Jugendliche bauen Fußballtor auf: Ehrenamt
Im kleinen Vendersheim in Rheinland-Pfalz helfen viele ehrenamtlich mit.
© Gemeinde Vendersheim

Finanzen

Wenig Geld, viele Ideen: Ein Dorf hilft sich selbst

Das kleine Vendersheim in Rheinland-Pfalz kann sich den Eigenanteil für viele Fördermittel nicht leisten. Doch die Einwohner sind reich an Ideen und Tatkraft. Eine bewegende Geschichte.

Wenn Ortsbürgermeisterin Elfi Schmitt-Sieben von „meinen Ehrenamtlichen“ spricht, bekommt ihre Stimme einen noch wärmeren Ton.  Ohne die stets zuverlässige Truppe um sie herum, das wird beim Zuhören schnell klar, wäre das 600-Seelen-Dorf im rheinland-pfälzischen Landkreis Alzey-Worms buchstäblich um einiges ärmer. Denn was Vendersheim fehlt, ist Geld. „Nach Abzug aller Pflichtzahlungen verbleiben uns in guten Jahren rund ein Prozent der Einnahmen für Maßnahmen im Dorf, in schlechten Jahren noch weniger. Das sind in jedem Fall keine 10.000 Euro“, schildert die ehrenamtliche Ortsbürgermeisterin die finanzielle Situation. Sie fügt hinzu: „Wenn wir Pech haben und irgendwo ein größerer Schaden an der Infrastruktur entsteht, geht unser Jahresabschluss ins Minus. Und das ohne, dass wir eine besondere Investition eingeplant hätten.“ Voriges Jahr betrug der Fehlbetrag 608,56 Euro – und das trotz 300 Stunden Arbeitsleistung pro Jahr, die Ehrenamtliche in Vendersheim in zusätzlichen Arbeitseinsätzen erbringen, ohne Lohn zu bekommen.

Vendersheim: Wenig Geld, viel Ehrenamt

Die verpflichtenden Umlagen an die Verbandsgemeinde Wörrstadt und die ebenfalls zu zahlende Kreisumlage engen den finanziellen Spielraum massiv ein.  Rund 56 Prozent der Steuereinnahmen müssen laut Gemeinde als Umlage abgeführt werden. Dieses Schicksal teilt Vendersheim mit den meisten kleinen Kommunen in Deutschland. Und auch wenn es absurd klingt: Viele Dörfer und Gemeinden sind zu arm, um Förderung in Anspruch nehmen zu können. Es fehlt ihnen das Geld für die Kofinanzierung, den zu leistenden Eigenanteil. „Warum haben Bund und Länder nicht so viel Vertrauen in die Kommunalpolitik, dass man den Kommunen nicht mehr Geld direkt zugesteht?“, fragt die Ortsbürgermeisterin. Stattdessen scheiterten die „Kleinen“ an dem unübersichtlichen, personalaufwendigen und oft nicht an den Bedürfnissen dieser Kommunen ausgerichteten Zuschusswesen. Elfi Schmitt-Sieben betont: „Man kann uns doch zutrauen, dass wir wissen, was wir dringend benötigen und was eher nicht.“

Ortsbürgermeisterin Elfi Schmitt-Sieben, Vendersheim

Wir kommen

nur zurecht, weil wir

gemeinsam anpacken.“

Elfi Schmitt-Sieben, Ortsbürger­meisterin in Vendersheim

Zuschüsse für Umrüstung auf LED nur mit Beleuchtungskonzept

Ein Beispiel aus dem Alltag der Kommune: Als die Beleuchtung in der Gemeindehalle, die auch von den Sportvereinen genutzt wird, auf die energiesparsamere LED-Variante umgestellt werden sollte, erkundigten sich die Vendersheimer, ob es dafür Zuschüsse gibt. Und sie erfuhren: Ja, die gibt es. Doch die Sache hatte – wie so oft - einen Haken. „Wir hätten dafür ein von Experten erstelltes Beleuchtungskonzept gebraucht und das wäre für unser Budget einfach zu teuer geworden “, sagt Schmitt-Sieben. Schließlich entschieden sie pragmatisch, es so zu machen, wie so oft: Sie wechselten die Lampen selbst aus.

„Wir können die freiwilligen Leistungen, die unsere Dorfgemeinschaft zusammenhalten, zurzeit nur stemmen, weil die Ortsgemeinde durch ehrenamtliches Engagement mehrere Tausend Euro im Jahr einsparen kann“, unterstreicht die Ortsbürgermeisterin. „Ohne dieses Engagement sieht es ziemlich dunkel aus für den guten Zusammenhalt im Dorf. Dann stehen das Kirchweihfest, die Kerb genannt, die Musik beim St. Martinsumzug, die Partnerschaft, der Seniorenausflug, das kleine Geschenk zum Vereinsjubiläum auf der Kippe. An größere Highlights denken wir schon gar nicht.“

Vendersheim, alle packen mit an

Landfrauen und Alte Herren packen an

Damit das Dorfleben mangels finanzieller Möglichkeiten nicht brach liegt, packen viele im Dorf regelmäßig mit an, manche sogar täglich. So übernehmen die Männer im Gesangsverein regelmäßig den Großputz in der Gemeindehalle, die Landfrauen bepflanzen die Kübel im Dorf. Die Freiwillige Feuerwehr ist nicht nur im Notfall da, sie sichert auch den St. Martinszug ab.  Die „Alten Herren“ sind zur Stelle, wenn Reparaturen anfallen. Es gibt im Dorf die „Allrounder“ und die „Technikfreaks“, wie die ehrenamtliche Bürgermeisterin erzählt. Das Ergebnis ist eine beispiellose personelle Unterstützung, um die angeblich selbst die Nachbargemeinden die kleine Kommune beneiden. Die „Alten Herren“ gehen jeden Mittwoch gemeinsam los und sehen nach, wo was zu tun ist.

