Können Meldestellen Gewalt und Hetze im Netz und im realen Leben verhindern?
Können Meldestellen Gewalt und Hetze im Netz und im realen Leben verhindern?
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Kampf gegen Hetze

Meldestelle soll Kommunalpolitiker schützen

Was kann eine Meldestelle gegen Hass wirksam dazu beitragen, damit weniger Hass im Netz verbreitet wird? Das Bundesland Hessen hat bereits Erfahrung mit Meldestellen - eine Bilanz der Aktion der Justiz und eine erste Bewertung der jüngsten Plattform der Landesregierung aus Sicht der Kommunalpolitik.

Die Hessische Justiz hat bereits im vergangenen Jahr eine Meldestelle in Form einer ungewöhnlichen Kooperation geschaffen. Gemeinsam mit verschiedenen Gruppen der Zivilgesellschaft ging bereits im November 2019 die Seite www.hassmelden.de an den Start. Dort heißt es wörtlich: "Inhalte, die du für strafrechtlich relevant hältst, kannst du hier melden. Wir prüfen jede Meldung unter strafrechtlichen Gesichtspunkten und leiten in Kooperation mit dem Hessischen Justizministerium Meldungen, die wahrscheinlich strafrechtlich relevant sind, an die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität zur Ermittlung von Tat und Täter weiter. Vertrauliche Hinweise kannst du uns per Mail schicken." 

Die Seite ist Teils des Aktionsplans Hessen gegen Hetze, den die Landesregierung im Herbst beschlossen hatte. Seit der vergangenen Woche ist der Plan ein weiteres Stück "abgearbeitet". Mit der neuen Seite www.hessengegenhetze.de. Der Unterschied zur ersten Seite: Hier können Bürger seit wenigen Tagen direkt Texte und Fotos hochladen. Die gemeldeten Inhalte werden dann in einer Erstprüfung ebenfalls auf strafrechtliche Relevanz geprüft. Danach werden die Hassinhalte an die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) weitergeleitet. Insgesamt also eine Plattform, die sehr ähnlich funktioniert, wie die bereits vorhandene. Dieses Mal jedoch direkt vom Land Berlin und ohne Partner, wie etwa die Landesmedienanstalt oder anderen Akteuren gegen Hass und Gewalt.

Die Zentralstelle ist eine Außenstelle der Generalanwaltschaft Frankfurt am Main. Sogenannte Antragsdelikte - also Delikte, denen nur auf Antrag des Geschädigten nachgegangen wird), wie etwa Beleidigungen, werden an das Landeskriminalamt übermittelt. 

Doch was kann die Meldestelle wirklich leisten? Beginnen wir die Analyse mit einigen Zahlen, die von der Plattform der Justiz (www.hassmelden) bereits vorliegen: 12.000 Meldungen sind dort allein im vergangenen Jahr seit dem Start eingegangen. 2000 davon waren tatsächlich strafrechtlich relevant. Nötig war dafür übrigens auch eine Aufstockung des Personals bei der Zentralstelle um 14 Mitarbeiter. "Unser Ziel ist es, strafbare Inhalte nicht nur zeitnah entfernen zu lassen, sondern auch die Täte zu identifizieren und vor Gericht zu stellen", so eine Sprecherin des Hauses. 

Meldestelle ist gut aufgebaut und kann helfen

Wer die neue Seite des Landes besucht muss schnell festhalten: Die Seite ist übersichtlich aufgebaut und gibt schnell und einfach Klarheit über die vorhandenen Möglichkeiten. Die Bedienung wirkt zumindest sehr einfach. Denn bisher ist das Problem vieler Kommunalpolitiker, die Opfer von Hass und Gewalt werden: Je nachdem, um welche Form es sich handelt (ob online, persönlich, körperlich etc) sind andere Stellen zuständig, ist dem Laien nicht immer klar, an wen er sich wenden muss. Das führte immer wieder dazu, dass Kommunalpolitiker bei der örtlichen Polizeidienststelle abgewiesen wurden, ein Tatbestand sei voraussichtlich strafrechtlich nicht relevant und würde daher gar nicht erst zu den Akten genommen. So entstand in den vergangenen Jahren das Problem, dass es keinerlei Überblick gab, wie groß das Ausmaß wirklich ist. Erst eine deutschlandweite Umfrage, die KOMMUNAL im Sommer vergangenen Jahres durchgeführt hat, brachte das Problem auch in breiten Öffentlichkeit ins Bewusstsein und führte zu einem Handeln der Politik. 

