungen es für die Kommunen beim Thema Fördermittel gibt ? Jens Graf, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg, plädiert dafür, dass das Land bei der Ausschreibung von Förderprogrammen stärker auf die Situation in Not geratener Kommunen achten solle. Ihre Eigenanteile sollten geringer ausfallen, damit es den Gemeinden leichter fällt, an Förderprogrammen teilzunehmen. Zudem sollten Fördervoraussetzungen weniger komplex gestaltet werden. „Es gibt Fälle, wo Leute keine Anträge mehr stellen, weil die Anforderungen so komplex sind, dass die rechtlichen Risiken von Nachprüfungen viel zu hoch sind“, sagt Graf, der sich nachdrücklich für „bürokratiearme Förderprogramme“ ausspricht. „Was dagegen nicht helfen würde, sind einfach noch größere Fördertöpfe“, ergänzt Geissler. „Denn das würde die Probleme mangelnder Eigenmittel und von fehlendem Verwaltungspersonal nicht lösen.“ Er spricht sich für eine Mischung aus mehreren Wegen aus: „Ein Weg wäre es, statt kurzfristiger Fördertöpfe das Geld in eine bessere Grundfinanzierung der Kommunen zu stecken. Dann kommen die Krisenkommunen vielleicht auch aus der Krise heraus, und die finanzschwachen Städte und Gemeinden wären weniger finanzschwach.“ Und auch die Förderbürokratie würde auf diese Weise wohl entfallen. Allerdings, räumt Geissler ein, würde das am Ende natürlich dem Bund und den Ländern auch Steuerungsmöglichkeiten nehmen. Denn mit Fördergeldern kann der Staat eben auch regeln, welche Neubauten in Kommunen zum Beispiel prioritär entstehen sollen. „Ein besserer Weg wäre es deswegen vermutlich wirklich, die Förderverfahren zu vereinfachen und die Gelder etwa nach Köpfen pauschal zu verteilen“, sagt Geissler. Denn das würde Personal einsparen - und damit letztlich dann auch dafür sorgen, dass sich auch finanzschwache Kommunen öffentliche Fördergelder wieder leisten könnten.