Deutschland als gallisches Dorf in Europa - das muss aufhören! Aber brauchen wir dafür ein Digitalministerium? Christian Erhardt meint: NEIN!
Deutschland als gallisches Dorf in Europa - das muss aufhören! Aber brauchen wir dafür ein Digitalministerium? Christian Erhardt meint: NEIN!
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Leitartikel

Digitalministerium? Let´s talk about Netz, Baby...

In Sachen Digitalisierung ist Deutschland in Europa ein gallisches Dorf. Ganz Europa ist digitalisiert? Nein, das förderale Deutschland leistet erfolgreich Widerstand. Das soll sich in einer möglichen Ampel-Koalition ändern. „Mit einem eigenen Ministerium allein holen wir Deutschland aber nicht aus der Faxgeräte-Mentalität heraus“, meint Christian Erhardt.

Witze über den Stand der Digitalisierung in Deutschland gibt es ja wahrlich genug. Ich vermute, auch Sie haben die meisten davon in ihrem Bildschirmtext schon gelesen oder per Faxabruf bestellt. Aber lassen wir das. Fakt ist: Während man in Dänemark problemlos online heiraten oder sich auch scheiden lassen kann, werden bei uns Führerschein-Apps nach wenigen Tagen wegen Sicherheitslücken wieder aus den App-Stores genommen und die Notruf-App „Nora“ meldet Überlastung wegen zu hoher Nachfrage. Und während in Estland jedes Taxi WLAN hat, diskutiert Deutschland über Faxgeräte, die nicht sicher sind, wenn man sie digitalisiert. Daran hat auch die Staatsministerin für Digitalisierung, Grüß-Auguste Doro Bär, nichts geändert. Weil sie genau das war: Eine Staatsministerin ohne Budget und ohne Macht. Das Ergebnis: Unter den G 20 Staaten ist Deutschland während ihrer Amtszeit in Sachen Digitalisierung vom 16. Auf den 17. Platz weiter zurückgefallen. Weshalb der Ruf nach einem Digitalministerium schon im Wahlkampf lauter wurde. Das klingt doch zumindest, als würde sich „endlich mal einer“ um das Thema kümmern. Umso wichtiger, nachdem es im Wahlkampf eher stiefmütterlich behandelt wurde.

Ein Digitalministerium ist mehr Symbol, birgt aber auch Risiken...



Doch wenn wir ehrlich sind, ist so ein Ministerium zwar ein Symbol für Digitalisierung. Aber mit Symbolpolitik werden wir nicht weit kommen. Die Schuldenberge der Kommunen sind ja auch nicht geringer geworden, nur weil es ein Finanzministerium gibt. Was es dafür braucht, ist eine Strategie und vor allem das nötige Geld. Die pure Existenz eines Digitalministeriums hat eben nichts mit Ergebnispolitik, sondern mit reiner Symbolpolitik zu tun. Das kann eine mögliche Ampelkoalition besser, wie sie selbst schon im Sondierungspapier geschrieben hat. „Verwaltung vom Bürger her denken“, heißt es dort.

Das ist genau der Weg, den erfolgreiche Länder wie Estland oder Dänemark gegangen sind. In beiden Ländern gibt es kein Digitalministerium, braucht es auch gar nicht. Die auf Papier festgehaltenen Ideen der potentiellen Ampel-Koalitionäre atmen immerhin schon den Geist dieser Länder. „Verwaltungs- Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen und die Verfahrensdauer halbieren“. Die Formulierungen riechen zumindest nach Aufbruch. Nur gehört haben wir das seit Jahren schon allzu oft. Bleibt die Frage, wie aus den warmen Worten auch schlagkräftige Politik werden soll? Im Aufbau eines neuen Ministeriums, das locker anderthalb Jahre braucht, bis überhaupt die Mitarbeiter gefunden und eingearbeitet sind, wohl kaum.

Statt Digitalministerium: Diese Maßnahmen helfen wirklich! 

Wo also liegen die Probleme?  Da gibt es aktuell etwa eine digitale Datenstrategie, eine Blockchain-Strategie und eine KI-Strategie. Alles ein Sammelsurium an durchaus guten Einzelstrategien. Nur muss aus den vielen Strategien endlich mal eine Gesamtstrategie werden. Im Datenschützer-Elfenbeinturm lässt sich wunderbar jede einzelne Strategie auseinandernehmen und dann wieder unter den vielen anderen Papier-Bergen zu den Akten legen. Und so haben sich die zahlreichen Einzelstrategien längst zu einem bürokratischen Abwehrschirm für jede Diskussion entwickelt.

Was mir aber Mut macht: Offenbar ist die künftige Koalition gewillt, das endlich zu ändern! Das zeigt sie etwa in dem Vorhaben, dass die Familienförderung künftig im Kindergrundsicherungsmodell gebündelt werden soll, das dann automatisch ausgezahlt werden soll. Das ist genau der richtige Ansatz der Bündelung von Leistungen und Aufgaben. Und das lässt sich in den einzelnen Ressorts am Besten regeln. Während das Thema Cybersicherheit wohl am Besten im Verteidigungsministerium entschieden werden kann, braucht es beim Thema digitale Patientenakte die Fachleute im Gesundheitsministerium. Das alles in einem Digitalministerium zu bündeln, koppelt Aufgaben eher ab – dann wird wieder fachfremd entschieden. Dänemark weist uns den Weg, wie es gehen kann. Denn bei allen Fragen geht es erstens um eine Gesamtstrategie und zweitens um Geld, viel Geld. In Dänemark wird daher das Thema Digitalisierung komplett im Finanzministerium koordiniert. Hier fließen die Strategien zusammen, hier wird das Geld verteilt. Eine Chance, auch für Deutschland! Kann den Gedanken bitte mal jemand den Verhandlern in Berlin faxen?

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