Beschluss
Letzte Generation eine kriminelle Vereinigung?
Die 2. Strafkammer des Landgerichts München hat Beschwerden gegen Durchsuchungs- und Beschlagnahmungs-Anordnungen im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen Mitglieder der Letzten Generation als unbegründet zurückgewiesen. Sie stärkte damit die Generalstaatsanwaltschaft, die gegen mehrere Mitglieder der Klimaaktivisten-Gruppe ermittelt. Die sogenannte Staatsschutzkammer sieht die Voraussetzungen für den Erlass der Untersuchungsbeschlüsse erfüllt. Den Beschuldigten wird unter anderem die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Beim Amtsgericht hatte die Beschwerde gegen die Untersuchungsbeschlüsse keinen Erfolg, daher sollte nun das Landgericht München I darüber entscheiden.
Letzte Generation Anfangsverdacht einer kriminellen Vereinigung
Das Ergebnis überraschte in der Eindeutigkeit: Das Amtsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass ein Anfangsverdacht dafür bestehe, dass die „Letzte Generation“ eine kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 StGB bildet, so die Staatsschutzkammer am Landgericht.
Richter: Letzte Generation erfüllt Voraussetzungen
Die Letzte Generation erfülle die Voraussetzungen einer Vereinigung, weil sie nach den bisherigen Ermittlungen einen auf Dauer angelegten Zusammenschluss von mehreren Hundert Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses – der Durchsetzung klimapolitischer Forderungen durch „zivilen Ungehorsam“ – darstelle. Auch sei der Zweck und die Tätigkeit der Vereinigung auf die Begehung von Straftaten gerichtet. Die Kammer hob dabei hervor, dass die Begehung von Straftaten nicht der Hauptzweck der Vereinigung sein müsse. Es könne auch einer von mehreren Zwecken sein:
Das Erscheinungsbild der „Letzten Generation“ werde durch Nötigungen von Verkehrsteilnehmern, vor allem durch Festkleben oder (gemeinschädliche) Sachbeschädigungen, jedenfalls wesentlich mitgeprägt. Das Gericht verwies dabei auf Blockaden von Straßen und Flughäfen durch Mitglieder der "Letzten Generation", die auch teilweise durch illegale Mittel durchgesetzt werden.
Erhebliche Gefahr für öffentliche Sicherheit
Diese Taten begründen nach Auffassung der Kammer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Das Gericht stellte darauf ab, dass der gesellschaftliche Diskurs durch illegitime Mittel verletzt werde, wenn eine Gruppierung versuche, sich – gegebenenfalls moralisch überhöhend – über die rechtsstaatliche Ordnung und die demokratischen Abläufe zu stellen. Straftaten seien kein Mittel der freiheitlichen, demokratischen, rechtsstaatlichen Diskussion, sondern Ausdruck krimineller Energie und als solche juristisch nüchtern zu bewerten.
Moralische Argumente keine Begründung für Straftaten
Moralische Argumente könnten jenseits der Gesetze eine Strafbarkeit weder begründen noch negieren. Das Landgericht nannte neben den zahlreichen Sitzblockaden vor allem die Störung und Blockaden des Betriebs verschiedener Flughäfen und konzertierte Aktionen, um den Durchfluss verschiedener Ölpipelines zu unterbrechen.
Folgen der Einschätzung durch die Gerichte
Welche Konsequenzen hat die Entscheidung auf die Aktivitäten der Letzten Generation? Liegt der Anfangsverdacht einer kriminellen Vereinigung vor, dürfen zum Beispiel Wohnungen durchsucht werden, wenn der Anfangsverdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen Betroffene vorliegt.
Wie bewerten andere Gerichte die Letzte Generation?
Der Staatsschutzsenat des Landgerichts Potsdam bestätigte ebenfalls einen Anfangsverdacht einer kriminellen Vereinigung bei der Letzten Generation. Im Frühjahr 2022 hatten Klima-Aktivisten auf dem Gelände der PCK-Raffinerie in Werneuchen einen Tanklaster bestiegen und sich dort festgeklebt. Im Dezember hat dann das Amtsgericht Neuruppin die Durchsuchung von Wohnräumen angeordnet, es folgten weitere Razzien. Eine Beschwerde vom Januar 2023 dagegen hat das Landgericht Potsdam abgewiesen.
Die Staatsschutzkammer des Landgerichts Potsdam sah ebenfalls einen Anfangsverdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Es war das erste Mal, dass ein Gericht in Deutschland diese Einschätzung vornahm. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin geht bislang davon aus, dass es sich bei der Letzten Generation nicht um eine kriminelle Vereinigung handelt. Die Justizsenatorin forderte dazu ein Gutachten an.
Strafrechtsprofessor: Konkurrierende Einschätzungen
"Dass wir nun eine Lage mit konkurrierenden Einschätzungen zur gleichen Rechtsfrage haben, ist auch ein Problem des Föderalismus der Justiz, die ist Ländersache", zitiert die ZEIT nach der jüngsten Entscheidung des Landgerichts München den Münchner Strafrechtsprofessor Mark Zöller. "Es wird deshalb Jahre dauern bis zu einer höchstrichterlichen Klärung, etwa durch den Bundesgerichtshof."
Zur Begründung der Beschlüsse des Landgerichts München I.
Gegen die Entscheidung können keine weiteren Rechtsmittel eingelegt werden, so das Gericht. Allerdings können die Betroffenen das Bundesverfassungsgericht anrufen.