Die digitale Ratsarbeit ist für Gemeinderäte weiter eher die Ausnahme - die Gründe liegen in der Technik aber auch im persönlichen Bereich
Die digitale Ratsarbeit ist für Gemeinderäte weiter eher die Ausnahme - die Gründe liegen in der Technik aber auch im persönlichen Bereich
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Analyse des Justizministeriums

Gemeinderäte wünschen sich mehr digitale Sitzungen

Das Statistische Bundesamt hat spannende Zahlen zur digitalen Gremienarbeit veröffentlicht. Grundlage ist eine Umfrage unter rund 1800 Teilnehmern, darunter auch gut 1100 Gemeinderäte und Kreistagsabgeordnete. Sie zeichnen ein gemischtes Bild in Sachen Digitalisierung auf komunaler Ebene. Vieles scheint an technischen Möglichkeiten zu scheitern, die Mehrheit wünscht sich aber auch weiterhin vor allem Präsenzsitzungen.

Vor der Corona-Pandemie war für Gemeinderäte eigentlich klar: Die Sitzung findet im Rathaus oder einem anderen Sitzungssaal, etwa im Bürgerhaus, statt. Auf jeden Fall aber trifft man sich persönlich. 99 Prozent aller Sitzungen auch im Kreistag fanden auf diese Weise statt. Etwas anders sah es im Ehrenamt aus, dort hatten vor Corona immerhin schon 5 Prozent der Ehrenamtlichen Erfahrungen mit digitalen Sitzungen. Aufsichtsräte etwa in Genossenschaften tagten vor Corona häufiger digital, immer 11 Prozent. Allerdings waren das sehr häufig Telefonkonferenzen. 

Soweit die Zahlen des Statistischen Bundesamtes für die Zeit vor der Pandemie. Im Auftrag des Bundesjustizministeriums ist im Herbst eine Umfrage mit 1800 Teilnehmern veröffentlicht worden. Die meisten Teilnehmer, rund 1100, sind Gemeinderäte und Kreistagsabgeordnete. 

Gemeinderäte tagten auch während der Pandemie mehrheitlich in Präsenz

Der viel zitierte schnelle digitale Wandel ist durch die Pandemie nicht entstanden, zeigt nun die Umfrage. Denn auch während der Corona-Phase hat demnach nicht einmal jeder zehnte Gemeinderat Erfahrungen mit digitalen Sitzungen gemacht. In den Kreistagen lag der Anteil immerhin bei knapp 20 Prozent. Jeweils rund 10 Prozent gaben an, an rein digitalen Sitzungen teilgenommen zu haben, weitere 10 Prozent haben Erfahrungen mit hybriden Kreistagssitzungen gemacht.



Ganz anders in den Aufsichtsräten, wo die digitale Sitzung auch vor Corona schon etwas weiter verbreitet war. Hier tagten fast 90 Prozent aller Mitglieder auch digital oder als Hybridsitzung. Wobei hier aus den früheren Telefonkonferenzen schnell Videokonferenzen wurden. Zusammenfassend lässt sich also sagen: Wer vor der Pandemie schon erste Erfahrungen mit digitalen Sitzungen gemacht hatte, dem ist es auch deutlich einfacher gefallen, während der Corona-Zeit die Sitzungen komplett zu digitalisieren. 

Woran aber liegt es, dass selbst in einer Zeit, als persönliche Treffen fast unmöglich waren, so viele nicht die digitalen Möglichkeiten genutzt haben? Auch dazu hat die Umfrage spannende Erkenntnisse. Als Hauptgrund nenne die meisten, nämlich jeder Zweite Befragte, das fehlende eigene technische Know-How. Fast jeder Dritte (Mehrfachnennungen waren möglich) erklärte aber auch, es habe ihm an technischer Ausstattung gefehlt. 

Befragt nach den technischen Problemen gaben die Nutzer von Videokonferenzen besonders häufig Verbindungsprobleme oder eine schlechte Ton- und Bildqualität an. Hier spielt also die schlechte Breitbandversorgung vor allem auf dem Land eine wesentliche Rolle. 

