EXKLUSIV-Umfrage zur Corona-Krise unter fast 2000 Bürgermeistern zeigt zahlreiche Probleme offen auf!
Die EXKLUSIV-Umfrage zur Corona-Krise unter fast 2000 Bürgermeistern legt zahlreiche Probleme offen!
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Forsa-Exklusiv-Umfrage

So empfinden Deutschlands Bürgermeister die Corona-Krise

Beleidigungen, Anfeindungen, Umgang mit Corona-Leugnern und immer wieder die Sorgen der Bürger vor allem wegen der fehlenden Kinderbetreuung. Und als wenn das noch nicht genug wäre, rückt auch die wirtschaftliche und finanzielle Situation der eigenen Kommune wieder in den Mittelpunkt. KOMMUNAL-EXKLUSIV: Die große Forsa-Umfrage unter 1856 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern zu den aktuellen Herausforderungen in der Corona-Pandemie.

Die Corona-Krise hält auch Deutschlands Bürgermeisterinnen und Bürgermeister weiter fest im Griff. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat exklusiv für KOMMUNAL fast 2000 Bürgermeister zur aktuellen Situation befragt. Die Ergebnisse sind teils erschreckend. Im Zuge der Corona-Krise haben Beleidigungen und Anfeindungen gegenüber Mitarbeitern der Verwaltung weiter zugenommen. Seit Jahren stellen wir in unseren jährlichen Umfragen zu Hass und Gewalt gegenüber der Verwaltung eine deutliche Zunahme fest. Die jüngste Umfrage stammt aus dem März vergangenen Jahres, wonach 64 Prozent der deutschen Rathäuser damals betroffen waren. HIER finden Sie noch einmal die damaligen Zahlen. 

Corona-Krise hat Zahl der Anfeindungen deutlich in die Höhe schnellen lassen 

Doch jetzt hat dieser Wert noch einmal deutlich zugenommen. Wegen der Corona-Krise sagen nun 27 Prozent der Stadtoberhäupter, dass Beleidigungen und Anfeindungen weiter zugenommen haben. Im ländlichen Raum ist die Zunahme demnach nicht so stark wie in den Großstädten. In Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern berichten 42 Prozent der Bürgermeister von einer Zunahme der Beleidigungen im Rahmen der Corona-Krise. Hinter den nackten Zahlen stecken schockierende Einzelschicksale. Mutig hat etwa der Bürgermeister von Dormagen, Erik Lierenfeld, mit uns von KOMMUNAL über seine Situation gesprochen. Er erhielt bereits diverse Morddrohungen im Zusammenhang mit der Corona-Krise. "Ich bekam Hassmails und Anrufe auch auf dem Handy aus der ganzen Republik. Es waren sogar Morddrohungen dabei", erzählt er uns. "Aggression und Gewaltbereitschaft haben in der Corona-Krise definitiv zugenommen", bestätigt Lierenfeld. "Der Staat greift in der Leben der Menschen ein - dass das nicht immer hingenommen wird, ist nachvollziehbar. Meine Mitarbeiter und ich erleben aber massive Bedrohungen und Beleidigungen."

Corona-Krise

Beleidigungen in deutschen Regionen sehr unterschiedlich ausgeprägt 

Auffallend bei der Umfrage unter knapp 2000 Bürgermeistern ist die regionale Verteilung beim Thema Hass und Gewalt. In Norddeutschland (Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen) und in Mitteldeutschland (NRW, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland) hat sie deutlich weniger zugenommen als in den ostdeutschen Bundesländern. Aber auch im Süden hat sich die Zahl der Beleidigungen deutlich erhöht. Bayern und Baden-Württemberg melden hier deutlich gestiegene Zahlen. Zur Einordnung muss man aber dazu wissen, dass bei unserer letzten Umfrage zum Thema Gewalt gegen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister vor allem Bayern unter dem deutschen Durchschnitt lag, es hier also deutlich weniger Probleme gab. Insofern eine relative Zunahme im Rahmen der Corona-Krise, die alarmieren muss. 