Neu bei der Meldestelle ist in Hessen auch, dass es klare Richtlinien gib, wie mit Meldungen auf der Seite umzugehen ist. Bei Facebook und Co wirkt es bei Meldungen häufig so, als sei es willkürlich, ob eine Meldung gelöscht wird oder nicht. Das soll sich vor allem durch mehr Transparenz auf dieser Plattform nicht wiederholen. 

Insofern ist die Plattform nach erster Sichtung durch KOMMUNAL nicht nur ein Gewinn, sondern auf jeden Fall auch für alle anderen Bundesländer zum Nachahmen empfohlen! 

Meldestelle ist aber kein Allheilmittel

Bei allen positiven Meldungen: Ein Allheilmittel ist die Plattform natürlich nicht. Was zusätzlich passieren muss, sind Änderungen und mehr Klarheit im Gesetz. Die Bundesregierung arbeitet bereits an wichtigen Stellschrauben, der Gesetzentwurf - nicht nur zur besseren Bekämpfung von Hass im Netz - liegt als Referentenentwurf seit wenigen Wochen vor. KOMMUNAL hat ihn vorliegen und veröffentlicht.

Hier finden Sie den Gesetzesentwurf im Original

Wie schwierig die Situation bisher insbesondere mit Hasskommentaren im Netz ist, zeigte jüngst der Fall Renate Künast. Ein Gericht entschied, dass sie sich Kommentare wie "Stück Sch...." oder "Geisteskranke" gefallen lassen muss. Das sei Meinungsfreiheit. Später bekam sie im Zusammenhang mit den Kommentaren gegen einen Blogger dann doch noch Recht vor Gericht, aber im Grunde nur indirekt. KOMMUNAL hatte über diesen späten Sieg online berichtet.

Der Fall Renate Künast und das Urteil der Richter

Keine Entscheidung vor Gericht in Sachen Waffenschein

Am Dienstag, 21. Januar sollte nun vor Gericht in einem weiteren Fall eines Kommunalpolitikers vor Gericht entschieden werden. Der Bürgermeister von Kamp-Lintfort wird seit Monaten mit dem Tode bedroht. Er hatte daraufhin einen Waffenschein bei der Polizei beantragt. Da ihm die Polizei dies verweigerte, zog er vor das zuständige Verwaltungsgericht. Durch den für diese Woche anberaumten Termin wurde auch der Name des Bürgermeisters bekannt. Zuvor hatten KOMMUNAL und andere Medien immer "nur" vom Antrag eines "Bürgermeisters aus NRW" gesprochen. Name und Ort wurden nicht veröffentlicht. Es folgte eine große öffentliche Debatte über die Bewaffnung von Kommunalpolitikern. Die Diskussion haben wir HIER für Sie zusammengefasst: 

 

Am vergangenen Freitag nun erklärte Christoph Landscheidt, der Bürgermeister von Kamp-Lintfort, dass er die Klage zurückzieht. Der für Dienstag angesetzte und von vielen mit Spannung erwartete Termin und die Verhandlung finden somit nicht statt. Als Begründung sagte Landscheidt, allein sein Antrag habe zu einer breiten Diskussion geführt. Das sei ein großer Fortschritt. Zudem wurde - nicht zuletzt nach einer Neonazi-Demo in seiner Stadt am Samstag vor einer Woche - dem Bürgermeister Personenschutz sichergestellt. Er fühle sich somit nun sicherer als davor. Er wolle daher nun auf den Waffenschein verzichten. "Ich habe meine Anwälte beauftragt, die Klage zurückzunehmen", so der Bürgermeister. Und weiter: „Ich verspreche mir von diesem Schritt eine Versachlichung der Diskussion, in der es dann hoffentlich nicht mehr um meine Person, sondern um das gesellschaftliche Problem geht, wie wir Hetze, Hass und Bedrohungen möglichst verhindern und uns dagegen besser schützen können“. 

In seiner 34.000 Einwohner Stadt sorgte am Wochenende ein zusätzlicher Satz ihres Bürgermeisters für viel Zustimmung. Er kündigte zeitgleich an, bei den Kommunalwahlen am 13. September in seiner Stadt erneut als Bürgermeister zu kandidieren. Darüber war diskutiert worden, nachdem in den vergangenen Wochen mehrere Bürgermeister nach Anfeindungen zurückgetreten waren bzw. ankündigten, nicht mehr zu kandidieren. 

Landscheidt ist seit dem Jahr 1999 Bürgermeister der Stadt. Der Jurist wurde zuletzt  im Jahr 2014 mit über 87 Prozent der Stimmen wiedergewählt.

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