Neues Arbeiten
Diese Stadtverwaltung macht vieles komplett anders
„Wir haben erkannt, dass wir Defizite – oder sagen wir Verbesserungspotenzial – haben“, sagt Ludwig Beck, Geschäftsleiter der Kreisstadt Starnberg und verantwortlich für die Stadtverwaltung. Wie geht man das an? Sich selbst bewerten, um leistungsfähiger zu werden – das kennt Beck aus dem Qualitätsmanagement. Das findet er gut. Doch was in der Wirtschaft passt, lässt sich nicht automatisch auf Behörden übertragen.
Verwaltungs-Modernisierung made in Europe
Nach einiger Recherche bleibt der Geschäftsleiter bei einem Qualitätsbewertungsmodell speziell für öffentliche Verwaltungen in Europa hängen. Es heißt CAF (Common Assessment Framework) und wurde von der Europäischen Kommission entwickelt. Auch in Deutschland nutzen Bundes-, Landes- und kommunale Behörden dieses Modell, um leistungsfähiger zu werden. Das Prinzip dahinter: Stärken und Verbesserungspotenziale zu erkennen und daraus Maßnahmen abzuleiten. Am Ende steht das CAF-Gütesiegel. Soweit die Theorie.
„Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das CAF-Verfahren durchzuführen“, sagt Beck. Es sei komplett in Eigenregie möglich oder mit externer Unterstützung. Der Geschäftsleiter entscheidet sich mit seinem Team für einen Mittelweg: „Wir haben zwei Mitarbeitende vorher zu CAF-Faciliatoren ausbilden lassen, damit sie den Prozess durchführen können“, so Beck. Für die erste Runde werden sie vom KDZ in Österreich unterstützt, dem Zentrum für Verwaltungsforschung. Zukünftig sollen die hauseigenen CAF-Faciliatoren die Stadtverwaltung regelmäßig in Eigenregie coachen.
Individueller Bewertungsbogen
Zunächst wird ein sogenanntes CAF-Raster festgelegt. „Dahinter verbirgt sich ein Evaluierungsbogen, der für die eigene Verwaltung individuell zugeschnitten und in verschiedene Bereiche aus dem Common Assessment Framework gegliedert ist“, erklärt der Geschäftsleiter. Es geht darin etwa um Personal- und Führungsfragen, Prozesse, Strategie und Planung. Grundlage ist das „Qualitätsmanagement für Gemeinden – CAF kommunal“, herausgebracht vom Zentrum für Verwaltungsforschung KDZ. Es steht kostenlos zur Verfügung.
Der Evaluierungsbogen in Starnberg umfasst 13 Seiten. Er geht an zehn ausgewählte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in leitenden Positionen. Um die Verwaltung anhand des CAF-Rasters zu bewerten, seien etwa zwei Tage nötig, berichtet Beck. Dabei gehe es nicht nur darum, aufzudecken, was schlecht läuft. „Eine der Stärken des CAF ist, dass die Teilnehmenden auch Maßnahmen für Verbesserungen vorschlagen sollen“, sagt er.
Team hat 79 Verbesserungsvorschläge
79 Verbesserungsvorschläge erarbeitet das Starnberger Projektteam. Mit diesen Vorschlägen setzt sich die Gruppe anschließend in einem zweitägigen Konsensworkshop zusammen. Hier wird jede Idee besprochen und diskutiert. Welche Maßnahmen können tatsächlich umgesetzt werden? Was ist realistisch? Was brauchen wir dafür? Am Ende steht ein Aktionsplan.
24 Verbesserungsvorschläge haben es geschafft: Sie werden in sieben Projektgruppen vorangetrieben. „Wir haben 13 sogenannte Quick Wins herausgearbeitet“, sagt Beck. Das sind Maßnahmen, die sich sehr schnell und ohne großen Aufwand umsetzen lassen. Wie etwa die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sensibilisieren, dass Vorschläge willkommen sind und eingebracht werden können. Das sei bisher nicht allen bekannt gewesen. Damit das besser läuft, wird das Personalmanagement dieses Thema zukünftig transparenter kommunizieren. So konnten die Mitarbeitenden bereits bei einer Personalversammlung gemeinsam Vorschläge einbringen.
Gemeinsam Lösungen erarbeiten
Beck ist Fan des partizipativen Ansatzes: „Es ist doch viel besser, wenn Mitarbeitende sich aktiv einbringen können und wir uns gemeinsam Lösungen überlegen.“ Zu heiße Büros etwa. Sich nur zu beschweren bringe wenig, aber Vorschläge wie frühere Arbeitszeiten einzubringen, würden zu positiven Veränderungen beitragen.
Eines der größeren Projekte sei, „die Arbeitgeberattraktivität zu steigern“. Sechs Maßnahmen hat das Team dafür erarbeitet. „Wir wollen Anreize schaffen, um vorhandenes gutes Personal in der Stadt zu halten und neues zu gewinnen“, so Beck. Eine der Maßnahmen war eine Feedbackrunde mit sämtlichen Mitarbeitenden. Was läuft gut? Was ginge besser? Themen wie Homeoffice im Ausland, Mentorings für angehende Führungskräfte, mehr Mitarbeiterwohnungen, Vier-Tage-Woche oder Haustiere im Büro standen auf der Agenda. Was sinnvoll, umsetzbar und finanzierbar ist, bespricht die Gruppe gemeinsam. „Das schätze ich am CAF-Prozess: Man schafft nicht nur Konsens, sondern auch Verständnis dafür, warum manches nicht geht“, sagt Beck.
Reformturbo CAF?
Welche Maßnahmen tatsächlich umgesetzt und finanziert werden, darüber entscheidet in Starnberg der Stadtrat. Der habe bis jetzt alles durchgewunken, was das Projektteam erarbeitet hat, freut sich Beck. Von den 24 Maßnahmen sind bereits einige integriert, manche davon seien fortlaufende Projekte, aber die meisten sollen bis 2025 umgesetzt sein. „Dann können wir das ganze Spiel noch mal machen“, lacht er. Denn die Vorteile des europäischen Selbstbewertungssystems liegen für ihn auf der Hand: „Man nutzt das eigene Know-how, um die Organisation zu verbessern. Das ist super fürs Teambuilding. Zudem ist es sehr wirtschaftlich.“ Indem das eigene Wissen angezapft werde, könnten sich die Mitarbeitenden viel besser mit den Maßnahmen und den Veränderungen identifizieren.
Man könnte meinen: Super Sache! Doch ausgiebig genutzt wird der CAF auf kommunaler Ebene bisher nicht. In Deutschland arbeitet neben Starnberg nur der Bezirk Oberbayern mit dem Qualitätsbewertungsmodell. Der Reformturbo CAF ist demnach noch nicht gezündet.
Der CAF 2020-Leitfaden zum Herunterladen als PDF: