Digitale Ratsinformationssysteme
Immer mehr Kommunen setzen auf Ratsinformationssyteme.
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Ratsinformationssysteme

So funktionieren Ratsinformationssysteme

Stadträte sparen sich in immer mehr Kommunen die Papierunterlagen. Das hilft bei der Organisation und nützt der Umwelt. Doch auf dem Markt gibt es mehr als ein Dutzend verschiedene Ratsinformationssysteme. Wir liefern einen Überblick, welches System wann Ratsmitgliedern und Bürgern Mehrwerte bietet.

Wenn in Falkensee bei Berlin eine Stadtratssitzung stattfindet, landet die Einladung dazu im digitalen Postfach der Stadträte. Papiereinladungen sind nicht mehr nötig. Denn die Stadt nutzt seit einigen Jahren ein Ratsinformationssystem: Alle Sitzungsunterlagen werden digital zur Verfügung gestellt, „nur wenn jemand ausdrücklich darauf besteht, gibt es Papierausdrucke“, sagt der Falkenseer Dezernent Harald Sempf. „Wenn sich die Stadtverordneten darauf einigen, dass eine Ladung ins elektronische Postfach ausreicht, spare ich Zeit.“ Als Beispiel nennt Sempf die Versendung eines Haushalts: „Wenn ich allen 38 Stadtverordneten den kompletten Haushalt ausdrucke, ist das Ressourcenverschwendung. Wenn ich ihnen den Haushalt online zur Verfügung stelle, sterben viele Bäume nicht.“

Ratsinformationssysteme - was beachten?



Aber worauf müssen Kommunen achten, die ihren Mandatsträgern und der Öffentlichkeit ein solches System zur Verfügung stellen wollen? Ein wesentliches Thema ist, wie bei allen Vorgängen rund um die Digitalisierung, wohl der Datenschutz. Die Datenschutzbeauftragte des Landes Niedersachsen, Barbara Thiel, hat sich deswegen mit einer eigenen Handreichung zu den Anforderungen an Ratsinformationssysteme zu Wort gemeldet. Darin verweist sie auf die personenbezogenen und schützenswerten Daten, die in Ratssitzungen naturgemäß anfallen – also zum Beispiel „Beschlussfassungen über Personalangelegenheiten, Auftragsvergaben, Vermietung oder Verpachtung kommunaler Einrichtungen, Vertragsangelegenheiten, die Festsetzung kommunaler Abgaben und Gebühren sowie Anregungen und Beschwerden der Bürger im Rahmen der Bauleitplanung“.

Akzeptanz für Ratsinformationssystems schaffen

Das führt dazu, dass sowohl Mandatsträger als auch Bürger der Einführung von Ratsinformationssystemen zuweilen skeptisch gegenüberstehen. „Auf Seiten der Bürger sowie bei den Mandatsträgern wird die notwendige Akzeptanz für Ratsinformationssysteme jedoch nur zu erreichen sein, wenn die Vertraulichkeit und Integrität der in den Ratsinformationssystemen verarbeiteten personenbezogenen Daten gewahrt bleibt.“ Weswegen die niedersächsische Datenschutzbeauftragte klarstellt: Alles, was in der realen Welt in einer nicht-öffentlichen Sitzung verhandelt werden würde, darf auch nicht durch das Ratsinformationssystem ins Internet gelangen. Und auch ansonsten dürften personenbezogene Daten nur soweit verarbeitet werden, wie es für eine angemessene Information der Mandatsträger über den zur Beratung anstehenden Sachverhalt erforderlich sei.

Grafik Mann vor Computer digitale Ratarbeit

Wortprotokolle nicht im Internet veröffentlichen

Im Internet veröffentlichte Tagesordnungen müssten deswegen grundsätzlich anonymisiert werden. Rechtzeitig geklärt werden müsse auch, welche Daten nur den Mandatsträgern – und welche Daten allen Internetnutzern zur Verfügung gestellt werden sollen. Sollen alle Sitzungsvorlagen und alle Unterlagen ins öffentlich zugängliche System gestellt werden? Und wie ist es mit Sitzungsprotokollen? „Es sollte davon abgesehen werden, Wortprotokolle und Protokollierungen des Abstimmungsverhaltens einzelner Ratsfrauen oder Ratsherren in das Internet einzustellen“, rät die Datenschutzbeauftragte.

