Gründer sind innovativ und werden durch Kommunen gefördert.
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Unternehmensansiedelung

Wie Kommunen Gründer unterstützen können

Die Corona-Pandemie hat viele Unternehmen in Schieflage gebracht. Besonders betroffen: junge Kreative, die noch ganz am Anfang stehen. Mit einem Netzwerk wollen vier Städte aus Baden-Württemberg Innovationen großen Raum geben. Damit Existenzgründer vor Ort erfolgreich werden.

Baden-Württemberg ist die Heimat attraktiver Großkonzerne: Allein Robert Bosch, Daimler, Lidl, SAP bieten im „Ländle“ mehr als einer Million Menschen einen sicheren und zumeist gut dotierten Arbeitsplatz. Bei der Konkurrenz verwundert es nicht, dass das südwestliche Bundesland in Sachen Neugründungen nur im deutschen Mittelfeld liegt – nach Berlin, Brandenburg, Hamburg, Bayern und Niedersachsen. Ändern möchten das vier Kommunen, deren Wirtschaftsförderer sich zusammengeschlossen haben, um ihre Region für Start-Ups interessanter zu machen:  Filderstadt, Esslingen, Nürtingen und Kirchheim unter Teck.

Gründer mit etablierten Konzernen zusammen bringen

Christian Franz, Abteilungsleiter Wirtschaft und Liegenschaften in Nürtingen, sieht in seiner Region eigentlich beste Chancen für Gründer: „Wir sind aktuell vielleicht nicht so hipp wie Berlin oder Hamburg. Aber wir bieten ein gesundes und kulturell reiches Umfeld und eine starke Wirtschaftskraft mit vielen Hidden Champions.“ Saskia Klinger, Wirtschaftsförderin in Kirchheim unter Teck, verweist auf die beiden Hochschulen in Esslingen und Nürtingen als Kooperationspartner und Marc Grün, Leiter des Amts für Wirtschaft in Esslingen, sieht sogar Vorteile, wenn er seine Region mit den Zugpferden Berlin und Hamburg vergleicht: „In Berlin etwa hat nicht jede Gründung Substanz. Bei uns sind viele Tüftler unterwegs, deren Unternehmungen zumeist akribisch geplant und mit sehr viel Hand und Fuß umgesetzt werden. Und wir sind eine Region mit großer Finanzkraft.“

Mit dem Projekt „Mach es!“ wollen die Kommunen Gründungswilligen ein Beratungspaket bieten, das sämtliche Aspekte einer Neugründung berücksichtigt. Marc Grün erläutert: „Auf potentielle Gründer kommen viele Fragen zu: Taugt meine Idee? Wer ist für was zuständig? Welche Bank ist für mich die richtige? Von welchen Fördertöpfen kann ich profitieren? Welches Unternehmen könnte der passende Partner für mich sein? Wo und wann gibt es Veranstaltungen oder Workshops, von denen ich profitieren könnte? Für all diese Fragen wollen wir zentrale Ansprechpartner sein.“ Und Saskia Klinger ergänzt: „Wir wollen mit diesem Projekt zu einer Innovationsdrehscheibe werden. Dabei lassen wir uns davon leiten, was unsere Zielgruppe – potentielle Gründer – will und braucht. Auf dieser Basis schnüren wir dann ein Gesamtpaket, das unterstützend und zeitsparend möglichst gute Voraussetzungen für unsere Neu-Unternehmer schafft.“

Gemeinsame kommunale Anstrengungen für Existenz-Gründer

Christian Franz, Saskia Klinger und Marc Grün wissen, dass Ihnen als Kommune das Kapital dafür fehlt, mit der „Bazooka“ zu fördern. Die Wirtschaftsförderung ist eine freiwillige Leistung der Kommunen. Zwar gibt es inzwischen mehr Gründungsförderung und Risikokapital, aber die drei Wirtschaftsförderer sind der Meinung, dass zukünftig auch innovative Formate zur Gründungsförderung verstärkt gefördert werden sollten. Marc Grün: „Wichtig ist es auf jeden Fall, unsere Ressourcen zu bündeln und Bedarfe bestmöglich zu adressieren. Die nötige Transformation wird nicht durchs Nichtstun oder eine Kultur der Einzelkämpfer entstehen, sondern durch die gemeinsame Schaffung einer wirtschaftlich-kreativen Subkultur, in der Gründungswillige entsprechende Biotope finden, in denen sie ihre Projekte voranbringen können. “ Gewollt sind im Projekt „Mach es!“ keine kurzfristigen und wenig nachhaltigen Erfolge, son