Vendersheim, Ehrenamtliche helfen mit

 Ehrenamtliche halten Betrieb in Gemeinde am Laufen

Für die Technik im Dorf ist vor allem Walter Budde zuständig. Er wohnt seit fast 40 Jahren in Vendersheim und ist seit 20 Jahren Mitglied im Gemeinderat und bei der Freiwilligen Feuerwehr. Budde unterstützt die Bürgermeisterin und schon ihren Vorgänger „in allen technischen Dingen“.  Er ist zur Stelle, „wenn das Schloss mal nicht funktioniert und im Kindergarten Sicherheitsschutzvorkehrungen repariert, werden müssen.  „Ich betreue die ratseigene Homepage seit Jahren unentgeltlich, mache Updates und kümmere mich um die IT-Sicherheit“, berichtet er KOMMUNAL. „Andere Gemeinden lassen das für viel Geld von Firmen machen.“ Budde liest auch die Wasseruhren in der Gemeindehalle, in der Friedhofshalle und im Kindergarten ab. Und er ist da, wenn das Telefon im Gemeindebüro nicht funktioniert, der Drucker nicht geht und wenn der Kindergarten neue Patronen für den Drucker braucht, dann bestellt er den eben und bekommt das Geld dafür danach zurückerstattet.

Vereine tun sich zusammen und helfen

Und warum macht er das alles? „Ich will, dass wir es schön haben in unserem Dorf“, sagt Walter Budde. „Dass wir uns was leisten können."  Die Mitglieder des Gesangsvereins haben im vorigen Jahr die komplette Toilettenanlage in der Gemeindehalle saniert. Das Material hat der Verein bezahlt. Auch Horst Schreiber gehört zu den Unermüdlichen, der sich für die Ortsgemeinde einsetzt. Seit 30 Jahren ist er der Vorsitzende des Gesangsvereins. Der ehemalige Elektroingenieur berichtet, dass sich die Vereine zusammengetan haben und sich gemeinsam um das Dorf kümmern. Der Höhepunkt der gemeinsamen Aktionen war im vergangenen Jahr das Weinfest. Drei Tage lang war Vendersheim mit seinen nur 600 Einwohnern Gastgeber für mehrere Tausende Besucher - und erntete viel Anerkennung dafür.

Alle Kindergartenplätze im Dorf belegt

Das Dorf nimmt nicht viel Gewerbesteuer ein, es gibt einige Winzerbetriebe. Doch landwirtschaftliche Unternehmen zahlen keine Gewerbesteuer.  Die Haupteinnahmequelle ist die Einkommenssteuer, gezahlt von Dorfbewohnern, die zur Arbeit nach Mainz fahren, oder auch Wiesbaden und Mannheim. Vendersheim ist beliebt bei jungen Familien. „Wenn ein Haus zum Verkauf steht, gibt es immer Bewerber“, sagt Ortsbürgermeisterin Schmitt-Sieben. Die 22 Plätze im Kindergarten sind derzeit belegt.

Der abseits der Hauptverkehrsstraßen gelegene Weinort ist stolz auf seine schöne Lage. Der Blick kann durch die etwas höhere Lage weit schweifen, wie die Ortsgemeinde auf ihrer Homepage schildert: im Süden über das Pfälzer Bergland mit dem Donnersberg, im Westen in den Hunsrück hinein, im Norden in den Taunus und den Rheingau und im Osten bis zum Odenwald.

 Engagement mit viel Abstimmungsbedarf

„Wir leben nicht im Paradies, aber wir tun vieles dafür, das Positive in unserer Dorfgemeinschaft trotz Geldmangel und großer Herausforderungen nicht aus dem Blick zu verlieren“, sagt Elfi Schmitt-Sieben.  Den Einsatz der Ehrenamtliche am Laufenden zu halten, erfordert einen großen Zeitaufwand. „Es gibt viel Gesprächsbedarf, die Aktionen müssen abgesprochen werden“, sagt die ehrenamtliche Ortsbürgermeisterin. Oft ist sie selbst dabei und ist „immer dankbar, dass meine Ehrenamtlichen sich so engagiert für unser Dorf einsetzen“.

Fördermittel-Tipps von Experten
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Zu jeder Förderrichtlinie anfangs eine Checkliste bauen. So eine To-do-Liste ist ein wichtiger erster Schutz vor Formfehler.  Denn die können teuer werden.
Eine kleine Gemeinde sollte möglichst einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin qualifizieren.