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Präsenz wird aber auch weiterhin von Gemeinderäten gewünscht 

Allerdings ist die technische Diskussion im Vergleich zum Wunsch nach "persönlichem Kontakt" nur ein kleiner Aspekt. Auffallend viele, nämlich 37 Prozent, gaben als Grund, auch während Corona persönlich getagt zu haben an, dass sie den persönlichen Kontakt bevorzugen. So bemängelten dann auch mehr als 60 Prozent derjenigen, die an reinen Videokonferenzen teilgenommen hatten, die fehlende lebhafte Diskussion, gefolgt von der fehlenden Mimik der Teilnehmer. Insgesamt kam es im Zuge der digitalen Sitzungen bei 90 Prozent der Befragten zu Problemen in irgendeiner Form. 

Das erklärt wohl auch, warum insbesondere die Gemeinderäte auch jetzt nach der Pandemie, besonders häufig den Wunsch äussern, "wenn möglich in Präsenz zu tagen". Nur jeweils 10 Prozent wünschen sich grundsätzlich rein digitale Sitzungen oder auf Dauer Hybdridsitzungen. Mit 20 Prozent liegt die Zahl derer, die die digitalen Möglichkeiten nun dauerhaft nutzen wollen, zwar sehr viel höher als vor der Pandemie. Von einer Mehrheit ist das aber weit entfernt. 

Trotzdem ist die Bereitschaft der Gemeinderäte, künftig regelmässig zumindest Hybdridistzungen anzubieten, deutlich gewachsen. Immerhin wünschen sich 42 Prozent aller Befragten, dass künftig häufiger Videokonferenzen angeboten werden. Auf einer Skala von 1 bis 5 sollten die 1700 Befragten die jeweiligen Formen einordnen, wobei 1 für "ganz schlecht" und 5 für "sehr gut" standen. Präsenzsitzungen erreichten dabei einen Wert von 4,3 von 5 Punkten. Präsenzsitzungen mit digitalen Teilnahmemöglichkeiten, also sogenannte Hybdrid-Sitzungen schnitten ähnlich gut mit einem Wert von 4,0 ab. Reine digitale Konferenzen bewerteten die Teilnehmer hingegen nur mit einem Wert von 3,6. Wobei  hier vor allem die telefonische Teilnahme mit einem Wert von 2,4 extrem schlecht abschnitt. 

Was passieren muss um die digitale Gremienarbeit zu ermöglichen

Zusammenfassend lässt sich anhand der Studie also sagen, dass vor allem die technischen Voraussetzungen sich verbessern müssen. Anders sind digitale Gremiensitzungen für die meisten Teilnehmer eher stressig als hilfreich. Auch das Thema Breitband vor allem in ländlichen Regionen spielt dabei eine wesentliche Rolle zur Akzeptanz. Bessere Software-Lösungen, stabilere Datenflüsse und auch IT-Schulungen der Mitglieder werden in dem Papier als konkrete Ansatzpunkte genannt. 

In einer Tabelle fasst das Ministerium zusätzlich auch noch einmal die rechtlichen Rahmendedingungen für Hybrid- und digitale Sitzungen zusammen. Auffallend ist hier, dass auch immerhin 20 Prozent der Teilnehmer auf Ebene der Gemeinderäte und Kreistagsmitglieder als Hintergrundsgrund angab, dass die rechtlichen Möglichkeiten vor Ort nicht gegeben sind. In der Tat sind hybdride Ratssitzungen noch nicht in allen Bundesländern erlaubt. Diese Grundvoraussetzung dürfte die Werte insgesamt deutlich verschlechtert haben. Das zeigt sich auch am Vergleich etwa mit Aufsichtsratssitzungen. Hier waren digitale Sitzungen meist schon länger über Regelungen in der jeweilen Satzung des Unternehmens oder der Genossenschaft möglich. Entsprechend häufiger wurde während und nach der Pandemie diese Form angewandt. Und entsprechend weniger technische Probleme gab es hier auch, weil die digitale Sitzung schon häufiger "gelernt" war. Der Wechsel von der Telefonkonferenz auf die Videokonferenz wurde hier von vielen als Fortschritt empfunden, die Befragten zeigten sich entsprechend offener, auch künftig digital tagen zu wollen. 

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