Corona-Krise

Kinderbetreuung ist zum Hauptproblem in der Corona-Krise geworden 

Trotz dieser erschreckenden Zahlen ist die eigene Situation nicht das Hauptproblem, das die Bürgermeister in Deutschland umtreibt. Forsa hat im Auftrag von KOMMUNAL die fast 2000 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nach den fünf größten Problemen der Bürger in ihrer Kommune befragt. Mit großem Abstand rangiert das Thema "Probleme bei der Kinderbetreuung" auf Platz 1. Das Thema ist nahezu flächendeckend präsent, 80 Prozent der Befragten sagen, dass  die Bürger ihrer Kommune darin eines der Hauptprobleme sehen. Spannend ist hier auch der Vergleich zu unserer ersten Umfrage im ersten Lockdown im Frühjahr vergangenen Jahres. Damals nannten 58 Prozent der Befragten die Probleme bei der Kinderbetreuung eines der Hauptprobleme. Im Rahmen der Umfrage haben wir etwa bei Ute Seifried, der Bürgermeisterin von Singen in Baden-Württemberg nachgefragt. Sie sagte uns: "Die Entscheidung, wer in die Kita darf und wer nicht, stellt eine arge Belastung dar".

Neu in den Fokus gerückt ist in diesem Jahr die Impfsituation. Immer mehr Bürger wenden sich mit Fragen an die Verwaltung. Mit 60 Prozent der Nennungen (Mehrfachnennungen waren möglich) rangiert das Thema aktuell bei der Frage nach den größten Herausforderungen der Bürgermeister auf Platz 2. Es löst damit auf Platz 2 die Soge um finanzielle Hilfen ab. Im ersten Lockdown war die Sorge um die Finanzen der örtlichen Unternehmen und Soloselbstständigen mit 57 Prozent faktisch gleichauf mit dem Problem der Kinderbetreuung das Hauptproblem. Aktuell nennen noch 41 Prozent der Bürgermeister das Thema als eines der Top 5 Herausforderungen, mit denen sich die Bürger an sie wenden.  

Ähnlich präsent wie im ersten Lockdown ist die Sorge um geschlossene Geschäfte, deutlich an Bedeutung gewonnen haben derweil die Folgen durch die "Einschränkung der Bewegungsfreiheit". 

Corona-Krise

In der Verwaltung selbst rücken die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise in den Mittelpunkt 

Und welche Herausforderungen sehen die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister selbst? Seit einigen Jahren ist in allen Umfragen, die KOMMUNAL gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa durchgeführt hat, das Thema Finanzen immer weiter in den Hintergrund gerückt. Die gute wirtschaftliche Gesamtlage hatte zumindest die aktuellen Sorgen um die Finanzen verdrängt. Einzig das Thema Altschulden war weiter präsent. 

Das hat sich in der Corona-Krise nun dramatisch verändert. Im ersten Lockdown nannten 15 Prozent der Bürgermeister das Thema "Wirtschaftliche/finanzielle Folgen" als eines der Hauptprobleme. Auf Platz 1 stand damals die Frage, wie sie ihre Verwaltung aufrecht erhalten können. Das Thema ist inzwischen mit "nur noch" 10 Prozent in den Hintergrund gerückt (im März 2020 waren es 21%) dafür steht das Thema Finanzen für 21% der Bürgermeister nun an oberster Stelle (im März 2020 waren es 15%). Deutlich zugenommen hat auch hier die Sorge um die Notbetreuung der Kinder. 16 Prozent sehen hier inzwischen eines der Hauptprobleme für ihre Verwaltung, fast doppelt so viele wie im ersten Lockdown. Ebenso 16 Prozent fürchten um den generellen Betrieb von Kitas und Schulen. 