dern ein langfristiger Wandel, der auch die Städte als Ganzes erfasst. Christian Franz erläutert: „Die Denkweise von kreativen Köpfen wirkt – davon sind wir überzeugt – auch in eine Stadt als Ganzes hinein. Natürlich freuen sich Kommunen, wenn Neugründungen Steuereinnahmen und Arbeitsplätze versprechen. Aber Gründer tragen auch dazu bei, eine Stadt bunter und vielfältiger zu machen und damit die Lebensqualität aller zu steigern.“ Marc Grün nickt: „Auch deshalb wollen wir Neugründer mitten in unsere Städte holen, um ihre Ideen im Zentrum der Bürgerschaft wirken zu lassen.“ Und er fügt an: „Aber wir wollen auch einen Mehrwert für die Region als Ganzes und deshalb sind uns weitere Kommunen herzlich willkommen.“

Experimente und Gründungsideen fördern

Derzeit ist Deutschland noch weit davon entfernt, ein Paradies für Start-Ups zu sein. Die Gründungen gehen seit zehn Jahren kontinuierlich und auf niedrigem Niveau zurück – absehen von einigen Hotspots! Eine Gründerkultur, wie sie Experten etwa in Helsinki, San Franzisco, Seoul, Singapur, Tel Aviv und Toronto verorten, sucht man hierzulande meist vergebens. Mit ein Grund, warum das Trio im Kreis Esslingen bereits in den Schulen ansetzen will. Marc Grün: „Bislang haben nur wenige Schulabgänger die Option ,Selbstständigkeit‘ auf dem Radar. Um das zu ändern, müssen wir uns in den Bildungseinrichtungen engagieren und passgenaue Angebote für Schüler machen.“ Saskia Klinger hat ein Beispiel: „Bei uns gibt es die offene Technikwerkstatt TeckLab, in der Kinder und Jugendliche moderne Werkzeuge und innovative Technologien kennenlernen können. Die natürliche Experimentierfreude von jungen Menschen kann – wenn sie erhalten bleibt – zu neuen Ideen und letztendlich auch zu selbstständigen Unternehmungen führen.“ Ein anderes hat Christian Franz parat: „An einer Nürtinger Schule existiert ein Programm, bei dem Schüler eine Genossenschaft für ihre Geschäftsidee gründen und schon einmal erste Gründerluft schnuppern können. Solche Initiativen sollten gefördert und ausgebaut werden.“

An einer Nürtinger Schule existiert ein Programm, bei dem Schüler eine Genossenschaft für ihre Geschäftsidee gründen können.

Christian Franz, Abteilungsleiter Wirtschaft in Nürtingen

Mit ihrem Konzept haben die vier Kommunen im Landesfinale des Wettbewerbs „Start-Up Baden-Württemberg Local – gründungsfreundliche Kommune“ in der Kategorie „Interkommunaler Ansatz“ den zweiten Platz belegt. Ein Erfolg, auf dem sich die Macher keineswegs ausruhen wollen. Nächstes Ziel ist eine gemeinsame Webseite. Neben einem umfassenden Beratungsangebot sollen dort auch alle Veranstaltungen in der Gründerszene versammelt und in einem zentralen Veranstaltungskalender zusammengefasst werden. Gleichzeitig soll die Plattform dazu dienen, mögliche Partner zusammenzubringen und für einen regen Austausch zwischen Gründern, aber auch zwischen Neu-Firmenchefs und gestandenen Unternehmern sorgen. Marc Grün: „Nicht jeder Mensch mit einer guten, wirtschaftlich vermarktbaren Idee ist auch automatisch ein geborener Unternehmer oder eine geborene Firmenchefin. Partnerschaften halten wir deshalb für ein gutes Mittel, um Neugründer bestmöglich auf ihre neue Rolle vorzubereiten.“