Auswahl an Ratsinformationssysteme

Wichtig freilich ist es auch, das für die Kommune passende System zu finden. Und da ist die Auswahl groß: Auf dem deutschen Markt werden derzeit mehr als ein Dutzend verschiedene Ratsinformationssysteme angeboten. „Die Ratssysteme sind sehr dynamisch“, sagt der Falkenseer Dezernent Harald Sempf. Oft hänge es von der Größe der Kommune ab, welches System am Ende das Passende sei. „Eine kleine Vertretungskörperschaft braucht kein hochanspruchsvolles System.“ Sempf vergleicht die Ratsinformationssysteme mit dem Schreibprogramm „Word“. „Ich bin ein erfahrener Nutzer dieses Programms und nutze in meiner täglichen Arbeit doch nur drei oder vier Prozent von dem, was es mir eigentlich bieten würde.“ Auch die Ratsinformationssysteme könnten sehr viel, so der Dezernent. „Aber ich arbeite in der Kommune mit Ehrenamtlern, vielen Rentnern und Pensionären, die ein kommunales Mandat errungen haben.“ Da müsse sich solch ein System auch an den Nutzern orientieren.

Drei Arten von Systemen

Die Bertelsmann-Stiftung, die sich in einer Broschüre mit den verschiedenen Arten von Ratsinformationssystemen auseinandergesetzt hat, kategorisiert die Softwareprogramme in drei Klassen. Die „Kommunalen Sitzungsdienste“ erfüllten die Minimalanforderungen an ein Informationssystem für Rat und Verwaltung und stellten die üblichen Vorlagen, Beschlüsse, Protokolle, Sitzungsunterlagen, Termine und Anträge den Räten und sachkundigen Bürgern zur Verfügung. „Ratskommunikations- und Recherchesysteme“ würden dazu die Recherche in externen Archiven erlauben und zum Beispiel auch Geodaten zur Verfügung stellen.

Die am weitesten entwickeltste Klasse von Ratsinformationssystemen sind im Grunde genommen „Ratsinteraktionssysteme“: Sie ermöglichten die komplette Koordination von Sitzungsabläufen, Beratungsverfahren, Antragserarbeitung, Termin- und Raumplanung über eine intranetbasierte Kommunikationsplattform. „Das heißt, es werden eigene Arbeitsbereiche und Ablagemöglichkeiten für Fraktions-Arbeitskreise, Fraktionen, Ausschüsse, Rat und Verwaltung abgestuft nach Vertraulichkeitsstufen elektronisch eingerichtet“, heißt es in der Broschüre. Doch ein derartiges System kann auch neue Probleme schaffen: Denn es funktioniert nur, wenn auch wirklich 100 Prozent der Gemeinderatsmitglieder mit Notebook und Internetzugang ausgestattet sind. Alle Vorteile der internetbasierten Kommunikation gehen nämlich verloren, wenn für einige Nicht-Nutzer dann doch wieder auf die Papierform zurückgegriffen werden muss.

Wie Stadtverordnete damit zurechtkommen

„Ein Ratsinformationssystem ist ein total gutes Instrument, wenn man eine online-affine Gemeindevertretung hat“, sagt Harald Sempf. „Mein Problem ist aber: Ich darf niemanden diskriminieren.“ Auch eine 70-jährige Stadtverordnete muss mit dem System zurechtkommen können. Sonst nämlich würde die Gemeindevertretung auf die jungen und fitten Mitglieder reduziert: Engagierte, die selbst vielleicht etwas weniger internetaffin sind, würden sich dann möglicherweise nicht mehr auf kommunalpolitische Mandate bewerben. „Man muss die Leute mitnehmen. Das System muss mit den Betroffenen lernen und wachsen können.“

Elektronische Aktenführung

Deswegen sollte ein Ratsinformationssystem zu Anfang nicht zu viele Funktionalitäten bieten. Die Ratsmitglieder würden im Laufe der Zeit ohnehin von sich aus immer mehr auf OnlineSysteme umsteigen. Letztlich allerdings wird ein gutes Ratsinformationssystem auch die Verwaltung umstellen. „Ein Ratsinformationssystem ist der Endpunkt des eGovernement“, sagt Sempf. Denn es ermöglicht eine durchgehend elektronische Aktenführung: Die Verwaltung erzeugt jede Beschlussvorlage nur noch elektronisch. „Dann wandert die Vorlage, ohne dass sie jemals auf Papier ausgedruckt war, ins Ratssystem und wird dort von den Gemeinderäten bearbeitet.“ Was Sempf anderen Kommunen rät? „Fangt mit einem Golf an, bis ihr zum Mercedes kommt“, so der Brandenburger. „Kauft nicht gleich den Mercedes, denn das überfordert alle.