Corona-Krise

Corona-Leugner sind relativ selten ein Problem 

Überrascht waren wir über die relativ geringen Probleme, die uns Bürgermeister im Zusammenhang mit sogenannten Corona-Leugnern nannten. Ist dieses Thema in vielen Medien omnipräsent, berichten die Bürgermeister, dass es sich - zumindest in vielen Regionen Deutschlands - um ein Randproblem handelt. 3 Prozent der Befragten haben uns gesagt, dass sie sehr große Probleme mit Corona-Leugnern und Menschen haben, die sich nicht an die Regeln halten. Auch hier ist der Vergleich zwischen den Regionen jedoch sehr aufschlussreich. In Norddeutschland lag der Wert nur bei marginalen 1 Prozent, in Ostdeutschland hingegen bei 8 Prozent. Deutschlandweit sagen 62 Prozent, dass es wenige Probleme mit diesem Thema gibt. Und das gilt nicht nur für wirkliche "Corona-Leugner" sondern auch für Menschen, die sich nicht an die Regeln halten, also etwa Masken verweigern oder sich trotz der Kontaktbeschränkungen in größeren Gruppen treffen. Jeder Dritte erklärt, hier gebe es weniger große Probleme, über 60 Prozent sagen, es gibt wenige Probleme. 

Corona-Krise

Das große Problem in der Corona-Krise für Kommunen: Fehlende Kommunikation von Bund und Ländern und Gesetze, die nicht umgesetzt werden können

Bürgermeister sagten uns aber auch ehrlich, dass sie häufig gar nicht wissen, ob es nicht etwa doch zu unerlaubten Versammlungen oder sonstigen Verstößen kommt. Denn kontrollierbar sind die immer neuen Verordnungen von Bund und Ländern vor Ort so gut wie nicht. Nicht einmal jede vierte Kommune in Deutschland fühlt sich in der Lage, die Kontrollen zu garantieren.In Ostdeutschland trauen sich das sogar nur 4 Prozent der Bürgermeister zu, einzig in NRW und Baden-Württemberg liegt der Wert vergleichsweise hoch. Noch deutlicher wird das, wenn man sich die personelle Ausstattung der Kommunen anschaut. Nicht einmal jeder siebte Bürgermeister in Deutschland sagt, dass er genügend Personal etwa für die Nachverfolgung von Kontakten und Infektionsketten hat. 

Corona-Krise

Der Grund für die Frustration kommt vor allem daher, dass Bund und Länder den Kommunen immer neue Verordnungen "aufdrücken", ohne dafür zu sorgen dass die Städte und Gemeinden auch in der Lage wären, diese zu überblicken. Der Bürgermeister von Käbschütztal in Sachsen, Uwe Klingor, etwa sagte im KOMMUNAL-Interview auf die Situation angesprochen: "Die Politik haut eine Verordnung nach der anderen raus, doch wer soll das alles umsetzen und kontrollieren?" Ähnlich deutlich wird Ute Seifried, die Bürgermeisterin aus Singen in Baden-Württemberg: "Ich habe mal gezählt. An einem Tag im letzten Frühsommer lagen 28 veränderte Verordnungen auf meinem Tisch".

Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz beklagt: "Die Tatsache, dass wir auf Sicht fahren, ist kein Argument dafür, auf Szenarien zu verzichten und mögliche Entscheidungen nicht frühzeitiger detailliert zu beschreiben und zur Diskussion zu stellen. Das gilt insbesondere auch für die nächsten Wochen", betonte er gegenüber KOMMUNAL.  "Korrekturen sind dabei kein Verlust an Glaubwürdigkeit. Im Gegenteil: Die Politik kann sich noch stärker und schneller als lernendes System verhalten und zeigen", so der Mannheimer Oberbürgermeister. Für ihn steht fest:  "Geholfen hätte es, wenn die Änderung von Maßstäben und Zielen noch transparenter gestaltet und mit mehr Erklärungen versehen worden wären." 

Das spiegelt sich auch in den Umfrage-Werten wieder. Die Unzufriedenheit mit der Informationspolitik von Bund und Ländern ist seit dem ersten Lockdown deutlich gestiegen. Im vergangenen Jahr war jeder fünfte Bürgermeister mit der Informationspolitik unzufrieden, inzwischen sind es immerhin 36 Prozent. 

Corona-Krise

Hauptgrund der Unzufriedenen übrigens: Sie wünschen sich frühzeitigere Informationen von Bund und Ländern. Das gilt vor allem mit Blick auf die Kommunikation im Umgang mit Kitas und Schulen.